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Ausgabe 2002/04
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nmz 2002/04 | Seite 48
51. Jahrgang | April
Nachschlag

Geschichts-Los

 

Der Regisseur Baz Luhrmann („Romeo und Julia“) hat mit „Moulin Rouge“ einen Musik-Film vorgelegt, der das Zeug hat, einer bislang eher auf dem Papier stehenden postmodernen Ästhetik Kontur und Anschauungsmaterial zu liefern, sie also einzulösen, wo zumindest in der Musik schon ihre Auflösung proklamiert wurde. Alles, was theoretisch formuliert worden war, das Ineinander von Zeiten, der schnelle Wechsel von Stilformen, die scheinbare Orientierungslosigkeit der Effekte, die aus dem Faszinosum der raschen und unvermittelten Konfrontation leben, auch die partiell missverstandene These des „Anything goes“, all dies wird in Luhrmanns Film zu einem bunten Wirbel gerührt. Theoretische Befrachtung spielt dabei keine Rolle, ja der Film und vor allem der Einsatz der Musik gehen mit dem Material in einer Unbefangenheit um, dass daraus fast schon wieder eine neue ästhetische Qualität hervor wächst.

Wer irgend etwas in diesem Film hinterfrägt, der geht gnadenlos unter. Wahrheit oder Realismus der Darstellung sind kein Thema. Freilich wird das Paris um 1900 bei Zoomblenden farblich abgedämpft, um das Gefühl historischen Abstands zu wahren. Diese Chimäre soll bleiben. Aber wenn es dann ins Volle geht, also in den Bauch des Moulin Rouge, dann werden Rücksichtnahmen dieser Art hemmungslos unter den Tisch oder unters Bett gekehrt.
Die Musik spielt dabei eine Hauptrolle, sie ist in der Art der Video-Ästhetik verknüpfendes Band einer wild springenden, assoziativen Bilderkette. Dieser Form genügt sie und opfert dafür jegliche Rücksicht auf Stil und historische Dimension. Die Girls auf der Bühne singen wie im Kabarett der 20er-Jahre, Hollywood-Sounds der 50er-klingen dazwischen, dann wieder Stilistika und Hits der Gegenwart. Freilich sind das im internen ästhetischen System des Films keine Fehler, es ist so, dass das keine Rolle mehr spielt, ja spielen darf.

Rekurriert wird auf ein Bewusstsein, das längst sich nicht mehr im Klaren ist, ob Mozart vor oder nach Mahler oder zum Beispiel dem Tango auf der Welt war. Als Verfügbare gehören sie alle drei einzig der Gegenwart und dienen der Facette, fungieren als Farbpunkt im raschen Wechsel. Historische Befrachtung des Materials wäre als theoretischer Überhang, als Zeit erfordernde Zone der Kontemplation nur lästig. Das Tempo bestimmt die Abfolge und diesem ruhelosen Voran der Schnitte fallen Mechanismen der Einordnung gnadenlos zum Opfer. Die Orientierungslosigkeit ist eigentliches Ziel des Films, das Aufgehoben-Sein im Wirbel der Bilder und Ereignisse, das vom Hirn die rasche Aufnahme verlangt, ihm aber die Verarbeitung erspart. Hierin ist Luhrmanns „Moulin Rouge“ paradigmatisch. Und hierin ist er bedingungslos genau. Alle Schnitte, alle Perspektivwechsel, alle (auch klanglichen) Wechsel der Raumdimension sind mit geradezu stupender Sicherheit gesetzt und mit dem musikalischen Ablauf gekoppelt.

Und hierin stellt Luhrmann alles in den Schatten, was unter ähnlichen Prämissen heute in postmodern gemeinten Opern versucht wird. Das Timing stimmt, die Handlung (irgendwie eine „La Bohème“-Adaption mit filmisch grotesken Ausweitungen) steht nirgendwo im Wege, sondern wird durch das durchgezogene Liebe-Tod-Feeling zum statuarischen Background des „rasenden Stillstands“.

Auf diese Art, im rigiden Spiel mit den Mitteln, ist der Film ein Meisterwerk. In seiner Bedenkenlosigkeit gegenüber dem geschichtlichen Bewusstsein, der Psychologie der Darstellung, der Differenzierung von Charakteren aber manifestiert sich ein Bewusstsein, das sich die Frage nach Verantwortung nicht mehr stellen lassen möchte. Vielleicht sind cool oder geil dafür die adäquaten benennenden Attribute.

Reinhard Schulz

 

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