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nmz-archiv
nmz 2001/12 | Seite 28
50. Jahrgang | Dez./Jan.
Deutscher
Tonkünstler Verband
Wege zu Mensch und Gesellschaft
Zum Europäischen Kongress für Musikpädagogik in Toblach
Unter dem Thema Warum nicht Musik?! Wege zu Mensch und Gesellschaft fand vom 11. bis 14.
Oktober 2001 in Toblach ein europäischer Kongress für Musikpädagogik statt. Die Arbeitsgemeinschaft
der Musikerzieher Österreichs (AGMÖ) und das Bozener Institut für Musikerziehung in deutscher
und ladinischer Sprache hatten dazu in das ehemalige, geschichtsträchtige Grand-Hotel eingeladen. In diesem
Hotel ging früher der europäische Hoch- und Geldadel ein und aus, das Hotel verfügte über
großzügige Speisesäle, Musik- und Lesesalons, offene und geschlossene Veranden. Weithin bekannt
waren die See- und Blumenfeste. Hier ist es wunderherrlich und repariert ganz sicher Leib und Seele
so empfand Gustav Mahler dort seinen Aufenthalt in den Sommermonaten 1908 bis 1910. Das Grand-Hotel empfiehlt
sich auch für zukünftige Kongresse, denn es liegt auf weitläufigem und großzügigem
Terrain und wurde inzwischen zu einem modernen Kongresszentrum umgebaut, ohne dass der Charme des Jugendstils
nachhaltig darunter gelitten hätte.
Siegfried Tappeiner vom Kongresskomitee zeigte sich bei der Begrüßung sichtlich erfreut über
die große Zahl von 1.300 Teilnehmern und wünschte ihnen viel Neugierde, viele Ideen und viel
Freude bei der Umsetzung der in Toblach gewonnenen Anregungen. Darüber hi-naus bedankte er sich bei
allen, die zur Vorbereitung der Veranstaltung beigetragen hatten.
Hofrat Dir. Dr. Peschl, der Präsident der Arbeitsgemeinschaft Österreichischer Musikerzieher, und
Prof. Scheidegger aus Luzern betonten die wichtige Rolle der Musik in der Entwicklung des Menschen. Daraus resultiere
auch eine besondere Verantwortung für die Musikerziehung im Kindesalter. Musik öffnet dem Menschen
ein zusätzliches Fenster, urteilte Peschl. Kulturlandesrat Bruno Hosp und sein Tiroler Amtskollege
Günther Platter hoben in ihren Grußworten ebenfalls die Bedeutung der musischen Erziehung hervor.
Elisabeth Gehrer, die österreichische Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, eröffnete
den Kongress. Ich mag musische und musizierende Menschen. Sie fordern nicht nur, dass andere etwas tun,
sie tun selbst. Sie nehmen die musische Herausforderung an und tun sich leichter, auch andere Herausforderungen
anzunehmen. Musische Bildung befähigt, quer zu denken, Zusammenhänge zu erkennen. Eingehend
auf die aktuellen weltpolitischen Geschehnisse zeigte sie sich bestürzt da-rüber, dass die in Kabul
in langen Jahren mühsam aufgebaute Musikschule von den dortigen Machthabern aufgelöst und der Umgang
mit Musik überhaupt verboten worden sei. Die Festrede hielt Dr. Haas, der Rektor des Salzburger Mozarteums.
Der hoch wissenschaftliche Vortrag stand unter dem Thema Musikerziehung musisch-kreative Bildung
für die Zukunft. Kultureller Wert und bildungspolitische Verantwortung. Beindruckend und exzellent
umrahmt wurde die Auftaktveranstaltung durch das Horn-ensemble der Ersten Gesamttiroler Horngesellschaft
(Ltg.: H. Angerer) und das Kammerorchester der Lehrerinnen und Lehrer der Musikschulen Südtirols
(Ltg.: F. Kostner).
Zum Zeitpunkt der offiziellen Eröffnung des Kongresses am späten Nachmittag war die Veranstaltung
allerdings bereits in vollem Gange, denn wie sonst hätte man die schier unüberschaubare Anzahl von
Workshops, Foren, Vorträgen, Exkursionen, Präsentationen, Videodemonstrationen, Statements, Berichten,
Diskussionen, Arbeitskreisen und Konzerten in der Zeit von Donnerstag bis Sonntag unterbringen sollen. Die Themen
der über 80 Veranstaltungen waren breit gefächert und erstreckten sich über Vokal- und Instrumentalmusik,
Rhythmik, Musiktheater, Musiktherapie, Internet, Computer, Musiktheorie, Analyse bis hin zur Musikpädagogischen
Forschung. Das angesprochene Altersspektrum reichte von der musikalischen Früherziehung bis hin zur Oberstufe
des Gymnasiums. Dementsprechend breit gefächert waren auch die diskutierten musikalischen Epochen. So wurde
der Bogen von der Gregorianik bis zur Musik unserer Tage gespannt. Wichtig und wertvoll waren darüber hinaus
die Veranstaltungen, die zur Reflexion der eigenen Unterrichtstätigkeit hinführten.
Bezeichnend für die ausgezeichnete logistische und inhaltliche Gestaltung des Kongresses war die Tatsache,
dass man die Lücke zwischen Schulabschluss und Lehrertätigkeit durch die Voranschaltung eines internationalen
Studentenforums für Musikpädagogik vom 10. bis 11. Oktober zu schließen wusste. Unmittelbar
vor dem Kongress trafen sich Studierende der Musikpädagogik verschiedener Hochschulen aus Deutschland,
Österreich, der Schweiz und der Slowakei, um in Arbeitsgruppen über die derzeitige Situation des Musikunterrichts
und über dessen Zukunft an öffentlichen Schulen in Europa zu diskutieren.
Von diesem Kongress ging mit Sicherheit eine positive Wirkung auf das unterrichtliche Wirken der 1.300 Teilnehmer
aus. Die Teilnehmer aus Österreich und Italien hatten dienstfreie Tage und ein Wochenende, an denen sie
sich in kompakter Form produktiv und kreativ fortbilden konnten. Fazit: für deutsche Kultusministerien
durchaus nachahmenswert!