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nmz-archiv
nmz 2002/04 | Seite 14
51. Jahrgang | April
Deutscher Kulturrat
Ein Fortschritt, aber ohne den großen Wurf
Anhörung des Rechtsausschusses zur Reform des Stiftungszivilrechts · Von Gabriele Schulz
Vor vier Jahren, im Frühjahr 1998, wurde erstmals in der kulturpolitischen Öffentlichkeit intensiver
über stiftungsrechtliche Fragen diskutiert. Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen,
damals noch in der Opposition, brachte einen Antrag zur Reform des Stiftungsrechts in das Parlament ein. In
der kulturpolitischen Debatte des Deutschen Bundestags am 12. Februar 1998 stellte Bundestagsvizepräsidentin
Dr. Antje Vollmer diesen Antrag vor und gab damit den parlamentarischen Startschuss für eine Diskussion,
die bis in die Gegenwart hineinreicht.
In die Koalitionsvereinbarung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen wurde die Reform des Stiftungszivil-
und -steuerrechts als Reformvorhaben aufgenommen. Die Reform des Stiftungssteuerrechts wurde von der rot-grünen
Koalition zügig angepackt. Das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen
passierte im Frühjahr 2000 den Bundestag. Im anschließenden Vermittlungsverfahren von Bundestag und
Bundesrat wurden sogar noch weitergehende Verbesserungen erzielt. Im Ergebnis wurden rückwirkend zum 1.
Januar 2000 deutliche steuerliche Erleichterungen für Stifterinnen und Stifter erreicht.
Anders schaute es beim Stiftungszivilrecht aus. Um Ärger mit den Ländern im Vorfeld zu vermeiden,
setzte Bundesjustizministerin Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD) eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe ein, die
Vorschläge zur Reform des Stiftungszivilrechts erarbeiten sollte. Nach über einjährigen Beratungen
kam diese Arbeitsgruppe schließlich Anfang November zum Schluss, dass eigentlich alles bestens sei und
nur geringfügige Änderungen im BGB, oder anders gesagt, Anpassungen an die Rechtspraxis erforderlich
seien. Ein Schuft, wer denkt, dies könnte an der Zusammensetzung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe liegen.
Denn wie einige böse Zungen behaupteten, wurde bei deren Zusammensetzung der Bock zum Gärtner gemacht.
Von den Ländern wurden in diese Arbeitsgruppe die Stiftungsreferenten entsandt. Alles sicherlich ausgewiesene
Fachleute, aber von ihnen zu erwarten, dass sie ihre eigene Verwaltungspraxis und das Recht gründlich auf
den Kopf stellen, wäre sicherlich zu viel verlangt gewesen.
So legte Anfang dieses Jahres das Bundesministerium der Justiz einen Referentenentwurf zur Reform des Stiftungszivilrechts
vor und am 20. Februar 2002 folgten die SPD-Fraktion und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit
ihrem gemeinsamen Gesetzesentwurf Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Stiftungsrechts.
Sie lieferten damit das nach, was die FDP-Bundestagsfraktion mit ihrem Gesetzesentwurf Entwurf eines Gesetzes
für eine Reform des Stiftungszivilrechts bereits am 4. April 2001 vorgelegt hatte.
Nicht der Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestags, der bei der Reform des Stiftungssteuerrechts
die Federführung innehatte, sondern der federführende Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags führte
am 20. März 2002 eine Anhörung zu den vorliegenden Gesetzesentwürfen der genannten Fraktionen
durch.
Das freundlichste Urteil für den Gesetzesentwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen wurde vom
Ersten Vorsitzenden des Bundesverbands Deutscher Stiftungen Prof. Dr. Axel Freiherr von Campenhausen gefällt.
Er sagte, dass der Bundesverband Deutscher Stiftungen für die Annahme des Gesetzesentwurfs durch das Parlament
plädiere, denn der Spatz in der Hand sei besser als die Taube auf dem Dach. Zwar seien zahlreiche Forderungen
noch nicht erfüllt, aber immerhin würde mit der jetzigen Reform überhaupt eine Stiftungszivilrechtsreform
angegangen. Dies sei nach 100 Jahren BGB mehr als überfällig.
Die anderen Experten äußerten sich bis auf Dr. Andrick, Richter in Münster, weniger positiv.
Dr. Andrick war der Einzige in der Anhörung bei dem man den Eindruck gewinnen konnte, dass jegliche Reform
überflüssig sei. Er hielt die bestehende Praxis für gut und das Recht für ausreichend.
Demgegenüber mahnte Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, sekundiert
von Prof. Dr. Paul Rawert, Notar in Hamburg und Bucerius Law School, die dringend erforderliche Definition der
Stiftung im BGB an. Der Antrag der FDP-Fraktion liefert hierfür in der vorgeschlagenen neuen Fassung des
§ 80 BGB eine gute Vorlage. Dort steht unter Satz 1: Stiftung ist eine nichtmitgliederschaftlich
organisierte juristische Person, die einen satzungsgemäßen Zweck mithilfe eines dazu gewidmeten Vermögens
dauerhaft fördert. Unter Satz 2 wird ausgeführt: Die Stiftung kann als rechtsfähige
oder nichtrechtsfähige Stiftung errichtet werden. Sie kann auch im Interesse einer Familie oder bestimmter
Familien errichtet werden. Durch Bundes- oder Landesrecht errichtete öffentlich-rechtliche Stiftungen sowie
kirchliche Stiftungen bleiben davon unberührt.
Nach Auffassung von Zimmermann und Rawert bietet gerade Satz 1 § 80 BGB des Vorschlags der FDP-Fraktion
eine gute Grundlage für die Definition der Stiftung, die im Zusammenspiel mit der Abgabenordnung Begründungen
für die Begünstigung von Stiftungen als gemeinnützige Organisationen liefert. Auf den Aspekt
der Gemeinnützigkeit verwies Bundestagsvizepräsidentin Dr. Antje Vollmer mit Nachdruck.
Sie forderte ein, dass, wenn Stiftungen steuerlich privilegiert werden, sie zu mehr Transparenz verpflichtet
seien. Bei den Sachverständigen lief sie dabei bis auf den bereits genannten Dr. Andrick offene Türen
ein. Insbesondere Graf Strachwitz, Direktor des Maecanata Instituts für Dritter Sektor Forschung und Dr.
Sprengel, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut, mahnten mehr Transparenz im Stiftungswesen an. Unisono
wurde von den Sachverständigen Campenhausen, Rawert, Strachwitz, Sprengel und Zimmermann die Einführung
eines Stiftungsregisters gefordert. Dieses Stiftungsregister sollte den Namen der Stiftung, die Organe und ihren
Zweck enthalten. Eben dieses wird von der FDP im neu gefassten § 84, Absatz 2 vorgeschlagen.
Einzig allein Andrick hielt die Einführung des Stiftungsregisters nicht für erforderlich, konnte
aber auch auf hartnäckige Nachfragen von Bundestagsvizepräsidentin Dr. Antje Vollmer immer nur mit
dem Argument antworten, dass doch ohne ein Register alles wunderbar funktioniere und daher die Einführung
überflüssig sei.
Lieber den Spatz in der Hand
Was bleibt also? Die Argumente, so scheint es, wurden im Laufe der nunmehr vier Jahre andauernden Debatte
so oft ausgetauscht, dass die angehörten Experten immer wieder auf den bekannten Sachstand und ihre Positionen
verwiesen. Die Mitglieder des Ausschusses für Kultur und Medien, die ihr Recht als Abgeordnete wahrnahmen
und an der Anhörung teilnahmen, waren sichtlich bemüht, das Vorhaben der Reform des Stiftungszivilrechts
noch in dieser Legislaturperiode abzuschließen. Die Mitglieder des Rechtsausschusses absolvierten ihre
Pflichtaufgabe, eine Anhörung durchzuführen, redlich. Der Entwurf der Fraktionen von SPD und Bündnis
90/Die Grünen wird voraussichtlich umgesetzt werden, nicht zuletzt deshalb, weil zumindest bei diesem
Gesetzesvorhaben kaum noch Streit mit den Ländern zu erwarten ist.
Was heißt dies für Stifterinnen und Stifter? Ihre Stiftungen werden künftig anerkannt
und nicht mehr genehmigt. Die Stiftung muss anerkannt werden, wenn das Stiftungsgeschäft den
Anforderungen nach § 81 BGB genügt. Das Recht auf Stiftungen wird damit verankert.
Festzuhalten ist also, ein Fortschritt wird erreicht, der große Wurf ist es aber nicht. Oder anders gesagt:
besser den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach.