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nmz-archiv
nmz 2002/06 | Seite 14
51. Jahrgang | Juni
Deutscher Kulturrat
Es gibt den Holzweg oder den Königsweg
Stiftungen im Kulturbereich · Von Olaf Zimmermann
In Folge der Debatte um die Reform des Stiftungssteuer- und des Stiftungszivilrechts in dieser Legislaturperiode
sind Stiftungen in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. Stiftungen, von denen einige
seit Jahrhunderten im Verborgenen Gutes für die Allgemeinheit tun, wurden in größeren Bevölkerungskreisen
bekannt. Das Errichten von Stiftungen wird für immer mehr Bürgerinnen und Bürger interessant,
wenn sie ihren Nachlass regeln.
Das jüngste vom Bundesverband Deutscher Stiftungen herausgegebene Verzeichnis Deutscher Stiftungen weist
aus, dass ein Viertel aller Stiftungen die Unterstützung von Kunst und Kultur zu ihren satzungsgemäßen
Zwecken zählt.
Stiftungszweck und Stiftungskapital
Die unabhängigste Form der Stiftung ist eine Stiftung des bürgerlichen Rechts, die mit einem ausreichenden
Stiftungskapital ausgestattet ist. Was ein ausreichendes Stiftungskapital ist, bestimmen die Stiftungszwecke.
Soll aus den Erträgen des Stiftungskapitals pro Jahr ein Preis für einen Nachwuchskünstler in
Höhe von 2.500 Euro vergeben werden, reicht bereits ein kleines Stiftungskapital aus. Soll aus den Erträgen
aber ein Stipendium von 2.500 Euro monatlich über ein Jahr hinweg für Künstler verschiedener
Sparten ausgelobt werden, ist ein deutlich höheres Stiftungskapital erforderlich. Und soll aus den Erträgen
einer Stiftung eine ganze Kultureinrichtung jährlich mit mehreren Millionen Euro unterhalten werden, wachsen
die Anforderungen an das Stiftungskapital um ein Vielfaches. Bei einer Kapitalverzinsung von beispielsweise
fünf Prozent muss der Kapitalbedarf pro Jahr mit dem Faktor 20 multipliziert werden, um das notwendige
Stiftungskapital zu erhalten.
Stiftungszweck und Stiftungskapital stehen also in einem engen, unauflöslichen Verhältnis, geht es
um die idealtypische Stiftung des bürgerlichen Rechts, die die Stiftungszwecke aus den Erträgen ihres
Stiftungsvermögens verwirklicht. Eine solche Stiftung ist allein dem verpflichtet, was der Stifter ihr
auf den Weg gegeben hat. Die Satzung gibt den Rahmen des Engagements vor. Die staatlichen Stiftungsaufsichtsbehörden
wachen nach dem Tod der Stifter darüber, dass auch weiterhin nur die einmal fixierten Zwecke verwirklicht
werden.
Kulturelles Leben in Deutschland
Im Kulturbereich gibt es verschiedene solcher unabhängiger Stiftungen. Sie sind derzeit noch eine wichtige
Ergänzung der öffentlichen Kulturfinanzierung, werden nach meiner festen Überzeugung aber bald
mehr sein, nämlich ein wesentlicher Bestandteil der Grundversorgung im kulturellen Bereich.
Deutschland zeichnet sich durch ein besonders reichhaltiges und vielgestaltiges kulturelles Leben aus. In zumeist
allen künstlerischen Sparten gibt es sowohl in den großen Metropolen als auch in den mittleren und
kleineren Städten und Gemeinden ein dichtes kulturelles Angebot. Dieses kulturelle Angebot wird zum größten
Teil aus Mitteln der öffentlichen Hände finanziert. Die Städte tragen dabei den größten
Teil der Kulturfinanzierung, gefolgt von den Ländern und schließlich dem Bund. Die Bereithaltung
von kulturellen Angeboten beruht auf dem Verständnis, dass Deutschland auch ein Kulturstaat ist und daher
möglichst viele Menschen Zugang zu Kultur haben sollten. Dennoch gehört Kultur nicht zu den Pflichtaufgaben
der Städte und Gemeinden. Die Kulturausgaben gehören zu den so genannten freiwilligen Leistungen,
die oftmals, wenn das Budget durch die Pflichtaufgaben fast aufgezehrt wird, zurückgefahren werden.
Sinkende Einnahmen der Städte und Gemeinden bei gleichzeitig wachsenden Pflichtausgaben kennzeichnen
die Finanzsituation in fast allen Städten und Gemeinden. Kultureinrichtungen sind dadurch von Kürzungen,
wenn nicht gar Schließungen betroffen und oftmals sind es gerade die innovativen, die jungen, noch nicht
etablierten Vorhaben und Projekte, die nicht mehr durch die öffentliche Hand gefördert werden.
Stiftungen können hier wichtige Aufgaben übernehmen. Und sie sind dabei mehr als das Sahnehäubchen
auf dem öffentlich finanzierten kulturellen Kaffee. Stiftungen können wesentlich flexibler, ohne die
starren Vorgaben des öffentlichen Haushaltsrechts kulturelle Projekte fördern. Sie können sich
in der Förderung junger Künstlerinnen und Künstler engagieren. Sie können Kindern und Jugendlichen
zum Zugang zu Kunst und Kultur verhelfen, in dem sie Einrichtungen der kulturellen Jugendbildung unterstützen.
Sie können die Werke bildender Künstlerinnen und Künstler einer breiteren Öffentlichkeit
zugänglich machen, indem sie Ausstellungsvorhaben unterstützen oder Ausstellungsräume bereithalten.
Stiftungen können Debütantinnen und Debütanten den Zugang zum Publikum ermöglichen, in dem
sie den Druck des ersten Romans fördern oder eine Literaturzeitschrift unterstützen. Stiftungen können
einen Beitrag zur zeitgenössischen Kunst leisten, wenn sie Aufführungen von zeitgenössischer
Musik, Tanz oder Theater ermöglichen.
Alles dies sind Aufgaben, die von zahlreichen Stiftungen bereits heute wahrgenommen werden. Der Kulturbereich
benötigt aber noch viel mehr privates Engagement bei der Finanzierung innovativer Kulturprojekte.
Kultureinrichtungen als Zuwendungsstiftungen
Neue Aufgaben kommen auf die Stiftungen in der Zukunft zu, wenn sie Kultureinrichtungen vollständig übernehmen
werden. Bislang ist es eher so, dass bestehende Kultureinrichtungen, die von der öffentlichen Hand gefördert
werden, von der öffentlichen Hand selbst in eine Art Stiftungshülle umquartiert werden.
Das wichtigste Ziel ist dabei zumeist, dem öffentlichen Haushaltsrecht ein Schnippchen zu schlagen.
Mit Hilfe des unzeitgemäßen öffentlichen Haushaltsrechts wird den Kultureinrichtungen oftmals
ein Korsett angelegt, das den Einrichtungen immer mehr die Luft zum kreativen Atmen nimmt. So dürfen in
der Regel nicht benötigte Haushaltsmittel von der Kultureinrichtung nicht etwa für ein künstlerisches
Vorhaben im nächsten Jahr verwendet werden, sie müssen an die Staatskasse zurückfließen.
Und als Belohnung für die Einsparungen im laufenden Jahr werden oftmals die öffentlichen
Mittel im nächsten Jahr sogar noch gekürzt. Obendrein müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
in öffentlichen oder öffentlich-geförderten Kultureinrichtungen ähnlich wie Mitarbeiter
der Verwaltung bezahlt werden. Langwierigste Beschreibungen von Aufgaben, mangelnde Aufstiegsmöglichkeiten,
ein starrer Stellenplan hemmen die kreative Entwicklung dieser Kultureinrichtung.
Nicht von ungefähr erscheint daher die Umwandlung in eine Stiftung als der Königsweg. Damit dieser
nicht zum Holzweg wird, muss aber darauf geachtet werden, dass die neue Stiftung tatsächlich von den unflexiblen
und starren Vorgaben des Haushaltsrechts befreit wird. Wird lediglich die Hülle geändert und bleibt
die Kultureinrichtung als Stiftung weiterhin von den jährlichen Zuteilungen der öffentlichen Hand
abhängig, ist nichts gewonnen. Überall in Deutschland entstehen zurzeit auf Initiative der öffentlichen
Hände solche Trägerstiftungen für Kultureinrichtungen ohne ausreichende Kapitalausstattung. Für
die Kultureinrichtung selbst kann die Trägerschaft durch eine Zuwendungsstiftung fatale Folgen
haben. Die öffentliche Förderung für die Trägerstiftung einer Kultureinrichtung kann wesentlich
einfacher eingestellt werden als die Förderung einer kommunalen oder landeseigenen Kultureinrichtung, weil
es sich um eine private Institution handelt, die freiwillig Zuwendungen erhält.
Verantwortung der Bürger für die Gesellschaft
Können große Kultureinrichtungen tatsächlich in echte private Stiftungen umgewandelt
werden? Können diese Stiftungen unabhängig von der öffentlichen Hand agieren? Sie können
es, doch sind dafür beträchtliche Summen an Stiftungskapital erforderlich. Um dieses Stiftungskapital
muss geworben werden. Die Zeit-Stiftung hat vorgemacht, dass mithilfe eines sehr großen Stiftungskapitals
eine Hochschule, die Bucerius Law School, gegründet und dauerhaft betrieben werden kann. Ein sehr großes
Stiftungskapital könnte auch zur Finanzierung einer Oper, eines Theaters, eines Orchesters, einer Ausstellungshalle,
einer Bibliothek oder anderer kultureller Orte genutzt werden. Die Stifter würden damit in die Zukunft
gerichtet kulturelles Leben ermöglichen. Sie würden einen Ort des kulturellen Austauschs schaffen,
der weiterwirkt.
Dynamische Form: Denkmal Stiftung
Bürgerinnen und Bürger setzen sich mit der Errichtung einer Stiftung ein positives Denkmal. Diese
Form von Denkmal ist nicht statisch, wie es eine Skulptur wäre. Diese Form von Denkmal ist dynamisch, sie
muss durch die Erfüllung des Stiftungszwecks immer wieder zum Leben erweckt werden. Es muss Kreativität
und Fantasie aufgewandt werden, damit das, was zunächst als Formel in der Satzung beschrieben wird, tatsächlich
zum Leben erwacht. Kultur ist ein Teil des Lebens, Kultur ist Ort der Kreativität und der Fantasie. Damit
Kultur sich entfalten kann, bedarf es der öffentlichen Orte, der Orte der Begegnung, des Austausches.
Eine Kultureinrichtung sollte lebendiger Teil der Stadt sein, je unabhängiger sie dies von Vorgaben der
öffentlichen Hand erfüllen kann, desto lebendiger und vielfältiger kann sie werden.
Damit auch in der Zukunft unser kulturelles Leben in seiner Vielfalt bestehen bleiben wird, wird es zahlreicher
Anstrengungen bedürfen. Der Staat darf aus seiner Verantwortung nicht entlassen werden. Aber auch die Bürgerinnen
und Bürger werden sich in der Zukunft stärker engagieren müssen. Ein Blick zurück in die
Geschichte zeigt, dass dieses ein Teil der Rückgewinnung des Bürgerengagements ist. Denn viele der
uns heute selbstverständlich als öffentliche Kultureinrichtungen erscheinende Institutionen gehen
auf das private Engagement von Bürgerinnen und Bürger zurück. Die in der jüngsten Zeit verbesserten
Rahmenbedingungen für Stifterinnen und Stifter, aber auch für Stiftungen, werden hoffentlich einen
Beitrag dazu leisten, dass Stiftungen von einem wichtigen zu einem unverzichtbaren Bestandteil des kulturellen
Lebens werden.