[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2002/09 | Seite 4
51. Jahrgang | September
Cluster
Affenfelsen
Die Forschungsgruppe „Brunftverhalten“ liefert exklusiv
für unsere Rubrik zur „Rettung der Menschheit vor dem
Weg in die Kulturgesellschaft“ eine Kurzanalyse des ersten
direkten Aufeinandertreffens der Bewerber um die Maximalgunst des
chronischen Fernsehpublikums: Der erste Revierkampf auf dem Pavianfelsen
im Zoo Adlershof verlief überraschend aggressionsarm. Die Beisslust
des Beta-Primaten Edmund visualisierte sich allenfalls in gelegentlichen
Speicheltröpfchen auf der Unterlippe, während Alpha Gerhard
immerhin einmal deutlich die Zähne zeigte. Der Austausch ritualisierter
Grunz- und Knacklaute verlief diszipliniert, bei Edmund unerwartet
perlend – was ihm Reviervorteile verschafft haben mag. Gerhard
intonierte aus dem vollen Volumen eines prall gefüllten Brustkorbes
verhalten, während Edmund konsequent das Belüftungspotential
seines überlegenen Kehlsackes zum Einsatz brachte. Wenig überraschend
die Konfiguration der Brunft-Lappen: Mattrot bei Gerhard, laublau
bei Edmund.
Die Reaktion der Herde: Erkennbar gespalten, nur wenige Affen lausten
sich, gelegentlich wurde die Nahrungsaufnahme unterbrochen und gänzlich
auf Flüssigkeit umgestellt. Das gewohnte anschließende
Geschnatter der paarungsunfähigen Seniorinnen und Senioren
abseits der Herde hielt zwar stundenlang an, was freilich angesichts
der in Aussicht gestellten kleinen Belohnungs-Leckereien nicht wunder
nimmt. Alles in allem ein enttäuschendes erstes Zusammentreffen,
das wenig Hoffnung in eine mögliche evolutionäre Entwicklung
übrig lässt: Hinweise auf die Nutzung von Kulturtechniken
oder gar Ansätze zu einem präkulturellen Verhalten gab
es nicht. Fazit: Primatenunwürdig.