[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2002/07-08 | Seite 23
51. Jahrgang | Aug./Sep.
Pädagogik
Auf Anhieb ein Erfolg
Der erste Violinwettbewerb im Haus Marteau
Abgelegener kann man sich einen Ort für einen internationalen Violinenwettbewerb kaum vorstellen. Das
Städtchen Lichtenberg liegt etwa 25 Kilometer von Hof, der krisengeschüttelten früheren Hochburg
der oberfränkischen Textil- und Porzellanindustrie, entfernt. Hierher fuhr der französische Geiger
Henri Marteau von Berlin aus in die Sommerfrische. Mit seiner umfangreichen Konzerttätigkeit erwarb er
sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts internationalen Ruf. In der idyllisch gelegenen Künstlervilla in Lichtenberg
lebte der gebürtige Franzose während des Ersten Weltkrieges zwei Jahre lang unter Hausarrest. Als
er wegen seiner Kaisertreue in der Weimarer Republik seine Professur nicht zurückerhielt, zog er sich endgültig
nach Lichtenberg zurück. Hier komponierte er, arbeitete als Herausgeber für bekannte Musikverlage
und gab neben seiner Tätigkeit als Pädagoge an den Universitäten Prag, Leipzig und Dresden Meisterklassen.
Marteaus Witwe Blanch bot das Haus dem Bezirk Oberfranken zum Kauf an, der hier eine internationale Musikbegegnungsstätte
einrichtete, in der seit 1982 Meisterklassen und musikpädagogische Kurse stattfinden. An diesem geschichtsträchtigen
Ort hat der Freundeskreis der Musikbegegnungsstätte Haus Marteau e. V. vom 26. Mai bis 2. Juni erfolgreich
den ersten Internationalen Henri Marteau Violinenwettbewerb ausgerichtet. Urspründlich hatten sich über
70 Bewerber auf die Ausschreibung hin angemeldet. 48 Teilnehmer aus 23 Nationen fanden schließlich ihren
Weg in den frühsommerlichen Frankenwald.
Zwei Besonderheiten unterscheiden den Violinenwettbewerb in Haus Marteau von vergleichbaren Veranstaltungen:
Zum einen ist der Wettbewerb für sehr junge Musiker ausgeschrieben. Es gibt eine Wertungsgruppe für
Musiker bis 16 Jahre und eine zweite für Musiker zwischen 16 und 22 Jahren. Zum anderen kürte die
international besetzte Jury mit dem Geschwisterpaar Juki Manuela und Andreas Janke aus Dachau nicht nur zwei
Sieger, sondern vergab zahlreiche Sonderpreise. So für die beste Marteau-Interpretation (Andreas Janke,
Deutschland), die beste Interpretation eines virtuosen Werkes (Lu Wei, China) sowie für die beste Darbietung
eines Werkes von Bach (Lucja Madziar, Polen) und Mozart (Luiz Filipe Coelho, Brasilien).
Die Preisträger wurden mit Meisterklassen in Haus Marteau, einem neunwöchigen Aufenthalt beim Aspen-Music-Festival
in den USA sowie der leihweisen Vergabe einer Kopie der Maggini-Geige Marteaus und einem Silberbogen im Wert
von 1.700 Euro belohnt.
Es dürften jedoch vor allem die mehr als 20 in Aussicht gestellten Konzertengagements mit bekannten Orchestern
gewesen sein, die so viele Teilnehmer nach Lichtenberg gelockt hatten. In dreijährigem Turnus soll der
Henri Marteau Violinenwettbewerb in Zukunft stattfinden.