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nmz-archiv
nmz 2002/04 | Seite 1
51. Jahrgang | April
Leitartikel
Der Richtige
Der pausenlose, manchmal fast schon Züge des Neurotischen annehmende Klagegesang über Kulturabbau,
Etatkürzungen, Theaterschließungen, Finanznot, in dem der Kulturmagnet Berlin
nicht ohne Grund und bedrängt von kulturpolitischer Verantwortungslosigkeit in allen Instanzen inzwischen
die führende Stimme übernommen hat, wird gelegentlich von angenehmeren Tönen aufgehellt, sozusagen
von Moll nach Dur gewendet. Immer dort, wo sich Enthusiasmus für die Künste mit hoher Professionalität
im Organisatorischen verbindet, scheint der ständig lauter knirschende allgemeine Kulturbetrieb noch einigermaßen
geschmeidig zu funktionieren: Wenn Künstler, Intendanten, manchmal sogar Kulturmanager, auf dem Anspruch
beharren, den Kunst und Kultur an die und für die Gesellschaft stellen. Zur Professionalität gehört
dabei auch die ökonomische Verantwortung gegenüber der Gesellschaft: Mit dem zur Verfügung stehenden
Geld sorgfältigst umzugehen, durch kluge Dispositionen und eigene zusätzliche Initiativen ein Maximum
an künstlerischem Ertrag einzubringen.
Es ließen sich als positive Beispiele viele Institutionen benennen, vom kleinen Theater in der Provinz
über die Opernhäuser des Jahres (Stuttgart, Graz), das Phänomen Züricher Opernhaus
bis zu den großen Konzerthäusern, unter denen der Wiederaufstieg des Konzerthauses Alte Oper in Frankfurt
am Main aus dem viele Verantwortliche zählenden Chaos der Vergangenheit in die Erste Liga der
Musentempel vor allem die Richtigkeit oben genannter Prämissen bestätigt: Es musste nur der Richtige
kommen, um alles zum Guten zu wenden. Dabei biedert sich Michael Hocks, im vierten Jahr Intendant der Alten
Oper, in seiner Programmpolitik keinesfalls dem Publikum an: Das Auftakt-Festival im Herbst 2002
steht im Zeichen von Wolfgang Rihm mit einem Dutzend Konzerten und einem hochbesetzten Symposium zum Thema Rihm.
Kurzporträts von Turnage und Heiner
Goebbels, Lachenmanns Mädchen mit den Schwefelhölzern in einer Klang-Lichtraum-Inszenierung
und der Avantgarde-Pianist Pierre-Laurent Aimard für Beethovens fünf Klavierkonzerte ergänzen
das Programm.
Schließlich gibt es noch einen neuen Dirigentenwettbewerb im Zeichen Georg Soltis, einstmals Frankfurts
Generalmusikdirektor. In der Jury sitzen nur Dirigenten, die ebenfalls Frankfurter Musikchefs waren und in einem
Fall sind: Christoph von Dohnanyi, Michael Gielen, Gary Bertini, Sylvain Cambreling, Paolo Carignani. Frankfurt
war einmal und ist es vielleicht bald wieder: Eine Erste Musikstadt, zumal sich auch die Oper unter dem neuen
Intendanten Bernd Loebe zu neuen Taten rüstet. Wer hätte das ausgerechnet von Frankfurt am Main erwartet?
Es haben sich wohl die Richtigen an diesem Ort eingefunden.