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nmz-archiv
nmz 2002/09 | Seite 57
51. Jahrgang | September
Dossier: 50 Jahre VdM & Geschichte
der Kulturverbände
Wie sich das Denken immer noch ändert
Erinnerungen eines ehemaligen Musikschulleiters
Vielleicht glauben Sie es mir nicht, aber ich bin stolz darauf,
dass ich bis auf wenige Jahre das halbe Jahrhundert, in dem der
VdM nun existiert, aus ziemlicher Nähe habe erleben dürfen.
1950 hat der mit Wilhelm Twittenhoff befreundete Paul Nitsche in
Bergisch Gladbach eine „Singschule“ für den Rheinisch
Bergischen Kreis gegründet, die als Einstieg in eine voll ausgebaute
„Volksmusikschule“ gedacht war.
Leider war dieser Singschule trotz schöner Anfangserfolge
kein langer Bestand beschieden. Erst 1955 erscheint sie öffentlich
wieder als „Jugendmusikwerk“ oder „Volks- und
Jugendmusikwerk“ und schließlich als „Jugendmusikschule
des Rheinisch- Bergischen Kreises e.V.“. Die Kommunale Neugliederung
von 1975 führte zu ihrer Auflösung und zur Neugründung
unter anderem der Städtischen Max-Bruch-Musikschule (die feiert
ihrerseits in diesem Jahr ihr 25-jähriges Bestehen). Paul Nitsche
hatte mich 1950 als Dozent für eine Singklasse beschäftigt
und als einen seiner Dozenten nahm er mich zur Versammlungen mit,
die schon vor der Gründung des „Verbandes der Jugend-
und Volksmusikschulen“ stattfanden.
Indessen erstaunt es mich, wie wenig Erinnerung ich an diese Zeit
habe. Allerdings war ich noch sehr jung und konnte mich nicht wirklich
auf die Ziele und auf die Philosophie des im Entstehen begriffenen
Verbandes konzentrieren; erst 1951 begann ich Schulmusik zu studieren.
Natürlich war der Verband deutscher Schulmusikerzieher fortan
für mich wesentlich attraktiver. Vom VdM erfuhr ich nur mehr
sporadisch.
Als ich 1960 aber als Studienreferendar nach Neuß kam, hatte
ich sehr bald Zugang zum Kreis um Helmut Trott (und Dankwart Hallauer).
Trott lud mich ein, bei der Fortbildung von Grundschullehrern für
sein Schul- und Jugendmusikwerk mitzuarbeiten. Auf diese Weise fand
ich zum VdM zurück, und als ich 1964 nach Dormagen kam, richtete
ich einen privaten Musikunterricht ein, der mit 137 Instrumentalschülern
zum Kernstück der 1967 gegründeten Städtischen Musikschule
Dormagen werden sollte. 1976 verschlug es mich dann nach Bergisch
Gladbach.
Es ist interessant, wie lange es dauert, bis man sich ein solides
und wirklich zutreffendes Urteil über dieses oder jenes musikpädagogische
Konzept gebildet hat und welche Wandlungen man auf diesem Wege durchlebt
und wie sich das Denken in diesen Kategorien immer noch ändert.
Wenn ich mich frage, was das bewegende Motiv meiner Arbeit als Schulmusiker
und meiner Tätigkeit als Musikschulleiter war und welche Ergebnisse
meiner persönlichen Arbeit hier und dort beschieden waren,
muss ich eine Antwort schuldig bleiben. Aber: Meine musikantische
Neigung (als ein Element des Musikschulwesens betrachtet) hat mir
als Schulmusiker sehr genutzt. Meine Arbeit als Schulmusiker hat
mir aber auch unendlich viele Einsichten und Erkenntnisse zum Wohle
der Musikschularbeit gebracht.
Inzwischen ist wohl jedem klar, dass sich aus einer umfassenden
(auch akademischen) musikalischen Ausbildung und Bildung und gleichermaßen
aus einer umfassenden pädagogischen und psychologischen Vorbereitung
für das Musikschulwesen die wichtigsten Vorteile ergeben. Es
gibt keine Alternative zu einer zweckmäßigen Zusammenarbeit
zwischen allgemeiner Schule und Musikschule.
Dass Musikschulen zwischenzeitlich ein fachlich, konzeptionell
und formal so ausgeprägtes Selbstverständnis entwickelt
haben, ist zweifelsfrei das Verdienst des Verbandes deutscher Musikschulen
und seiner führenden Persönlichkeiten. Der Verband hat
mit seinem innovativen Wirken und mutigen Eintreten für Kultur
nicht allein seine Mitglieder auf einem guten Wege geführt,
er hat auch andere, verwandte Interessengruppen und Verbände
in seinen Sog gezogen und diese zum Nachdenken bewegen können.
Ich denke, dass es unter kultur- aber auch gesellschaftspolitischer
Sicht nicht als ausreichend bewertet werden kann, Musikerziehung
allein in allgemeinen Schulen zu veranstalten. Musikschulen sind
für die Gesellschaft unverzichtbar, auch dann, wenn diese Gesellschaft
die unbedingte Notwendigkeit des Bestehens von Musikschulen nicht
erkennt. Gleichwohl verdiente die Musikschule das entschiedene Befürworten
nicht, wenn sie vor lauter „Spaßmachen“ die Ernsthaftigkeit
und Konsequenz ihrer Ausbildungs- und Bildungsarbeit aus dem Auge
verlieren würde.