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nmz-archiv
nmz 2002/02 | Seite 14
51. Jahrgang | Februar
Deutscher Kulturrat
Fazit zum Internationalen Jahr der Freiwilligen
Diskussion um Ehrenamt und Bürgerschaftliches Engagement geht weiter · Von Olaf Zimmermann
Was bleibt für den Dritten Sektor? Diese Frage stellt sich, denkt man über das abgelaufene Internationale
Jahr der Freiwilligen und die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags Zukunft des Bürgerschaftlichen
Engagements, die sich ebenfalls ihrem Ende zuneigt, nach. Was wird von den vielen Reden über die
Bedeutung des bürgerschaftlichen Engagements bleiben? Was wird von den Metern an beschriebenem Papier,
die am Ende der Enquete-Kommission aufgetürmt sein werden, noch zur Kenntnis genommen werden? Wer wird
noch auf die bunten Plakatwände schauen, die im Internationalen Jahr der Freiwilligen zum Lob der Ehrenamtlichen
aufgehängt wurden?
Eines wird ganz gewiss bleiben, das Bürgerschaftliche Engagement selbst und die Organisationen, in denen
dieses Engagement stattfindet. Die Organisationen werden auch nach dem Internationalen Jahr der Freiwilligen
weiterarbeiten. Ihr Engagement wird auch dann nicht erlahmen, wenn sich die Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftler
einem anderen Thema zugewandt haben, wenn die Politikerinnen und Politiker wieder andere Fragen in den Mittelpunkt
ihrer Arbeit rücken.
Bürgerschaftliches Engagement findet zuallererst auf der kommunalen Ebene statt. Hier in den Städten
und Gemeinden, in den Kreisen und den Stadtteilen tun sich Menschen zusammen, um gemeinsam etwas zu bewegen.
Sie machen Musik zusammen und veranstalten Konzerte für die Allgemeinheit. Sie treiben Sport und leisten
damit einen Beitrag zum Zusammenleben. Sie engagieren sich in der Freiwilligen Feuerwehr und stellen damit ihr
Können und ihr Wissen dem Katastrophenschutz in ihrer Gemeinde zur Verfügung. Sie organisieren Stadtteil-
und Gemeindebüchereien, besuchen Kranke und Alte, führen Jugendfreizeiten durch, begleiten Sterbende,
arbeiten in der Schulpflegschaft oder im Kindergartenbeirat, im Kirchenvorstand, im Gemeinderat oder in anderen
Gremien mit. Bürgerinnen und Bürger spenden Geld für einen guten Zweck. Sie spenden Sachleistungen
oder Zeit. Manche Bürgerinnen und Bürger geben einen Teil oder ihr gesamtes Vermögen in eine
Stiftung, um auch nach ihrem Tod für die Allgemeinheit weiterzuwirken.
Das Bürgerschaftliche Engagement hat eine solche Vielfalt und Breite, dass es unmöglich ist, diese
Vielschichtigkeit erschöpfend aufzuführen. Ein großes Verdienst sowohl der Enquete-Kommission
des Deutschen Bundestags als auch des Internationalen Jahres der Freiwilligen ist, diese Vielschichtigkeit aufzuzeigen
und wahrnehmbarer zu machen. Bereits im Vorfeld der Enquete-Kommission und des Internationalen Jahres der Freiwilligen
wurde in verschiedenen sozialwissenschaftlichen Studien der Umfang des Bürgerschaftlichen Engagements und
die Engagementformen gemessen. Aber erst die Enquete-Kommission und das Internationale Jahr der Freiwilligen
haben diese Forschungsarbeiten einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht und damit die Diskussion
um das Bürgerschaftliche Engagement verbreitert. Es wurde deutlich, dass es sehr unterschiedliche Felder
des Engagements gibt. Nach wie vor die zentrale Form des Engagements ist die Mitarbeit in einem Verein, ob nun
einem eingetragenen Verein oder einer Arbeitsgemeinschaft.
Der klassische Bereich des Bürgerschaftlichen Engagements, die Vereine und Verbände, waren seit Jahrzehnten
sehr zögerlich, ihre eigenen Leistungen für die Gesellschaft deutlich zu machen. Es hat lange gedauert,
bis sie sich gegen die Vorwürfe zur Wehr gesetzt haben, dass sie eigentlich aufs Altenteil gehören,
dass die neuen modernen Formen Bürgerschaftlichen Engagements die Initiativen und Projekte seien. Immer
deutlicher wird heute, dass Initiativen und Projekte dauerhaft nur mit einer Struktur existieren können.
Und immer deutlicher wird auch, dass die vorhandenen Vereine und Verbände nur überleben werden, wenn
sie sich den Initiativen und Projekten öffnen und ihnen die notwendigen Strukturen anbieten.
Darüber hinaus gibt es eine oft unerfindliche Abgrenzung im Dritten Sektor untereinander. Da grenzt sich
nicht nur das neue vom alten Ehrenamt ab, sondern auch der Sport von der Kultur, die Sozialen sind sich untereinander
nicht grün und die Umweltverbände sehen wenn überhaupt nur wenig Gemeinsamkeiten mit den Freiwilligen
Feuerwehren.
Diese Abgrenzung mag hilfreich und notwendig sein, will man eine eigene Identität ausbilden. Sie ist
aber kurzsichtig, geht es um die Auseinandersetzung mit Politik und Verwaltung. Der überwiegende Teil der
gesetzlichen Vorschriften, der bislang Bürgerschaftliches Engagement erschwert, betrifft alle Organisationen
gleichermaßen, unabhängig davon, ob es sich um Sportvereine, Seniorengruppen, Kunstvereine oder ein
ehrenamtlich geführtes Hospiz handelt.
Ein Bundesforum bilden
Die Organisationen des Dritten Sektors würden daher gut daran tun, sich zusammenzuschließen und
sich über ihre Belange intensiver auszutauschen. Mit dem Verbändeforum Ehrenamt, in dem sich seit
zwei Jahren auf der Arbeitsebene die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen, die Bundesarbeitsgemeinschaft
der Wohlfahrtsverbände, der Deutsche Bundesjugendring, der Deutsche Feuerwehrverband, der Deutsche Kulturrat,
der Deutsche Sportbund und der Trägerkreis Nachweisaktion treffen, könnte ein solcher Nukleus eines
bundesweiten Arbeitskreises der Organisationen des Dritten Sektors sein. Zusätzlich sollten noch Organisationen
aus dem Nationalen Beirat des Internationalen Jahres der Freiwilligen gewonnen werden, um die Breite des Spektrums
im Dritten Sektor wirklich abzubilden. Darüber hinaus könnten die Kommunalen Spitzenverbände,
Vertreter der Länder und des Bundes als Gäste an den Sitzungen teilnehmen. Ein solches Bundesforum
Bürgerschaftliches Engagement wäre ein praktischer Ertrag für den Dritten Sektor aus den
Diskussionen der letzten Jahre. Das Bundesforum Bürgerschaftliches Engagement würde nachhaltig
wirken, da hier immer wieder neu über die Entwicklung des Dritten Sektors nachgedacht und Forderungen an
die Öffentlichkeit und Politik formuliert werden können. Das Bundesforum Bürgerschaftliches
Engagement würde den einzelnen lobbyistischen Einsatz seiner zukünftigen Mitglieder nicht ersetzen
können, es würde aber Reibungsverluste vermeiden helfen und den Austausch befördern. Praxisnahe
Vorschläge zur Gestaltung der Rahmenbedingungen könnten hier erarbeitet und mit der Politik diskutiert
werden. Politik und Verwaltung hätten so ein legitimiertes Gegenüber zur Diskussion von Fragen des
Bürgerschaftlichen Engagements.
Umsetzungsfähigkeit nötig
Damit das Bundesforum Bürgerschaftliches Engagement gelingen kann, bedarf es der Gründung
aus der Mitte der Verbände. Ein solches Forum kann nicht von der Politik oder der Verwaltung ins Leben
gerufen werden. Es muss von den Organisationen des Dritten Sektors selbst gegründet werden, benötigt
dann aber die Unterstützung von und den Austausch mit Politik und Verwaltung.
Was bleibt also vom Internationalen Jahr der Freiwilligen und von der Enquete-Kommission Zukunft des
Bürgerschaftlichen Engagements. Es steht zu hoffen, dass vom Internationalen Jahr der Freiwilligen
ein nachhaltiger Eindruck von der Vielgestaltigkeit der Engagementfelder und -formen bleibt. Die Enquete-Kommission
Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements wird sich daran messen lassen müssen, ob sie
umsetzungsfähige Handlungsempfehlungen unterbreitet. Die Politiker werden in der nächsten Legislaturperiode
zeigen müssen, ob es ihnen tatsächlich ernst ist mit der Förderung des Bürgerschaftlichen
Engagements und ob sie die entsprechenden Gesetzesvorhaben auf den Weg bringen werden. Und die Organisationen
des Dritten Sektors werden sich, wenn sie nach vorne blicken, in einem Bundesforum Bürgerschaftliches
Engagement zusammenschließen, um so eine nachhaltige Diskussion anzustoßen. Wird alles dieses
umgesetzt, bleibt sehr viel von der Arbeit der letzten Jahre und wird in die Zukunft weisen.
Der Autor ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates und Mitglied der Enquete-Kommission Zukunft
des Bürgerschaftlichen Engagements des Deutschen Bundestags