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nmz-archiv
nmz 2002/04 | Seite 24
51. Jahrgang | April
Pädagogik
Auf lauten Sohlen um den Nachwuchs werben
Ein Rundgang über die Frankfurter Musikmesse 2002 aus pädagogischer Sicht
Stetiges Wachstum der Musikmesse und der parallel laufenden ProLight & Sound mit zur Hälfte deutschen
und ausländischen Ausstellern führte nicht nur dazu, dass seit 2001 eine Musikmesse in St. Petersburg
und nun in 2002 auch in China stattfindet. In diesem Jahr war nun auch eine neue Ausstellungsstruktur in Frankfurt
erforderlich, die den versierten Messebesucher zu einer Neuorientierung zwang nichts war mehr an seinem
gewohnten Platz. Nicht nur die neue Produktgruppierung nach Themenparks, sondern auch die Hinzunahme von weiteren
Messehallen, die Ausdehnung des Programms Music4kids und der Events, die Neuinstallierung der Music
Library und parallel dazu die Eigenständigkeit der ProLight & Sound mit eigenem Fachkongress
CAVIS rundeten das neue Gesicht ab.
Alternative Klangerzeuger for Kids in Halle 4.2 der Musikmesse.
Foto: Koch
Als Folge dieser Aufteilung fand der Besucher der Halle mit den Verlagen endlich mehr Ruhe und konnte
bedingt durch die architektonischen Gegebenheiten der neuen gläsernen Halle 3 wie auch durch natürliches
Licht und bessere Luft die Welt der Neuerscheinungen in einer neuen, viel angenehmeren Situation erkunden.
Die großzügigere und klare Verteilung der Aussteller auf die unterschiedlichen Hallen und Themenparks
entzerrte die Situation für die Besucher, die sich auch am Wochenende nicht wie in früheren Jahren
auf die Füße traten, sondern trotz der etwa 100.000 Besucher in entspannter Atmosphäre das vielfältige
Angebot aufnehmen und Gespräche führen konnten.
Neuerscheinungen
Aus dem großen Angebot der Neuerscheinungen mögen hier einige herausgegriffen werden. Der Schott-Verlag
hat die im Anschluss an die Klangstraße gedachten Instrumentalschulen Wir lernen ein
Instrument um Querflöte und Geige und die Reihe Erlebniswelt Musik um zwei Bände (Von
damals bis heute und Oper, Operette und Musical) erweitert. Bei den kindgerechten Musikerbiografien
erschien das Buch Wie Händels Messias entstand neu.
So ist auch die große Bandbreite an Kindermusikbüchern im weitesten Sinne durch Bücher wie Die
ABC- Band (Schott), Von Geistern, Trollen und Ohrwürmern und Rolf Zuckowskis Hasengeschichte
(beide Sikor-ski) ergänzt worden. Auffallend ist das große Angebot bei vielen Verlagen zum Thema
Früherziehung, welches vor Ort unter die Lupe genommen werden konnte. In diesem Zusammenhang bringt sicher
der von Juliane Ribke und Michael Dartsch herausgegebene Sammelband Facetten Elementarer Musikpädagogik
(ConBrio) Licht ins Dunkel. Auch im Bereich des frühen Zusammenspiels gab es hier und da Materialien, die
die schon vorhandenen Reihen mit leichter Kammermusik anderer Verlage ergänzen, wie Nepomuk, Eres Edition,
Edition Budapest oder Bärenreiter, um nur einige zu nennen. In Sachen Jazz und Pop wären Der
neue Jazz Parnass von Manfred Schmitz (Breitkopf und Härtel) und Eine kleine Pop-Musik/Pop-Romantik
(AMA) zu nennen. Für jeden interessant ist auch die CD-ROM, die das neue Lexikon der Musikpädagogik
(Personenteil) im Bosse Verlag erweitert und damit ersetzt.
Music Library
Eine außerordentlich gute neue Idee und Umsetzung war das Podium Music Library. An jedem
Messetag wurden dort zu unterschiedlichen Themenschwerpunkten, zusätzlich zu den Verlagsständen neue
Materialien vorgestellt. So präsentierte etwa der Verlag Doblinger sein Heft mit früher Kammermusik
Gimme five. Die Musikschule Frankfurt hatte sich freundlicherweise zur praktischen Umsetzung angeboten
und so sollten die Kinder spontan mit den Autorinnen kooperieren. Auch der Schott-Verlag, um nur zwei Vorstellungen
herauszunehmen, stellte seine Konzepte Musikgarten und Klangstraße vor. Hier halfen
Videoausschnitte, die Praxisumsetzung zu verdeutlichen.
Ab 16 Uhr fanden Podiumsdiskussionen statt. Theo Geißler und andere Moderatoren aus Presse und Rundfunk
hatten zu Themen wie Musikdistribution, Neuerscheinungen oder Popmusikförderung interessante Gäste
geladen, die diese lebhaft und in allen Facetten diskutierten. Eine Dokumentation des Panels Musik für
Kinder Music for kids? Formen zeitgenössischer Musikvermittlung für Kinder ist im Dossier
dieser Ausgabe (Seite 56) nachzulesen.
Music for kids
Wie schon im letzten Jahr so fand auch heuer die große Musik-Mitmach-Ausstellung Music4kids
statt, die von der Messeleitung als Maßnahme für die Musikförderung von Kindern und Jugendlichen
verstanden wird. Dies ist grundsätzlich sehr zu begrüßen. Kindergärten und Schulklassen,
am Wochenende frei zusammengestellte Gruppen von Kindern und Jugendlichen zwischen fünf und zwölf
Jahren konnten täglich an drei Führungen teilnehmen.
Unter dem Motto Musikförderung heißt, dem Markt die Zukunft bereiten engagiert sich
hier die Messe. So standen teilweise gut durchdachte und wundersam klingende Instrumente zur Verfügung,
an denen Kinder wirklich die Klangwelt und auch die Physik des Klangs auf unterschiedlichste und interessante
Weisen ausprobieren konnten. Leider aber waren die Rahmenbedingungen für ein ruhiges, fantasievolles Probieren
und eine gekonnte Moderation nicht im Geringsten gegeben. Obwohl bereits im letzten Jahr kritisch angemerkt,
hat sich pädagogisch leider gar nichts geändert. Der Lärmpegel war auch dieses Mal für die
Kinder und Jugendlichen so hoch, dass es für sie keine Chance gab, in Ruhe, mit Freude und Kreativität
tiefe Erfahrungen machen zu können. Man hätte sich des am Mittwoch auf der CAVIS gehaltenen Referats
Geräuschmessungen und -belastungen bei Musikveranstaltungen erinnern sollen! Dieser extrem
hohe Geräuschpegel der Kinderveranstaltung schreckt nicht nur viele Kinder ab, sondern kann auch nachweislich
zu Schäden führen.
Die Initiative der Musikschule Frankfurt, hier pädagogisch zu helfen und in schalldichten Kabinen das
Probieren richtiger Instrumente anzubieten, ist hier zwar ein Schritt in Richtung Reflexion, kann
aber als Einzelbaustein die Gesamtveranstaltung nicht retten. Unbegreiflich ist die Tatsache, dass in der Klavier-Kabine
ein Keyboard stand, und offensichtlich trotz Anwesenheit der Klavierindustrie kein einziges Unternehmen bereit
war, zu diesem Zweck ein Klavier zur Verfügung zu stellen oder wenigstens aus der Musikschule zur Messe
zu transportieren. Das vorhandene Potenzial der Musikmesse Frankfurt und ihrer Aussteller wurde hier nicht im
Entferntesten für die Nachwuchsförderung genutzt.
Widersprüche
Zusätzlich ergänzt wurde dieses Programm an den Wochenenden durch die wild zusammengewürfelte
Schau Vampire in der Oper, in der versucht wurde, das Engagement der vielen Laienmusikgruppen mit
einzubeziehen. Alles wurde in der sowieso schon überakustischen Halle so extrem verstärkt, dass reihenweise
Zuhörer flüchteten. Zudem saßen zum Teil kleine Kinder direkt vor den dezibelstärksten
Rock-Lautsprecherboxen. Das steht nicht nur in krassem Gegensatz zu der im Prinzip lobenswerten Idee Music4kids,
sondern ist auch noch extrem gesundheitsschädigend! Zusätzlich ließe sich natürlich auch
noch trefflich über die Angemessenheit der Story diskutieren: Jeder gegen Jeden war sicherlich
in der Realität glänzend umgesetzt. Hatten denn die vielen Verlage wirklich keine einzige sinnvollere
Musikgrundlage, die man hätte nutzen dürfen? Auch die in der Diskussion geäußerten Gedanken
und Vorschläge zur Musikvermittlung hätten hier durchaus hilfreich sein können...