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nmz-archiv
nmz 2002/02 | Seite 23
51. Jahrgang | Februar
Pädagogik
Das Singen im Alltag wieder beleben
Anregungen zu einer animativen Singanleitung
Viele Initiativen, die das Singen fördern, bahnen sich an oder laufen bundesweit wie auch regional bereits.
Nun zeigt sich aber, dass noch viel mehr Menschen benötigt werden, die das animative Anleiten von umgangsmäßigem
Singen souverän und professionell verstehen. Eine wesentliche Ursache dafür liegt in den Studienplänen
der Musiklehrerausbildung und vielerorts auch der Kirchenmusiker. Denn wer lernt überhaupt wann und in
welchem Fach das Hinführen und Anleiten zu animativem Singen?
Schulmusiker sind in und oft auch außerhalb der Schule tätig. Wie die Kirchenmusiker studieren sie
in ihrem Fächerkanon immer noch Chor- und Orchesterleitung, was richtig und wichtig ist. Aber wo bitte
lernen sie eine animative Singanleitung bis zur einfachen Mehrstimmigkeit, die auch mal aus dem Stegreif improvisiert
werden muss? Wo, eine Combo anzuleiten und dafür zu arrangieren? Vielerorts funktioniert das immer noch
nach der Regel: Man hat´s eben oder nicht. Wenn nicht, kommts vielleicht später irgendwie.
Wo lernen Studierende Stimmbildungsmethodik? Meist bleibt es doch beim Nachahmen der Einsingübungen des
Chorleiters, bei dem man studiert, garniert von diversen mömi-mömi- mömis, die man
sich aus dem Gesangsunterricht noch gemerkt hat!
Wenn in Deutschland Schulmusiker und Schulmusikerinnen basisnahe Anleitung zum Singen erst im Referendariat
lernen, ist es zu spät. An der Qualität des Breitengesangs wird sich hier erst etwas ändern,
wenn diese Kompetenzen gewährleistet sind. Ähnliches gilt für Vorschulzeit und Grundschule: Eine
solide musikalische Grundausbildung für Erzieherinnen und Erzieher gehört bereits in die Fachschulen.
In Nordrhein-Westfalen werden etwa achtzig Prozent des Musikunterrichts an Grundschulen fachfremd erteilt
wenn er überhaupt stattfindet. Wenn die Rahmenbedingungen für das Studium und die Wertigkeit des Schulfachs
angemessen verbessert werden, dann werden auch wieder mehr Lehrerinnen und Lehrer für die Grundschule das
Fach Musik studieren.
Wer Gesangspädagogik studiert hat, besitzt bestenfalls ein Repertoire an stimmbildnerischer Methodik,
hat aber selten Ahnung vom umgangsmäßigen Singen. Am ehesten lernen es noch Studierende der Elementaren
Musikpädagogik/Allgemeinen Musikerziehung. Aber auch da kommt es sehr auf die Schwerpunkte der Ausbildungsstätte
an.
Über eine Generation wurde in den Elternhäusern aus vielerlei Gründen nicht mehr selbstverständlich
gesungen. Die Bereitschaft dazu ist aber da, wie der Boom bei den Eltern-Kind-Gruppen an den Musikschulen deutlich
zeigt. Ohne diese Basis und deren professionelle Betreuung werden alle Unternehmungen, die im späteren
Alter ansetzen, wenig nützen.
Singanleitung heißt :
Ein breites Repertoire von Liedern und Kanons vieler Stilrichtungen verfügbar haben.
Lieder für alle Alterstufen; diese unter Umständen spontan auf der angemessenen Schwierigkeitsstufe
zielgruppenorientiert präsentieren.
SAM-Sätze (Sopran, Alt, Männerstimme in nicht zu extremen Lagen) bereithalten. Weil
Männerstimmen fehlten, entstand nach dem zweiten Weltkrieg eine Fülle von Sätzen für Frauenstimmen
oder für Frauen- und eine Männerstimme. Heute fehlt es aus anderen Gründen zuweilen an Männerstimmen.
Motivierten, aber Ungeübten fehlen oft die extremen Lagen, die erst entwickelt werden müssen. Dafür
gibt es zeitgemäße neue Literatur, zum Beispiel Uli Führe: The Lady of Riga (Fidula).
Stimmbildnerische Kompetenz zeigen.
Kleine Einheiten zum Aufwärmen oder Lockern anbieten und damit Zäsuren setzen.
Beim Begleiten nach Funktionen oder Stufen transponieren können, etwa mit Kapodaster auf der Gitarre
oder mit Akkordsymbolen am Klavier. Variantenreiche Begleitmodelle unterschiedlicher Stilistiken einsetzen.
Alle, die diese Erfahrungen haben, sind aufgerufen, sie vor Ort und in Fortbildungen weiterzuvermitteln, damit
die vielen guten Ansätze, das Singen im Alltag wieder zu beleben, auch Erfolg haben!