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nmz-archiv
nmz 2002/09 | Seite 14
51. Jahrgang | September
Deutscher Kulturrat
Letzte Trutzburg KMK
Ideologische Abrüstung in der Bildungspolitik?
In seiner Abschiedsrede im Deutschen Bundestag am 4. Juli 2002
plädierte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium
für Bildung und Forschung, Wolf-Michael Catenhusen (SPD) für
ideologische Abrüstung in der Bildungspolitik.
Seines Erachtens bieten die sowohl die Ergebnisse der TIMMS- als
auch der PISA-Studie die Chance die Grabenkämpfe zu überwinden
und eine konsistente Bildungspolitik zu entwickeln.
Hilfreich kann in diesem Zusammenhang eine nationale Bildungsberichterstattung
sein, die der eigenen Standortbestimmung dient, kontinuierliche
und systematische Informationen zum Bildungswesen liefert und gegenüber
dem Ausland ein gesamtes und differenziertes Bild des Bildungswesens
vermittelt.
Ganz und gar nicht auf Abrüstung sondern eher auf mannhafte
Verteidigung war die Präsidentin der Kultusministerkonferenz,
Ministerin Dr. Dagmar Schipanski, gestimmt. Nachdem sie zunächst
darauf verweist, dass die unionsregierten Länder im PISA-Ländervergleich
besser abgeschnitten haben als die SPD-regierten und gravierende
Unterschiede zwischen den Ländern bestehen, kommt sie zu dem
Schluss, dass nun aber die Kultusministerkonferenz die erforderlichen
Schritte eingeleitet hat und bereits längst die Erarbeitung
nationaler Bildungsstandards beschlossen hat.
Nicht den Blick nach innen sondern nach draußen sollten die
Bildungspolitiker nach Auffassung von Dr. Reinhard Loske (Bündnis
90/Die Grünen) richten. Maßstab für deutsche Bildungspolitik
darf nicht der Vergleich der Länder untereinander sondern das
Messen mit den erfolgreichsten Ländern in der Internationalen
PISA-Studie sein.
Als peinlich bezeichnet die Vorsitzende des Ausschusses für
Bildung und Forschung des Deutschen Bundestags, Ulrike Flach (FDP),
den derzeitigen Streit der Kultusminister, wer unter den blinden
der einäugige Kultusminister sei. Das Augenmerk sollte ihres
Erachtens viel mehr darauf gerichtet werden, wie Chancengleichheit
für Kinder und Jugendliche herzustellen ist.
Dr. Gerhard Friedrich (CDU/CSU) bringt in seinem Redebeitrag den
Kern der Ablehnung auf den Punkt, indem er sagt: „Bei anderen
Debatten waren wir uns doch bereits darüber einig, dass wir
nicht wollen, dass die Ministerpräsidenten zu reinen Verwaltungspräsidenten
der Länder und die Landtage zu reinen Petitionsausschüssen
werden”. Und genau hierin liegt eine der Ursachen für
die derzeitige hitzige Debatte um die Kulturhoheit der Länder.
Sowohl die Bildungs- als auch Kulturpolitik sind die letzten Rückzugsgefechte
der Länder, in denen sie ihre Eigenständigkeit verteidigen.
Ob so ideologische Abrüstung gelingen kann, sei dahingestellt.