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nmz-archiv
nmz 2002/09 | Seite 54
51. Jahrgang | September
Dossier: 50 Jahre VdM & Geschichte
der Kulturverbände
Konkurrenz belebt Deutschlands Musikschulen
Wettlauf der Früherziehungskonzepte: Yamahas Kindermusikschulen
und ihre Folgen
1967 ging durch die Presse, die japanische Firma Yamaha beabsichtige,
in der Bundesrepublik Deutschland innerhalb zwei Jahren 2000 Kindermusikschulen
einzurichten. Ich war zu dieser Zeit Leiter der Musikschule Bochum,
Vorsitzender des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen und als solcher
Mitglied des Gesamtvorstandes. Das Kultusministerium von Nordrhein-Westfalen
hatte mich beauftragt, Musikschulen und Städte bei der Einrichtung
von Musikschulen zu beraten. Die damalige Referentin des Kultusministeriums
für Musik, wozu auch die außerschulische Musikerziehung
gehörte, Theater und Film, Marie-Therese Schmücker, eine
für die Musikschulen sich sehr engagierende Frau, rief mich
an und fragte, wie sich der VdM hierzu stellte, die Firma Yamaha
suchte ein Gespräch mit ihr.
Der Vorstand, mit Wilhelm Twittenhoff als Vorsitzendem, Diethard
Wucher als Geschäftsführer und die übrigen Vorstandsmitglieder
waren sich sehr bald darüber im Klaren, dass hier, mit enormen
finanziellen Mitteln bedacht, eine Gefahr für die auf kommunaler
Basis beruhende Musikerziehung im elementaren Bereich bestehe. Innerhalb
der Musikschulen war die Früherziehung bisher nur auf wenige
Schulen beschränkt und in der Durchführung höchst
uneinheitlich. Die Absicht der Firma Yamaha war, sich in Musikalienhandlungen
anzusiedeln und für den Unterricht Musiklehrer in speziellen
Kursen auszubilden.
Wir beschlossen, mit Vertretern der Firma in Kontakt zu treten
und vereinbarten ein Gesprächstreffen in München, an dem
von VdM-Seite Wilhelm Twittenhoff, Diethard Wucher, Eckart Rohlfs,
Hans-Joachim Vetter, Fritz Büchtger (als Leiter der Singschule
München) und ich teilnahmen. Es wurde uns ein Demonstrationsfilm
vorgeführt und wir konnten uns das umfangreiche Unterrichtsmaterial
ansehen. Wir hatten die – utopische – Absicht Yamaha
anzubieten, ihr Programm an den Musikschulen mit ihrer „Hardware“
(den Begriff gab es allerdings noch nicht) einzuführen, das
inhaltliche, methodische Konzept wollten wir entsprechend unseren
Vorstellungen erstellen. Der Vorschlag stieß ins Leere. Nach
drei Tagen trennten wir uns, ohne eine Einigung erzielt zu haben.
Wir beschlossen, ein eigenes Konzept in schnellst möglicher
Zeit zu entwickeln und zwar – da wir eine Menge vom Konkurrenten
gelernt hatten – wie dieser mit Lehrerband, Schülerheften,
Hörbeispielen auf Tonband, mit einer Tasche für die Kinder,
mit Elterninformationen und einem Tasteninstrument. Dem Trend der
Zeit folgend, sollte die Unterrichtsabfolge als Programm festgelegt
sein. Eine Autorengruppe unter der Leitung von Wilhelm Twittenhoff
und Diethard Wucher mit Lucie Steiner, Irmgard Benzing und Rainer
Mehlig entwickelte sukzessiv das Programm, das 1968 in die erste
Erprobungsphase ging.
Es fehlte ein dem Yamahavorbild entsprechendes elektronisches Tasteninstrument
und es fehlte der Ansprechpartner, Yamaha hatte das Monopol für
elektronische Instrumente. In Verhandlungen mit der Klavierindustrie
erklärte sich die Firma Schimmel bereit, ein Tasteninstrument
zu entwickeln, bei dem die Tonerzeugung mit elektrischer (nicht
elektronischer) Hilfe erfolgte. Entsprechend der Entwicklung der
ersten Autos entstand ein Monster, gleichzeitig Arbeitstisch und
Instrument, bei dem kleine Metallbolzen aus Spulen gegen Metallophonplatten
geschleudert wurden, wenn man mit einer Taste den Stromkreis schloss.
Die blau gestrichenen Instrumente wurden mit 220 Volt „betrieben“
und schwarze Kabel durchzogen den Klassenraum. Nach der Erprobungsphase
wurde dieses Ungetüm durch ein handlicheres – rotes –
Instrument ersetzt, bei dem die Tonerzeugung mechanisch auf direktem
Wege von der Taste zur Metallophonplatte erfolgte und das heute
noch in dieser Form zum „Curriculum Musikalische Früherziehung“
verwendet wird.
Die angekündigte Ausbreitung der Kindermusikschulen verlief
im Sande. In der Zeit, in der das „Programm Musikalische Früherziehung“
an den Musikschulen boomte, wurden vier Yamaha-Kindermusikschulen
eingerichtet.