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nmz-archiv
nmz 2001/12 | Seite 48
50. Jahrgang | Dez./Jan.
Nachschlag
Pop-Politisierung
Irgendwie erinnerten die Szenen auf der 3. Popkonferenz vom 16. bis 18. November in Germering an die Gemeinderatssitzung
in Grüneck a.d. Lahn. Diskussionsgegenstand dort: Fördermöglichkeiten und Gelder für eine
Ampelanlage in unmittelbarer Nähe eines Zebrastreifens. Diskussionsgegenstand in Germering: Fördermittel,
-gelder, -möglichkeiten im Namen der Rock- und Popmusik. Anwesend zeigte sich unter anderem der Staatsminister
für Kultur und alles was sonst noch darunter fällt, Julian Nida-Rümelin oder Dirk Hewig vom Bayerischen
Wissenschaftsministerium (Kulturministerium eingeschlossen).
Geladen hatte die Bundesarbeitsgemeinschaft der Musikinitiativen e.V. (B.A.ROCK), vertreten durch den Geschäftsführer
Lothar Surey und den Bayerischen Rockintendanten Bernd Schweinar (ABMI/Rock.Büro Süd), sowie der Deutsche
Musikrat. Erreichen wollte man den Schulterschluss zwischen (Kultur-)Politikern, Entscheidern der Industrie,
Marketingfachleuten und Plattenfirmen, Veranstaltern oder Szene-Netzwerken. Netzwerk schien der Schlüsselbegriff
in Germering zu sein. Alles und jeden will man nun also vernetzen. Die Plattenindustrie mit dem diplomierten
Rocker und die forschen, dynamischen Marketingabteilungen mit den angestaubten, dehydrierten Politikern. Panels
gab es dazu. Im Duden bald als Diskussionsrunde geführt. Themen dieser Runden waren etwa Chancen
und Möglichkeiten des Musiksponsorings oder Popmusik Kultur- und Wirtschaftsfaktor.
Alternativ und additiv gab es Keynotes, Best Practice Beispiele oder Praxisdialogplattformen mit ähnlichen,
der Sache dienlichen Themen.
Dass diese Begriffe nicht gerade rock-revolutionär anmuten, liegt wohl an der Natur der Sache. Es geht
um Politik und Fördergelder. Und Rockfunktionärsposten, die ihre Initiativen mithilfe der Staatsmittel
oder wenn Sie so wollen mit Ihrem Geld am Leben erhalten und damit einhergehend, die deutsche Rock- und Popmusik
fördern. Diplomatisch, wie Politik nun einmal ist, wurden sich die Bälle innerhalb der Foren zugespielt,
Vorlagen verwandelt oder Elfmeter geschunden. Die Politiker verwiesen auf die Bund/Länder Problematik der
Fördergeldermittelbereitstellung, die Vertreter der Initiativen sprachen von fertigen Konzepten, die in
den Schubläden liegen und nur auf die Ausschüttung der Politik warten. Was diese Konzepte enthalten,
wurde verschwiegen. Und den Leuten, denen die Förderung zukommen soll, denen wurde ebenfalls die Abhaltung
der Popkonferenz verschwiegen: Musikern, Künstlern und Bands. Man hat sie anderweitig eingesetzt. Bei den
After Show Parties durften sie mit einem Monitor auf der Bühne und einer auf dem Boden stehenden P.A. (Lautsprechersystem)
spielen. Das ist Förderung.
Die Bands an das rauhe Leben in versifften Clubs gewöhnen, das aber wenigstens aus einer einwandfrei installierten
P.A. besteht. Großartige Förderung. Großartiges Interesse. Dafür gabs am Empfang
Prosecco und Kaffee mit reichlich Kaffeesatzresten. Gut, dass die Bands nicht nachmittags anwesend waren.
Sie wären gegangen. In ihren Proberaum ohne Toiletten. Zu ihren von Proberaumnagern angefressenen Verstärkern.
Aber sie wären voll Stolz gegangen. Ohne anbiedernde, selbstdarstellende und pseudo-ich hab vor 20
Jahren auch mal in ner Band gespielt-Parolen ertragen zu müssen. Nein, ein Fazit lässt
sich nicht ziehen. Eher dringende Bitten an die Rockfunktionäre: Definiert das Wort Förderung. Geht
in euch und fragt die Bands, was sie wollen. Macht die Künstler nicht zu euren Instrumenten missverstandener
Eitelkeiten oder ausgelebter Profilneurosen.
Was Bands wollen, ist ein Proberaum, drei bis vier Auftritte im Jahr und den Traum Rockstar zu werden. Niemand
braucht ein Rockdiplom. Hatte John Lee Hooker das? Oder Kurt Cobain? Man muss den Musiker im Glauben lassen,
es allein zu schaffen. Ohne Förderung. Denn Förderung kann kreativ hemmend sein. Die Förderung
der Existenzgründungen (Labels, Produzenten, Verlage) innerhalb der Musikbranche ist eine andere Sache.
Dort sollten die Initiativen und der Staat ansetzen. Dort haben beide Know-how und Erfahrungen. Dort wird Hilfe
benötigt. Aber lasst den Musiker an sich in Frieden. Ruhen und spielen. Das hat etwas mit Ehrgeiz und Idealismus
zu tun. Nicht mit Geld.