[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2002/09 | Seite 14
51. Jahrgang | September
Deutscher Kulturrat
Zwangslizenzen zur Herstellung von Tonträgern
Neuer Regierungsentwurf zum Urheberrecht trägt den Forderungen
des Kulturrates Rechnung
Seit Beginn des vorigen Jahrhunderts war im nationalen wie im
internationalen Urheberrecht anerkannt, dass das so genannte mechanische
Recht als ausschließliches Recht dem Komponisten zusteht.
Ging es zunächst noch um die Vervielfältigung von Musikwerken
auf „mechanischen Musikinstrumenten”, so gewann dieses
Recht mit Einführung der Schallplatte und noch später
der CD enorme wirtschaftliche Bedeutung. Gleichzeitig mit dem Exklusivrecht
wurden aber auch rechtliche Mechanismen eingeführt, um zu verhindern,
dass Musikstücke nur in einer einzigen Version auf den Markt
kommen. Um solcher Monopolisierung vorzubeugen, wurde schon 1908
in die „Berner Übereinkunft“ zum Schutz von Werken
der Literatur und Kunst die Möglichkeit von Zwangslizenzen
für die Aufnahme musikalischer Werke auf Tonträger eingeführt
(Art. 13). Dieses System hat sich seither bewährt und so wurde
die Zwangslizenz zugunsten von Tonträgerherstellern 1965 auch
in das derzeit geltende Urheberrechtsgesetz übernommen (§
61), um damit der „Monopolbildung zugunsten einzelner Firmen”
vorzubeugen. „Es liegt ebenso im Interesse der Komponisten
wie der Allgemeinheit, dass für die Aufnahme auf Tonträger
der Wettbewerb mehrerer Hersteller offengehalten und damit das Streben
nach Vervollkommnung der Tonträger wachgehalten wird”,
befand der Gesetzgeber zu Recht.
Kein ersatzloser Wegfall
Erstaunlich ist, dass erst in jüngster Zeit auf nationaler
wie internationaler Ebene eine Diskussion entfacht wurde, ob dieses
seit fast 100 Jahren bewährte System aufrecht erhalten werden
soll. Im Rahmen der 1996 in Genf geführten Verhandlungen um
die Neugestaltung des internationalen Urheberrechts im Informationszeitalter
wurde seine Abschaffung abgelehnt. Umso überraschender war,
dass das Bundesjustizministerium 1999 in einem „Diskussionsentwurf“
für eine Urheberrechtsnovelle den ersatzlosen Wegfall der Zwangslizenz
vorsah. Schon damals hat der Deutsche Kulturrat einem solchen Vorschlag
entschieden widersprochen. Trotzdem war auch im Referentenentwurf
des Bundesjustizministeriums vom Februar 2002 vorgesehen, die Zwangslizenz
von § 61 ersatzlos zu streichen. Wiederum hat der Deutsche
Kulturrat hiergegen dezidiert Stellung bezogen (puk Juni/August
2002 S. 17). Dabei wurde insbesondere die Begründung für
den Vorschlag, die Zwangslizenz zur Tonträgerherstellung sei
nicht nötig, weil die entsprechenden Rechte ohnehin von der
GEMA wahrgenommen würden, widerlegt. Der Deutsche Kulturrat
hat überzeugend dargelegt, dass gerade wegen der „drohenden”
Zwangslizenz des § 61 die entsprechenden Rechte in die
Verwertungsgesellschaft eingebracht werden. Tatsächlich bestünde
ohne eine solche Regelung gerade heute die Gefahr einer Monopolisierung
gewisser Musikstücke, wird der Tonträgermarkt heute doch
von einigen wenigen international agierenden Konzernen (die Schallplattenproduktion
und Musikverlag in sich vereinen) beherrscht. Gerade heute muss
also die Zwangslizenz für mechanische Rechte aus kulturpolitischen
Gründen aufrecht erhalten bleiben. Es wäre in der Tat
eine Verarmung der Kulturlandschaft, würde künftig etwa
ein Evergreen nur noch in der Interpretation eines einziges Sängers
auf dem Tonträgermarkt existieren, würde z.B. ein Werk
der ernsten Musik nur noch in einer einzigen Fassung – etwa
durch den Komponisten selbst interpretiert – auf Schallplatte
erhältlich sein.
Der Deutsche Kulturrat hat auch dargelegt, dass die EU-Richtlinie
zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft die Abschaffung
dieser Zwangslizenz nicht notwendig macht. Es handelt sich insoweit
nicht um eine Beschränkung des mechanischen Rechts als Exklusivrecht,
sondern nur um eine Regelung seiner Ausübung. Um dies klarzustellen,
hat der Deutsche Kulturrat empfohlen, diese Zwangslizenz nicht mehr
im Kapitel „Schranken des Urheberrechts” zu behandeln,
sondern „an dogmatisch-richtiger Stelle (z.B. als § 44a)”.
Forderungen erfüllt
Im jetzt vorgelegten Regierungsentwurf zur „Regelung des
Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ vom 31. Juli
wurde erfreulicherweise den Forderungen des Deutschen Kulturrates
vollständig Rechnung getragen. Danach soll der bisherige § 61
unter Verzicht auf jegliche inhaltliche Änderungen als zukünftiger
§ 42a eingefügt werden, um dadurch „die richtige
systematische Zuordnung” zu verdeutlichen. Der Regierungsentwurf
betont, dass die Beibehaltung der bisher in § 61 enthaltenen
Zwangslizenz „aus kartellrechtlicher wie kulturpolitischer
Hinsicht” geboten ist. Diese Einsicht ist vorbehaltlos zu
begrüßen. Bleibt zu hoffen, dass in diesem Punkt der
Regierungsentwurf tatsächlich Gesetz wird.