Das Multimedia-Festival The Resonant Wave Berlin
In den Räumen eines ehemaligen Elektrizitäts-Umspannwerks in Berlin Kreuzberg präsentierte
das private Kulturunternehmen KIS Kultur Im Spannwerk vom 25. Mai bis 8. Juni seine erste
Eigenveranstaltung. Das Gebäude aus den 20er-Jahren ein Juwel der Berliner Industriebaukultur
wurde mit originalen Bauelementen komplett zeitgemäß restauriert. Die beeindruckende Veranstaltungshalle
ist 14 Stockwerke hoch, die Fläche misst 700 Quadratmeter.
A festival of art, culture and advancement lautet der Untertitel zu der zweiwöchigen Veranstaltung.
Das heißt zunächst alles und nichts, aber so einfach in Kunst, Kultur und Fortschritt
mag man nicht übersetzen. Advancement, das ist auch Weiterkommen, Sich-Entwickeln, Emporkommen.
Ein avancierter Titel für ein ambitioniertes Programm, dessen freischwebende bis explosive Energie zeitweise
ungebündelt verpufft statt das Publikum in Schwingung zu versetzen. Den Bezug des Bauwerks zur Elektrizität
soll das Resonant Wave Festival zelebrieren. Entsprechend flimmert in den verwinkelten Kellerräumen ein
Kaleidoskop an Lichtwellen: beamende Projektoren, sprühende Funken, leuchtende live-Videos.
Dazu, dem Festivaltitel Die Resonanzwelle Rechnung tragend, knistern vor Spannung die elektrisierten
Ketten des israelischen Künstlers Arik Katsav, rattern rhythmisch die in Reihe geschalteten Transformatoren
des Niederländers Bastiaan Maris. Aus allen Richtungen fliegen die Klangfetzen. Von improvisiertem Sologesang
(Annette Cantor, Berlin) über analoge und digitale Live-Elektronik (Amoeba Technology) bis zu selbstgebauten
Instrumenten (Zémi 17) werden alle erdenklichen Mittel der Klangerzeugung aktiviert eine akustische
Ebene, die sich hören lassen kann.
Die Hauptakteure und zugleich Kuratoren des Festivals, die New Yorker Performancegruppe Ransom Corp.,
taten sich mit den unterschiedlichsten Musikern zusammen, um Klangräume für ihre Performance Resonance:
The Fractal Seed zu bilden.
Darunter das Madagascar Institute, ebenfalls aus New York. Sie konstruieren kinetische Metallskulpturen, die
klangverstärkt die Berührungen der turnenden Performer wiedergeben. Ausbaufähig und voller Überraschungen
ist diese Aufhebung der musikalisch choreografierten Bewegung zugunsten klingender Choreografie.
Die erzeugten Töne stehen nicht in direktem Verhältnis zur Kraft der Bewegung, die sie auslöst.
Der Zuhörer erwartet also klangliche Ereignisse, die dann ganz anders eintreten. Ein kleiner Schlenker
mit dem Handgelenk lässt ein Donnergewitter losbrechen. Dann wieder entlockt ein Stoß mit dem ganzen
Körper den Skulpturen gedämpftes Rascheln.
Visuell evoziert die Aufführung mit teils archaischer, teils technologieverliebter Bildersprache wahrhaftig
Multi-Media. Aber statt der von den Künstlern selbst formulierten Spannung zwischen Vergangenheit und Zukunft:
Reizüberflutung. Mal Videoprojektionen, synthetische Beats, dann wieder Luftakrobatik, Trommeln, verhaltener
Gesang. Zum Schluss auch noch Feuer. Da vibrieren die Resonanzwellen besser als die Bilder. Vom Feinsten ist
auch die Parade an internationalen DJs, die alle Festivalabende in tanzbaren Sounds ausklingen lässt, darunter
die Brooklyner Dub-Kings Qaballah Steppers.
Besonders geheimnisvoll kündigt sich das Live-Elektro-Duo Konstruct aus London an: KONSTRUCT,
an operating system to operate without a system ein Betriebssystem, das ohne System betrieben wird.
Questioning while partying is a pleasure and a virtue ist einer ihrer vielen wirkungsvollen Slogans.
Konstruct haben nicht übertrieben. Pure kreative DJ-Energie. Sie lassen die Spannung auch nicht
eine Sekunde lang abfallen und machen dem Festivaltitel und dem Ort des Geschehens alle Ehre.