[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2001/12 | Seite 54
50. Jahrgang | Dez./Jan.
Dossier: Musikbuch
aktuell & neue Noten
Die Musikwelt Bernard Shaws
Eine Hommage zum 50. Todestag bei Peter Lang
Gebhard Redlin: Die Welt der Musik des George Bernard Shaw ein außergewöhnlicher Musikkritiker
und seine Zeit, Beiträge zur Musikgeschichte, Band 6, herausgegeben von Ekkehard Kreft, Peter Lang,
Europäischer Verlag der Wissenschaften 2000
Etwas verspätet, aber noch in Verbindung mit dem 50. Todestag am 2. November 2000 des großen Iren
George Bernhard Shaw, erschien im Oktober bei Peter Lang, Europäischer Verlag der Wissenschaften, im Rahmen
der von Ekkehard Kreft herausgegebene Reihe Beiträge zur Musikgeschichte der Band 6 Die
Welt der Musik des George Bernard Shaw ein außergewöhnlicher Musikkritiker und seine Zeit
von Gebhard Redlin.
Der Autor, 1924 in Pommern geboren, selbst Orchestermusiker und von 1961 bis 1990 Geschäftsführer
der Nordwestdeutschen Philharmonie, hatte im Ruhestand die vortreffliche Idee, nach intensiven Studien in London
die Musikkritiken, die Shaw im Viktorianischen Zeitalter und um die Jahrhundertwende unter anderem unter dem
Pseudonym Corno de Bassetto in verschiedenen Journalen und Gazetten in London verfasste, zu übersetzen.
Es gelang Redlin die vom irischen Spötter in Ich-Form geschriebenen Kritiken, Schilderungen
und Betrachtungen der gesellschaftlichen Verhältnisse stilgerecht, geistreich, mit Pointen humorvoll ins
Deutsche zu übertragen und mit spannenden eigenen Texten über das Londoner Musikleben in der genannten
Zeit zu verbinden und zu erzählen.
Der Autor hat die Quellen gründlich hinterfragt und auf nahezu 600 Seiten mit interessanten Bildern ein
kulturgeschichtliches Werk geschrieben. In 15 Kapiteln begleitet man den berühmten Dichter von den Tagen
der Armut in seiner irischen Heimat bis hin zum Wirken in der Britischen Weltmetropole, ein Weg der ohne seine
Musikleidenschaft nicht möglich gewesen wäre.
Man erfährt von den für uns Deutsche unbekannten Verhältnissen der Londoner Opernbühnen,
den Intrigen, Pleiten und Pannen, über die handelnden Personen, den Intendanten, Dirigenten, Tenören
und den Primadonnen vom Schlage einer Adelina Patti, Lilian Nordica, Helen Porter Mitchell, genannt Die
Melba und anderen. Der Schwerpunkt seiner Mission als Musikkritiker bestand in seinem großen persönlichen
Einsatz für die deutsche Musik und ihre Komponisten in England.
Richard Wagner und sein Werk fand in ihm einen lebenslang glühenden Verehrer in Wort und Schrift. Er schrieb
1898 sein bekanntes Buch über Wagners Ring The perfect Wagnerite, kritisierte
aber mit beißender Ironie den Bayreuther Festspielbetrieb, den er öfter besuchte, um immer wieder
in intelligente Dispute mit Zeitgenossen für Wagner einzutreten.
Der Komponist Richard Strauss und sein Auftreten in London fand seine volle Unterstützung, das Kapitel
über die Elektra-Kontroverse ist hier ein Beispiel.
Noch als 92-Jähriger förderte Shaw den Plan von Sir Thomas Beecham unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg,
dem größten lebenden Komponisten ein erneutes Auftreten in London zu ermöglichen. Das Gastspiel
sorgte für einen großen Erfolg für den Komponisten und sein Werk.
Wir erfahren in dem Buch über George Bernard Shaws Liebe zu Mozart, seine Bekenntnisse zu Verdi und anderen;
aber auch über seine Zurückhaltung gegenüber Mendelssohn und Johannes Brahms.
Kurzum, das Buch ist lesbar und nicht nur dem Musikfreund zu empfehlen. Der Autor zitiert George Bernard Shaw
am Schluss seines Vorwortes: Ein Gemeinwesen, das Chancen schafft, sich künstlerische Intelligenz
anzueignen, wird nützlichere Bürger hervorbringen. Sie werden das Gemeinwesen weniger kosten als diejenigen,
die nur geübt sind, oberflächliche Formen des Vergnügens zu schätzen.