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nmz-archiv
nmz 2002/04 | Seite 36
51. Jahrgang | April
Oper & Konzert
Faszination Stein Klang und mehr?
Bericht von der Tagung Der Klang der Steine in Salzburg, Februar 2002
Die Allgegenwärtigkeit macht ihn unsichtbar, in Sprichwörtern und Liedern ist er lebendig, gefunden
und gesammelt tritt seine Unterschiedlichkeit zutage aber wie klingt er?
Die Steinbildhauer erkennen am Klang des Steins seine Beschaffenheit, aber der Klangqualität nachzugehen,
das war der besondere Einfall des 1989 verstorbenen Steinbildhauers Elmar Daucher, als er bei einem Auftrag,
eine Steinskulptur für eine Behindertenschule zu gestalten, alle drei Möglichkeiten realisierte: Betrachten,
Betasten und Bespielen. Die Technik der fugenartigen Einschnitte in den Stein war von ihm schon zuvor verwendet
worden; um mehr Klang zu erzielen, mussten die Einschnitte nur tiefer gemacht werden, damit die dazwischen stehen
bleibenden Lamellen besser schwingen konnten eine Klangsteinentwicklung hatte begonnen. 1986 konnte man
im Ulmer Münster die großen, unterschiedlichen Kuben betrachten. Einzelne Exemplare, auf Schaumgummi
gelagert und mit Hartgummischlegeln angeschlagen, hatten einen Nachhall von sieben Sekunden. Die nächste
Begegnung mit Klangstein fand im Dezember 2001 statt, als Klaus Feßmann zum Abschluss der Tagung Klangökologie
Klangdesign einen seiner Klangsteine bespielte. Eine Vertiefung des Themas versprach die nächste
Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing zusammen mit der Universität Mozarteum in Salzburg. Im Konzertsaal
des Orffinstituts sahen um die 100 interessierte Teilnehmer Klaus Feßmann zu, wie er einen etwa 40 mal
40 mal 130 Zentimeter großen, etwas abgeschrägten Serpentinitkubus, der durch breite Fugen in 9 Lamellen
unterteilt war, mithilfe warmen Wassers, das er auf die polierten Flächen des Steins verteilte, durch sanftes
Reiben in Schwingung versetzte. Die Lautlosigkeit seines Tuns war faszinierend.
Ohne den Geräuschanteil eines Anschlags oder Anstrichs fing der Stein an zu tönen: Es waren tiefe,
mittlere und Obertöne zu hören, die ungebremst ausschwingen konnten auch ohne Mikrofonierung,
als ein Zuhörer das Abschalten vorschlug. Zu Beginn des Vortrages also Klang. Auch zwischen den schnell
und komprimiert vorgetragenen Fakten immer wieder Klangereignisse. Ausgehend von der in Mythen erwähnten
göttlichen Natur der Steine Wohnstätten für Götter, Götterbilder hatte
er Kompositionen für Lyrik und Musik begonnen. 1990 Aufführung von Habakuk 2 in einer
Höhle. Dann auf einen Hinweis hin Kennenlernen und Spielen eines Klangsteins von Elmar Daucher
und von da an eigene Entwicklung und Herstellung von bis jetzt 35 Klangsteinen. Ihre dauernde Beobachtung und
Erprobung welche Temperatur, welche Luftfeuchtigkeit? förderte auch ihre Klangentwicklung,
die manchmal Wochen aber auch Jahre dauern kann. Er entwickelte eine eigene Spieltechnik.
Instrumentenbau, Komposition und Interpretation wurden eine Einheit. Das Spiel mit den Steinen veränderte
den Menschen. Wenn ich spiele, spreche ich mit dem Stein oder er mit mir? Was bewegt er, eröffnet
sich Welttiefe im Molekularstrom? Die Klangarbeit zog immer weitere Kreise: Mitspielende Musiker stimmten
ihr Instrument nach den Steinen, Psychologen und Klangarchitekten begannen die Wirkungen zu erforschen. Eine
Schule erwarb drei Klangsteine und Schüler und Lehrer machten Erfahrungen mit einer neuen Klang- und Lebensqualität.
Klaus Feßmann hat für ihn wichtige Wissenschaftler zur Tagung eingeladen: Der Geologe Helmut Schmidt-Witte
aus Balingen gab einen kurzen Überblick über seine noch relativ junge Wissenschaft. Erst seit 250
Jahren hatten sich aus dem Erzbergbau die Erforschung der Erdgeschichte, der Lagerungsverhältnisse der
Gesteine und, in dem Maß wie die verkehrstechnische Entwicklung des Globus fortschritt und der Austausch
sich intensivierte, viele Teilgebiete entwickelt wie Vulkanologie, Ozeanologie, Meteorologie, Erdbebenkunde.
Das Wissen um das Weltklima, die Endlichkeit der Ressourcen, veränderten das Bild einer starren Weltkugel
in Richtung Lebendigkeit des Erdkörpers, nicht zuletzt dadurch, dass die Kontinentalverschiebung wirklich
messbar ist und Tremorerscheinungen im Gneis in die Hörbarkeit übertragen werden können.
Dann machte Gretel Schwörer-Kohl vom musikwissenschaftlichen Institut der Universität Halle mit
der alten chinesischen Klingsteinkultur bekannt im Unterschied zum Klangstein, wird dieser mit dem Hammer
angeschlagen. Aus regionalem Material hergestellt Marmor und Sandstein, später auch Jade ,
stammen die ältesten Funde drei Steine in der Stimmung ais, cis, dis, aus
der Zeit um 2.000 vor Christus.
Nach dieser Exkursion wurden die Teilnehmer, unterbrochen von Klaus Feßmanns Steinklängen, von
Christian G. Allesch in die Polyaisthesis, eine integrative Sinneswissenschaft eingeführt. War in seinem
Vortrag die Integration allen künstlerischen Schaffens in ein philosophisches Gebäude das Hauptanliegen,
so plädierte Michael Wieck in seinem Vortrag Töne statt Worte dafür: Einfach
immer wieder aus dem Haus der Gewohnheit heraustreten! Er gab Einblick in seine Tätigkeit als Konzertmeister
berühmter Orchester, die Verantwortung des Interpreten im Umgang mit den ihm anvertrauten Kompositionen.
Ein Podiumsgespräch zwischen Klaus Feßmann und dem Diplompsychologen Rolf Verres aus Heidelberg
zum Thema Resonanzen zwischen Steinen und Seelen entsprach dem Titel. In gelöster Atmosphäre
bot jeder der beiden Künstler dem Gegenüber seine Erfahrungen an. Dabei wurde klar: Wichtig neben
Leistung und Kunstanspruch ist das Erspüren von neuen Möglichkeiten des Psychologen, die weiterführenden
Fragen zu stellen, des Klangkünstlers, die Beseeltheit des Steins herauszuzaubern.