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nmz-archiv
nmz 2001/12 | Seite 38
50. Jahrgang | Dez./Jan.
Jazz, Rock, Pop
Ticktackoma
Traute Römisch und ihre plattdeutschen Chansons
Regionalsprachen und Dialekte verfügen über eine Anzahl charmanter und treffender Ausdrücke
für manche vermeintliche Nichtigkeit, die dem stromlinienförmigen Hochdeutsch fehlen und daher (wie
auch allerhand jiddische Wörter) gerne übernommen werden. Dem Niederdeutschen, vulgo: Platt, verdanken
wir so etwa das Kuddelmuddel und den Wonneproppen; jeder Versuch, dies kongenial zu übersetzen, muss einfach
scheitern. Natürlich darf man über Mundartlieder schmunzeln, es gibt ja auch so etwas wie Regionalhumor.
Während wir das Hochdeutsch für Zahlen, Daten, Fakten, Bits und Bytes et cetera benutzen, sind die
Niedersprachen für Emotionales geradezu prädestiniert also auch für die Liebe.
Auf der Bühne sitzt ein bescheiden wirkender junger Mann am Klavier, der sich im Laufe des Abends als
mit allen Wassern gewaschener Pianist entpuppen wird, Klassik, Folklore und Jazz inklusive. Doch heute ist Andy
Mokrus aus Hannover vor allem Begleiter. Eine blonde schlanke Frau mit einem langen, ein bisschen frivolen Kleid
betritt die Bühne, und das ist Präsenz: die Bühne, ja der ganze Saal ist schlagartig ausgefüllt.
Traute Römisch aus Hameln, gebürtig in Buxtehude, ist Schauspielerin. Heute wird sie sich als Diseuse
und Sängerin In Liebe hoch und platt äußern. Der hochdeutsche Anteil sind rezitierte
Gedichte von Ringelnatz, Heine oder Storm. Doch die eigentliche Sensation ist plattdeutsch, denn die Römisch
schreibt ihre Chansons selbst und vertont sie gemeinsam mit Mokrus. Dabei geht es wohlgemerkt nicht um Folkloristik,
wenn auch das Plattdeutsche für die erdige Note sorgt, ohne deswegen platt zu wirken.
Gleichermaßen augenzwinkernd wie auch mal nachdenklich wird midden in de Nacht unter dem
Appelboom Tango getanzt (und zwar nackig), aber nicht pausenlos: Ik kann doch
nich bloos lachen. Und wenn es wieder besser geht, denn sünss wedder dor, de Brummers
in Buuk, die Schmetterlinge im Bauch.
Im gleichnamigen Lied allerdings geht es um een bösen Schandool, was Wunder, schließlich
geht es auch im altbekannten Dat du min Leevsten büst nicht um bürgerliche Moral. Im Titelsong
der selbst produzierten CD Wunnertüten heißt es, irgendwie logisch, keen seggt
denn dat allens vernünftig ween muut (ausgerechnet vernünftig ist Hochdeutsch!).
Stilistik? Alle oder keine; Du schnackst toveel könnte ein Boogie sein oder ein Rap, auch Beethoven
lässt grüßen, selbst die Musik ist randvoll mit subtilem Humor. Nein, als Zugabe gibt es nicht
Lütt Matten, Traute Römisch hat auch dafür etwa Eigenes und muss nicht in die Klamottenkiste
greifen (Lott is doot hat sie schon im Lied über ihre Ticktackoma Anna festgestellt).
Auf der CD ist mit Lothar Krist als Gast noch ein hervorragender Saxophonist zu hören. Bestellung/Kontakt:
Tel./Fax 05151/254 11 oder mail@Andy.Mokrus.de