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nmz-archiv
nmz 2002/07-08 | Seite 24
51. Jahrgang | Aug./Sep.
Pädagogik
Experimentierfeld Kulturveranstaltung
Der Kultur Choque Circus der Bundesakademie für kulturelle Bildung Wolfenbüttel
Dem Peter sein Wolf, Vermittlung bitte durchstellen, Drahtseilakt in der Manege
mit viel versprechenden Titeln wie diesen macht die Bundesakademie für kulturelle Bildung Wolfenbüttel
seit einiger Zeit auf sich aufmerksam. Der treibende Motor hinsichtlich neuer Veranstaltungsformen von und mit
Kindern ist Markus Lüdke, Fachbereichsleiter Musik der Bundesakademie. Seit Oktober 1999 an der Bundesakademie
tätig, hat er, neben dem Ausbau der Kurse rund um die Chorarbeit (Chorleitung Stufe B, Jazzchor, Kinderchor),
im Bereich Musikvermittlung einen neuen Schwerpunkt im Kursangebot geschaffen. Musiker, Konzertpädagogen
und andere Interessierte können an der Bundesakademie neue Gestaltungsideen für publikumsorientierte
Konzertprogramme erproben, ihre Bühnenpräsenz schulen, die Sprechstimme trainieren und eine adäquate
Körpersprache sowie Kommunikationsformen in der Musikpräsentation für Kinder erlernen.
Besonders befruchtend wirkt sich die Zusammenarbeit der einzelnen Fachbereiche (Bildende Kunst, Literatur,
Museum, Musik, Theater) auf die Bandbreite und Erfahrungswerte der Bundesakademie aus. Erste Einblicke in die
spartenübergreifende Arbeit sammelte Lüdke bereits während seines Schulmusikstudiums an der Folkwang-Hochschule
Essen. Prägend war für ihn auch der frühe Kontakt zum Theater. Eigene grenzüberschreitende
Konzertprojekte realisierte er vor allem als langjähriger Leiter des Jugendorchesters Duisburg sowie in
seiner Tätigkeit an der Moerser Musikschule.
Ein Markenzeichen seiner Projekte ist das Experimentieren mit Formkonzepten aus anderen Kunst- und Unterhaltungssparten:
Kino, Jahrmarkt, Wettkampf, Show, Quiz, Soap sind einige der Formmodelle, die Lüdke mit Musik und Inhalten
zu füllen versteht und die so einen unmittelbaren Zugang zu den mediengeschulten Kindern schaffen. Seine
vielfältigen Erfahrungen im Bereich der Konzertgestaltung und Musikvermittlung fließen nun in die
Fortbildungen an der Bundesakademie ein. Als Mitglied der Arbeitsgruppe Konzerte für Kinder
der Jeunesses Musicales Deutschland (JMD) bemüht Lüdke sich aber auch über die Akademie hinaus
um das Thema unter anderem als Referent auf dem internationalen Kongress der JMD Neue Wege für
junge Ohren, wo er Ansätze für eine Erweiterung des Repertoires und der Präsentationsformen
in der Musikvermittlung für Kinder reflektierte. Daneben setzt er aber auch auf traditionelle Stärken
der Bundesakademie und weiß diese zu vertreten: Singen ist unerlässlich für das Musikverständnis
von Kindern und das nicht nur oder erst im Kinderchor. Hier ist Basisarbeit notwendig, damit in Kindergärten,
Schulen und anderen Bildungseinrichtungen verantwortlich mit dieser Aufgabe umgegangen wird.
Nun will die Bildungsakademie Wolfenbüttel ihre vorhandenen Ressourcen das Know-how in den einzelnen
Kunstsparten und das Expertenwissen um Veranstaltungsformen zu einem ungewöhnlichen Kulturprojekt
bündeln: dem Kultur Choque Circus. Als interdisziplinäre Veranstaltung aller Fachbereiche
unter der künstlerischen Leitung der Regisseurin Doris Dörrie, der Mitwirkung namhafter Dozenten und
des Familienzirkus Sperlich bietet die Bundesakademie vom 25. August bis 1. September allen Interessierten Einblicke
in spartenübergreifende Projektarbeit. Parallel dazu werden Zirkuspädagogen mit behinderten und nichtbehinderten
Wolfenbütteler Schulkindern eine Zirkus-Vorstellung erarbeiten.
Markus Lüdke, Projektleiter des Kultur Choque Circus, liegt neben den oben beschriebenen Schwerpunkten
besonders die Zusammenarbeit der einzelnen Fachbereiche am Herzen: In der Manege wollen wir den Kursteilnehmern
vermitteln, was die Künste alles voneinander lernen können. Die befruchtenden Erfahrungen sollen sie
dann in ihre eigene Projektarbeit weitertragen können. Wir möchten mit dem Kultur Choque Circus eine
Plattform des gegenseitigen Austausches schaffen. Daneben ist uns aber auch die Vernetzung mit der Region und
die Zusammenarbeit mit den Schulen sehr wichtig.
Als Tagungsort sind dieses Mal aber keine festen Bauten, sondern eine bunte Zirkusstadt mit Zelten rund um
den Vorplatz des Wolfenbütteler Schlosses ausgewählt worden. Ein kulturelles Rahmenprogramm mit Konzerten,
Lesungen und anderen Darbietungen wird das Leben in der Zirkusstadt bereichern. Der Kultur-Schock
der Teilnehmenden liegt nach Meinung der Veranstalter gerade in der Auseinandersetzung mit der oft noch sehr
fremden Welt des Zirkus, die keine klaren Grenzen kennt. So sollen die Kunstsinne neu geweckt werden und die
Kreativität der Teilnehmer in den Sparten bildende Kunst, Literatur, Museum, Musik und Theater eine neue
Dimension gewinnen.
Ob diese hoch gesteckten Ziele tatsächlich realisiert werden können, wird sich in den Vorstellungen
der Kursteilnehmer und der Schüler zeigen; die Organisation des Projektes läuft jedenfalls bereits
jetzt auf Hochtouren: so werden die Wolfenbütteler Schüler von ihren Lehrern in enger Zusammenarbeit
mit der Bundesakademie auf das Zirkusprojekt vorbereitet. Zu Beginn der Veranstaltung wird dann auch eine Zirkus-Vorstellung
der Lehrer stehen, die den Kindern einen Vorgeschmack auf die Bandbreite der möglichen Themen bieten soll.
Da heißt es auch für die Pädagogen, Hemmschwellen überwinden, Teamfähigkeit entwickeln
und sich der Kritik anderer aussetzen. Die Kinder können anschließend selbst wählen, in welche
Arbeitsgruppe sie gerne gehen möchten. Dort erhalten sie dann von den Zirkuspädagogen eine Aufgabenstellung,
deren Umsetzung mit viel Fantasie im Team erarbeitet werden kann und schließlich zur Aufführung kommen
wird. Die Schulen werden noch lange von den Erfahrungen profitieren können, die die Kinder während
dieses Projektes sammeln. Es entsteht ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Schülern.
Das Aufeinander-Angewiesen-Sein schult das Sozialverhalten in hohem Maße. Hinzu kommt das Erlebnis und
der damit verbundene Stolz der Kinder, ihre Ergebnisse vor einem großen Publikum präsentieren zu
können, so die Meinung des Projektleiters. Die behinderten und nichtbehinderten Schulkinder kennen
sich bereits und es finden im Vorfeld des Projektes Schulbesuche statt.
Die Vorstellung der Kursteilnehmer wird angeleitet von einem Dozententeam mit dem Dramaturgen und Regisseur
Matthias Günther (Basel), dem Autor und Textbildkünstler Franz Mon (Frankfurt/Main), der Fotografin
Ille Oelhaf (Hamburg) und dem Theatermusiker und Regisseur Patrick Schimanski (München). Die Mitarbeiter
der Bundesakademie, sowie der Familienzirkus Sperlich werden ebenfalls ihre vielfältigen Erfahrungen mit
integrativer, offener und experimenteller Projektarbeit beisteuern.
Marion Mirwald
Anmeldeschluss für Kursteilnehmer ist der 26. Juli 2002. Weitere Informationen unter: Tel. 05331/808-411