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nmz-archiv
nmz 2002/02 | Seite 14
51. Jahrgang | Februar
Deutscher Kulturrat
Die Tage des Haushaltsrechts sind gezählt
Haushaltsrecht und Reform ein neues Fachbuch · Von Gabriele Schulz
Christoph Gröpl: Haushaltsrecht und Reform. Dogmatik und Möglichkeiten der Fortentwicklung
der Haushaltswirtschaft durch Flexibilisierung, Dezentralisierung, Budgetierung, Ökonomisierung und Fremdfinanzierung.
Tübingen 2001.
Die Tage des hergebrachten, oft als kameralistisch bezeichneten Haushaltsrechts sind gezählt
gleichviel, ob wir uns dagegen wehren oder nicht. Wer atmet nicht auf, wenn ein solcher Satz gleich einleitend
als erster Satz in einem Buch zum Thema Haushaltsrecht und Reform steht. Und dieses befreiende Gefühl
setzt sich fort, wenn auf der zweiten Seite steht: Sie (die Rechtswissenschaft, d. Verf.) überließ
das Feld den Praktikern und Politikern, verharrte bestenfalls in beobachtender Stellung. Was Wunder: Haushaltsrecht
ist mit dem Odium der Erbsenzählerei behaftet. Es regelt die finanzwissenschaftliche Seite öffentlicher
Verwaltungstätigkeit, und zwar im Wesentlichen die auf Bedarfsdeckung ausgerichtete Bewirtschaftung von
Finanzmitteln des Staates und anderer Haushaltsträger.
issenschaftliche Lorbeeren lassen sich hier schwer erringen. Zudem gilt Haushaltsrecht als spröde, trockene
Materie, als entlegenes Expertenrecht, das nur für fantasielose Technokraten (namentlich des gehobenen
Verwaltungsdienstes) tauge. Und der Verfasser, Christoph Gröpl, untermauert diese Vorurteile mit
dem Zitat aus dem Vorwort einer Schrift zum Staatlichen Haushaltrecht, in dem zu lesen ist: Sympathie
für die Materie setze ich beim Leser nicht voraus. Auch ich selbst liebe das Haushaltsrecht nicht. Seine
Erfindung war keine kulturpolitische Großtat; es zu kennen, ist kein Zeichen von besonderer Bildung. Haushaltsrecht
ist Werkzeug.
Nach so viel despektierlichen Worten über das Haushaltsrecht beginnt Christoph Gröpl mit einer spannend
zu lesenden, höchst interessanten und hochpolitischen Auseinandersetzung mit der Dogmatik und Möglichkeiten
der Fortentwicklung der Haushaltswirtschaft durch Flexibilisierung, Dezentralisierung, Budgetierung, Ökonomisierung
und Fremdfinanzierung. Gröpl bleibt in seinem Buch, das von der Universität Regensburg im Jahr
2000 als Habilitationsschrift angenommen wurde, eben nicht bei der Erbsenzählerei stehen, sondern
stellt radikal die Frage, ob das Haushaltsrecht dem modernen Staat noch angemessen ist.
Dafür beginnt Gröpl mit einer historischen und staatstheoretischen Einführung. Im ersten Teil
seiner Untersuchung unter der Überschrift Dogmatik und Kritik des traditionellen Haushaltsrechts
werden anschaulich die Grundzüge des Haushaltsrechts erläutert. Gröpl legt hier bereits die Schwachstellen
des Haushaltsrechts offen. Dabei widmet er sich zum einen den haushaltsrechtsimmanenten Problemen, zum anderen
zeigt er auf, dass zahlreiche Probleme auf ein nicht in Übereinstimmung stehendes Abgaben- und Leistungsrecht
zurückzuführen sind. Gröpl plädiert dafür, bei einer Analyse der Haushaltsprobleme
beide Sphären zu untersuchen: das Haushaltsrecht als solches sowie die staatliche Einnahmen- und Ausgabenpolitik.
Im zweiten Teil seiner Untersuchung widmet sich Gröpl den Reformmodellen im und um das Haushaltsrecht.
Als Ausgangspunkt wählt er dabei die chronischen Haushaltsdefizite, die den modernen Sozialstaat bereits
seit mindestens 40 Jahren drücken. Zuletzt wurde Ende der 90er- Jahre unter dem Signum der Aufgabenkritik
radikal gefragt, welche Aufgaben der Staat tatsächlich übernehmen sollte und welche er an Dritte abgeben
kann. Ziel ist dabei ein Abbau der staatlichen Leistungen, der schließlich Mitteleinsparungen zur Folge
hat. Ein möglicher Weg ist die Abgabe von Leistungen an so genannte Zuwendungsempfänger. Werden Aufgaben
an so genannte Zuwendungsempfänger weitergegeben, so kann hier durch Kürzung oder Streichung von Zuwendungen
ohne vorherige gesetzliche Einschränkung von Leistungen eine Haushaltseinsparung vorgenommen werden. Gröpl
schildert diesen Weg als Haushaltspolitik durch die kalte Küche. Er macht dabei deutlich, dass in der Bundeshaushaltsordnung
bereits der Begriff der Zuwendung nicht glücklich und unscharf gewählt ist. Weiter wird insbesondere
das Zuwendungsrecht vornehmlich durch Verwaltungsvorschriften geregelt. Es ist also in erster Linie ein Binnenrecht
der Verwaltung, das den Zuwendungsempfänger in Abhängigkeit hält. Das ungleiche Verhältnis
von Zuwendungsgeber und Zuwendungsempfänger kritisieren bereits von Köckritz et alili im Kommentar
zur Bundeshaushaltsordnung, wenn sie schreiben, dass der Zuwendungsempfänger schon deshalb in einer schlechteren
Rechtsposition ist, weil jede Kritik oder schwerwiegender noch jeder rechtliche Akt gegen die Zuwendungsbehörde
die Gefahr in sich birgt, künftig keine Zuwendungen, sprich keine Finanzmittel, mehr zu erhalten. Nachdem
Gröpl im dritten Kapitel auf Sondergebiete des Haushaltsrecht eingeht, schließt er mit einer Gesamtwürdigung
und einem Ausblick. Ausgangspunkt ist dabei, dass das Haushaltsrecht reformbedürftig ist und die 1997 eingeleiteten
Maßnahmen keinesfalls ausreichen. Die Reform des Haushaltsrechts ist, so Gröpl, keine alleinige Angelegenheit
der Exekutive. Verwaltung erzeugt Verwaltung. Die Modernisierung des Haushaltsrechts muss von beiden Sphären,
Exekutive und Legislative, vorangetrieben werden.
Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass haushaltsrechtliche Fragen selten so anschaulich dargelegt werden
wie in der Habilitationsschrift von Gröpl. Gröpl, der selbst im Bayerischen Finanzministerium tätig
war, liest beiden, der Exekutive aber auch der Legislative, die Leviten. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Buch
die wissenschaftliche Diskussion um das Haushaltsrecht vorantreibt. Ein so wichtiges Rechtsgebiet darf nicht
den Erbsenzählern überlassen bleiben sondern verdient die fundierte juristische Diskussion.
Bei der juristischen Diskussion darf es aber nicht bleiben, sondern daraus muss eine wirkliche Reform des Haushaltsrechts
erfolgen. Es wäre zu wünschen, dass in diesem Reformprozess die so genannten Zuwendungsempfänger
ihr Fachwissen einbringen können.