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nmz-archiv
nmz 2002/09 | Seite 31
51. Jahrgang | September
Jeunesses Musicales Deutschland
Im Dialog der Kulturen: Orient meets Okzident
JMD veranstaltete mit „Stiftung Podium Junger Musiker“
1. Weikersheimer Begegnungen
Seit dem 11. September hat die Notwendigkeit eines Dialogs zwischen
den Kulturen eine erschreckend neue Aktualität bekommen. So
hat sich die Jeunesses Musicales Deutschland gemeinsam mit der „Stiftung
Podium Junger Musiker“ mit einem internationalen Musik-Projekt
an diesem Dialog beteiligt.
Das Konzept dieser „1. Weikersheimer Begegnung“ verfolgte
mehrere Ziele: Zum einen sollten traditionelle arabische und abendländische
Musik nicht nur einander gegenübergestellt, sondern auch mittels
eigens entwickelter Kompositions- und Improvisationsmodelle miteinander
verbunden werden. Die deutschen Stipendiaten sollten darüber
hinaus mit anderen Instrumenten, Spietechniken und Musikstilen vertraut
gemacht werden und gleichzeitig im (fast zweiwöchigen) alltäglichen
Zusammensein mit Musikstudenten aus fünf anderen Ländern
einen gewissermaßen „gelebten“ Dialog der Kulturen
praktizieren. Begleitende Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen,
die auch an die interessierte Öffentlichkeit gerichtet waren,
sollten einen tieferen Einblick in die Welt des Islam vermitteln.
Und schließlich sollte die Zusammenarbeit mit den verschiedenen
Medien zur Bekanntheit dieses Projektes über Weikersheim hinaus
beitragen.
Eingeladen zu diesem Experiment waren Musikstudierende aus ganz
unterschiedlichen Fachgebieten: abendländische und orientalische
Musik, Jazz, Klassik und Improvisation. Trotz der Schwierigkeiten,
die sich aus der organisatorischen Zusammenarbeit mit sechs Ländern
ergaben (nur drei der palästinensischen Teilnehmer erhielten
rechtzeitig eine Ausreisegenehmigung) waren insgesamt 34 Studenten
aus Palästina, Ägypten, Syrien, Libanon, Frankreich und
Deutschland in Weikersheim zusammengekommen. Sie wurden von sieben
Dozenten, ebenfalls Spezialisten verschiedener musikalischer Sparten,
betreut.
Westliche und orientalische Improvisationsworkshops boten die Möglichkeit
einer sehr freien Annäherung an die unterschiedlichen Stilrichtungen.
Auskomponierte Werke mit fest vorgeschriebenen Besetzungen standen
auf dem Programm. Der Komponist Houtaf Khoury hatte eigens für
„Orient-Okzident“ ein Werk geschrieben, das hier aufgeführt
wurde. Ein Concerto Grosso von Antonio Vivaldi gab libanesischen
Studenten Gelegenheit, ihr Können zu beweisen. Workshops zu
traditioneller arabischer sowie zu mittelalterlicher Musik machten
Parallelen und gemeinsame Ursprünge arabischer und europäischer
Musikkultur und deren unterschiedliche Entwicklungen deutlich. Das
Ergebnis dieser musikalischen Bemühungen wurde in einem Abschlusskonzert
vorgestellt.
Für Vorträge über Musikstile und Instrumentenkunde,
Diskussionen über Politik, Religion, Lebensbedingungen in den
einzelnen Ländern (Palästina) und für gemeinsames
Feiern bot der „Jeunesses-Keller“ im Schloss Weikersheim
die Atmosphäre, die für ein solches Projekt wünschenswert
ist und die vor allem von den ausländischen Gästen geschätzt
wurde.
Dem Projektziel entsprechend, auch ein breites Publikum am Dialog
der Kulturen teilhaben zu lassen, hielt die Islamwissenschaftlerin
Gudrun Krämer einen Vortrag: „Von Einheit und Vielfalt:
Der Islam als Religion und Lebensordnung“. Dabei führte
sie unter anderem aus, dass die Musik im Islam zwar keinen eigenständigen
Stellenwert im Sinne einer rein klerikalen Musik genieße,
daraus jedoch nicht auf eine grundsätzliche Ablehnung geschlossen
werden könne. Dies gelte für die Musik wie auch andere
Kunstformen, die im arabischen Raum blühten und auf Europa
einwirkten.
Die wünschenswerten Notwendigkeiten für einen deutsch-arabischen
Dialog zeigten Erhard Eppler (Bundesminister für wirtschaftliche
Zusammenarbeit a.D.), Botschafter Gunter Mulack (Islam-Beauftragter
des Auswärtigen Amtes) und Gudrun Krämer in einer Podiumsdiskussion
mit dem Titel „Arabisch-deutscher Dialog – Was ist zu
tun?“ auf. Dieser Dialog werde, so der Moderator Tono Eitel,
Mitglied im Vorstand der Stiftung Podium Junger Musiker, durch einen
ständig am Tische sitzenden „steinernen Gast“,
nämlich Israel, beschwert. Seit Don Giovanni sei bekannt, dass
auch steinerne Gäste ihre Interessen sehr wirksam zu vertreten
wissen. Mit Bezug auf den 11. September unterstrich Dr. Mulack die
Notwendigkeit, Schlagworte zu hinterfragen und sich mit den grundlegenden
Fragen des Dialogs mit 1,2 Milliarden Menschen islamischen Glaubens
zu beschäftigen. Dabei gehe es auch um Anerkennung der Leistungen,
die aus der arabischen Welt nach Europa gekommen sind. Erhard Eppler
forderte für einen deutsch-arabischen Dialog vor allem, Demütigungen
zu vermeiden.
Ergebnisse
Die grundlegende Konzeptidee – einen interkulturellen Dialog
auf der Basis des Mediums Musik zu führen – hat sich
bewährt, auch wenn es in der konkreten Umsetzung noch Details
zu verbessern gilt. Die gewonnenen musikalischen und menschlichen
Erfahrungen mit den ausländischen Gästen (das Bundesministerium
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, sowie die Landesstiftung
Baden-Württemberg hatten dies ermöglicht) sind Anlass,
in dieser Richtung fortzufahren.
Eine Dokumentation der Wortbeiträge ist in Vorbereitung und
wird mit Unterstützung der Arab Bank Frankfurt auch den musikalischen
Teil in CD-Form beinhalten. Interessenten für diese Dokumentation
können sich wenden an: Stiftung Podium Junger Musiker, Ruth
Jakobi (Geschäftsführerin), Marktplatz 12, 97990 Weikersheim,
Tel. 07934/99 36 66. e-Mail: jakobi@spjm.de