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nmz-archiv
nmz 2001/12 | Seite 25
50. Jahrgang | Dez./Jan.
Jeunesses Musicales Deutschland
Konstellation mit symbolhaftem Charakter
History, Music and Remembrance Meisterkurs in Israel gleich mit mehreren Anliegen
Der zweite internationale Meisterkurs für Klavier, Kammermusik und Gesang in Israel, der vom 28. September
bis 7. Oktober 2001 in Beit Theresienstadt im Kibbuz Givat Haim (Israel) stattfand, war die Fortsetzung von
thematisch ähnlichen Kursen in Israel 1999 und Prag 2000.
Im Mittelpunkt standen die Werke der Komponisten Viktor Ullmann, Pavel Haas, Hans Krása, Gideon Klein
und Karel Reiner, die alle im Konzentrationslager Theresienstadt inhaftiert waren und bis auf Karel Reiner in
nationalsozialistischen Vernichtungs- oder Arbeitslagern ums Leben kamen. Dieser Meisterkurs, an dem neun deutsche,
elf israelische und zwei tschechische Nachwuchsmusiker teilnahmen, hatte sich unter dem Motto History,
Music and Remembrance gleich einem dreifachen Anliegen gestellt. Solistische und Kammermusikalische Werke
der in Theresienstadt inhaftierten Komponisten, aber auch Werke des klassischen Repertoires, die in Theresienstadt
zwischen 1942 und 1945 zur Aufführung gelangten, wurden in der Theresienstadt-Gedenkstätte Beit
Terezín erarbeitet. Einen besonderen Stellenwert hatte hierbei die Begegnung und der gemeinsame
Unterricht bei der Pianistin Edith Kraus und dem Violinisten Paul Kling, die beide in Theresienstadt inhaftiert
waren. Edith Kraus war Ende der 1920er Jahre jüngste Schülerin in der Meisterklasse von Artur Schnabel
in Berlin. Ihre als Wunderkind begonnene viel versprechende Karriere fand durch die Verschleppung
nach Theresienstadt zunächst ein jähes Ende. Nach der Befreiung Theresienstadts konnte sie weiter
als Pianistin wirken und unterrichtete später an der Musikakademie von Jerusalem. Paul Kling, der heute
in Kanada lebt, konzertierte bereits im Alter von sieben Jahren als Solist mit den Wiener Symphonikern. Nach
dem Martyrium der Inhaftierung in Theresienstadt und Auschwitz konnte er an seine Karriere anknüpfen und
spielte als Solist beziehungsweise Konzertmeister in Wien und Tokio unter Maestros wie Busch, von Karajan und
Strawinsky.
Neben den täglichen Unterrichtsstunden und dem aktiven Musizieren erlaubten musikwissenschaftliche Vorträge
und die Berichte mehrerer anwesender Zeitzeugen eine noch tiefgründigere Auseinandersetzung mit dem wohl
dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte.
Volker Ahmels, Landesvorsitzender des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern der Jeunesses Musicales und Direktor
des Schweriner Konservatoriums, hatte es gemeinsam mit seinen israelischen Partnern verstanden,
dieses gelungene Projekt zu konzipieren. Neben Edith Kraus (Israel) und Paul Kling (Kanada), konnte er auch
die Pianisten Allan Sternfield (Israel), Matitjahu Kellig (Deutschland), die Sängerin Emilie Berendsen
(Israel), den Cellisten Michael Haran (Israel), den Musikwissenschaftler David Bloch (Israel), den Leiter des
Viktor-Ullmann-Archivs in Dornach, Marcus Gerhardts (Deutschland), sowie die Leiterin der Theresienstadt Gedenkstätte
Beit Terezín, Anita Tarsi (Israel), für das Projekt gewinnen. Neben den beiden durch
die Kursteilnehmer gestalteten Konzerten in Beit Theresienstadt und Ein Kerem (Jerusalem) gab es noch ein weiteres
Konzert in Yad VaShem diesem symbolträchtigen Ort der Erinnerung an die Shoah. Dieses Konzert gestalteten
der Bariton Christfried Biebrach und die Pianistin Friederike Haufe (beide Deutschland).
Auch von politischer Seite aus fand der gelungene Brückenschlag zwischen Vergangenheit, Musik und Erinnerung
Anerkennung und Unterstützung, was nicht zuletzt darin zum Ausdruck kam, dass Rudolf Dressler, Botschafter
der Bundesrepublik Deutschland in Israel, Shimon Stein, Botschafter Israels in der Bundesrepublik Deutschland
und Avi Primor, ehemaliger Botschafter Israels in Deutschland und jetziger Vize-Präsident der Universität
von Tel Aviv, die gemeinsame Schirmherrschaft für dieses Projekt übernahmen eine Konstellation
mit symbolhaftem Charakter.
Ebenso symbolhaft auch die Einladung aller Kursteilnehmer zum Empfang des deutschen Botschafters in Israel
am Tag der deutschen Einheit und das dortige gemeinsame Singen der deutschen und der israelischen Nationalhymne
durch die Kursteilnehmer in Anwesenheit des israelischen Außenministers Shimon Peres, der trotz der schwierigen
politischen Lage ebenfalls der Einladung des deutschen Botschafters gefolgt war.
Was auf der großen Bühne der Politik scheinbar nur schwer zu realisieren ist, fand in dem kleinen
Rahmen des Meisterkurses problemlos statt: Der gemeinsame Erinnerungsprozess, angeregt durch das kollektive
Erlebnis der Musik, des Musizierens und des Einander-Zuhörens, wurde vorangetrieben ohne äußere
Zwänge. In dem Bewusstsein, eine gemeinsame auf traurige Weise verbindende Vergangenheit
zu haben, musizierten Israelis, Tschechen und Deutsche in dem Selbstverständnis, Zeichen zu setzen, wider
Intoleranz und Ignoranz.
Bleibt zu hoffen, dass diese Zeichen auch wahrgenommen werden, und in Zukunft noch weitere Kurse dieser Art
auch, oder gerade in Israel folgen können.