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nmz-archiv
nmz 2002/07-08 | Seite 13
51. Jahrgang | Aug./Sep.
Kulturpolitik
Das Elend der Kulturförderung
Höchste Zeit für eine Änderung der Handhabung des Zuwendungsrechts
Sie müssen sich mal einen Sponsor suchen, in Amerika werden Projekte wie Ihre grundsätzlich
so finanziert! Mit solchen Ratschlägen an die freien Träger der Kultur-, Bildungs- und Jugendförderung
läuteten die öffentlichen Geldgeber vor vielen Jahren die Ära des Kultursponsorings ein.
Hellsichtig warnte sogleich August Everding: Jede private Mark, die zusätzlich zur öffentlichen
Förderung kommt, ist willkommen, jede private Mark, die eine öffentliche ersetzt, ist schädlich.
Nein, die Förderung aus öffentlichen Mitteln werde nicht gekürzt, wurde aus den Behörden
sofort versichert, und in der Tat, die Förderbeträge aus den öffentlichen Kassen blieben stabil,
so sehr, dass Preissteigerungen nicht mehr berücksichtigt wurden dafür hatten die freien Träger
der Kulturarbeit doch jetzt Sponsoren, oder?
Jawohl, sie hatten. Ein Teil der Energie, die bislang auf die Projekte verwandt wurde, musste jetzt zwar für
die Pflege der Sponsoren aufgewendet werden, aber das fiel erstens nicht auf und zweitens nicht aus dem Rahmen.
Zunächst jedenfalls.
Dann aber wurde der Wind plötzlich rauher, die öffentlichen Hände mussten stärker sparen,
die Arbeitslosenzahlen stiegen, und der deutsche Osten kam wirtschaftlich nicht richtig auf die Beine. Aber
inzwischen waren die freien Träger ja im Umgang mit Sponsoren erfahren, da durfte man die öffentlichen
Mittel ruhig ein wenig zurückfahren, nicht drastisch natürlich, nur jedes Jahr ein wenig. Das hatte
für die öffentlichen Geldgeber zwei Vorteile: Zum einen brauchte man keine politisch unliebsamen Kürzungen
vorzunehmen, die Aufsehen erregenden Widerstand hätten hervorrufen können, zum anderen entstand auf
diese Weise im Trägerbereich eine Art Darwinismus, der automatisch zur Auslese der Besten führen würde,
so dass der Geldgeber mit seiner Förderung auch ohne den nötigen Sachverstand auf der sicheren Seite
war an dieser Stelle erscheint es angebracht, ins Präsenz zu wechseln, denn in dieser Phase befinden
wir uns noch.
Gerade der letztgenannte Gesichtspunkt ist von steigender Bedeutung, weil vor allem in den kleineren Ministerien
die Zahl der Mitarbeiter, die als Seiteneinsteiger mit einem Minister ins Haus gekommen sind, ohne
die für den Öffentlichen Dienst vorgeschriebene fachliche Qualifikation zu besitzen, spätestens
alle vier Jahre ansteigt. Wechselt der Minister, sickern diese Mitarbeiter in die Fachabteilungen ein und werden
dort mit Aufgaben betraut, für die sie nicht ausgebildet sind, vorzugsweise in Förderreferaten; denn
da kann man ja nicht siehe oben viel falsch machen.
Zurück zum Sponsoring: Natürlich konnten und können die Sponsoren nicht einfach die gesamte
Tätigkeit der freien Träger fördern, aus steuerlichen Gründen muss mit dem Sponsoring ein
Werbeeffekt verbunden sein; kurzum, für Sponsoring eignen sich vorzugsweise die so genannten Events. Da
traten die Sponsoren dann auch eindrucksvoll in Erscheinung und machten so die politisch Verantwortlichen
bei den öffentlichen Geldgebern neidisch. Schließlich leben Politiker mehr und mehr von solchen Auftritten.
Also wollen auch die öffentlichen Geldgeber nur noch die Events fördern, in ihrem Wunsch bestärkt
von den oben beschriebenen Parteibuchwedlern, die im Anbieten öffentlichkeitswirksamer Auftritte an höhere
Vorgesetzte mangels eigener Fachkompetenz eine gute Profilierungsmöglichkeit für sich selbst sehen.
So weit, so schlecht.
Wir haben es derzeit allenthalbenmit einer Politik zu tun, die sich vielleicht anschaulich so auf den Punkt
bringen lässt: Alles im Schaufenster, nichts im Laden.
Inhalte werden vernachlässigt zugunsten einer Form, die die Inhalte im wahrsten Sinne des Wortes nur
noch vorspiegelt; die PISA-Studie lässt grüßen.
Es war abzusehen, dass diese Studie im Schulbereich hektische Betriebsamkeit auslösen würde. Da
wird aus Gründen des Events wieder einmal zu schnell und zu kurz gesprungen. Als ob das Bildungsklima in
Deutschland von den Schulen abhinge! Die derzeit zu beobachtende Reaktion entspricht dem Versuch, den Naturschutz
durch eine verbesserte Ausstattung der Treibhäuser zu stärken.
Auch in der Kulturförderung wird die Hilflosigkeit durch Betriebsamkeit kaschiert; immer neue Regelungen
werden erlassen, ständig werden politisch neue Schwerpunkte vorgegeben und die Rechnungslegung muss immer
differenzierter vorgenommen werden alles zusätzliche Belastungen, die die Träger von ihrer
eigentlichen Arbeit abhalten mit der Folge, dass immer mehr (von dem immer weniger werdenden) Geld auf einer
Funktionärsebene hängen bleibt und damit für die Sache selbst oft nicht mehr wirksam wird. Je
weniger Mittel die Träger erhalten, desto mehr werden sie gegängelt. Es scheint ein Naturgesetz zu
sein, dass sich fachliche Kompetenz und Wille zur Machtausübung reziprok proportional zueinander verhalten.
Der scheinbar unbeugsame Gestaltungswille auf Geldgeberseite verhindert auch bislang die Vereinfachungen in
der Anwendung des Zuwen- dungsrechts, die der Bundesrechnungshof als Beauftragter für Wirtschaftlichkeit
in der Verwaltung vorgeschlagen hat, so zum Beispiel die Festbetragsfinanzierung anstelle der Fehlbedarfsfinanzierung.
Während bei der Festbetragsfinanzierung dem Geldgeber nur der zugewendete Betrag als zweckentsprechend
verwendet nachgewiesen werden muss, ist bei der Fehlbedarfsfinanzierung der gesamte Kosten- und Finanzierungsplan
Gegenstand der Prüfung durch den Geldgeber, der haushaltsrechtlich völlig korrekt peinlich
darauf achtet, dass jeder zusätzliche Euro, also auch Sponsorengelder, den Fehlbedarf mindert. Gleiches
gilt natürlich auch bei Unterschreiten des Kostenvoranschlags. Damit hat der öffentliche Geldgeber
den vollen Zugriff auf alle Aktivitäten des Trägers und kann im Zweifel sogar verhindern, dass der
Träger noch eine eigene Politik treiben kann was bei großen Dachverbänden zwangsläufig
getan werden muss, wenn sie ihre Existenzberechtigung behalten wollen. Wohin die sture Anwendung der Fehlbedarfsfinanzierung
im Extremfall führen kann, ist derzeit beim Deutschen Musikrat zu besichtigen.
Es ist allerhöchste Zeit für eine grundsätzliche Änderung der Handhabung des Zuwendungsrechts,
verbunden mit der Anhebung der Fachkompetenz im administrativen Bereich. Andernfalls werden die Kräfte,
die trotz aller Individualisierungstendenzen die Gesellschaft noch zusammenhalten, zugrunde gehen.