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nmz-archiv
nmz 2002/09 | Seite 30
51. Jahrgang | September
Jugend musiziert
Russische Winterimpressionen
Das „Trio Dimitri“ auf einer Gastspielreise nach
Moskau
Katharina Heutjer (geb.1981) aus Mössingen, Violine, Jonathan
Pesek (geb.1983) aus Tübingen, Violoncello und Sebastian Wienand
(geb.1984) aus Calw, Klavier, gaben auf Einladung der Deutschen
Botschaft in Moskau drei Konzerte im Rahmen des „1. Beethoven-Wettbewerbs
im Bereich der Kammermusik“, veranstaltet von der Beethoven-Schule
Moskau. Die Kosten für Reise, Unterkunft und Verpflegung wurden
vom Deutschen Musikrat übernommen. Im Folgenden der Bericht
von Katharina Heutjer.
Beinahe wäre das Cello am Zoll des Moskauer Flughafens hängen
geblieben. Erst nach einer Weile verstanden wir, was uns der russische
Zollbeamte mit Händen, Füßen und gebrochenem Englisch
– Deutsch – Russisch sagen wollte: Das Cello hat keinen
Zettel. Cellos ohne Zettel existieren nicht. Für nicht existierendes
Cello weder Ein –, geschweige denn Ausreise. Um diese überzeugende
logische Schlussfolgerung zu entkräften, fehlte uns vor allem
eines: die argumentative Kraft der russischen Sprache.
Zum Glück wurden wir aber kurz darauf von einer Mitarbeiterin
der Deutschen Botschaft in Moskau, deren Einladung wir gefolgt waren,
gerettet. Sie klärte das Missverständnis auf und wir konnten
einen wunderbaren, spannenden, überraschungsreichen Kurzaufenthalt
in Moskau beginnen. Als wir am 3. April ins Flugzeug nach Moskau
gestiegen waren, hatte keiner von uns dreien auch nur den Hauch
einer Vorstellung dessen gehabt, was uns erwarten würde. Auf
fünf Grad unter dem Gefrierpunkt und tänzelnde Schneeflöckchen
waren wir, durch das relativ sonnige deutsche Aprilwetter verwöhnt,
nicht auf Anhieb eingerichtet.
Olga, eine Deutsch sprechende russische Theaterwissenschafts-Studentin,
die uns von nun an durch Moskau begleiten sollte, beteuerte dagegen,
es sei richtig warm und wir hätten einen guten Zeitpunkt für
unsere Reise erwischt.
Olga machte uns bald mit dem Moskauer Brauch bekannt, jedes Privatauto
als Taxi zu verwenden: Jeder Moskauer kann sich einfach an die acht(!)-spurige
Straße stellen und ein Auto anhalten, um dann für zirka
einen Euro überall mit hinzufahren – was aber immer noch
viel teurer ist als die Moskauer Metro: ein Ticket kostet 5 Rubel,
umgerechnet etwa 0,7 Cent!
Am meisten faszinierte uns wohl die ungeheure Vielfalt an architektonisch
sehenswürdigen Gebäuden. Schon allein jede Metrostation
wäre eine Besichtigung wert - oftmals mit Marmor verkleidete
Wände und goldverziert, kaum einer der Bahnhöfe, die wir
sahen, glich dem anderen.
Wir spielten in Moskau drei Konzerte im Rahmenprogramm des dortigen
„1. Beethoven-Wettbewerbs im Bereich der Kammermusik”,
am 4. April in der Beethoven-Musikschule Moskau, am 6.April im Moskauer
„Fond Kultury” und am 7. April im Rachmaninow-Saal des
Moskauer Konservatoriums. Es handelte sich um alte, teils sehr schöne
Säle mit guter Akustik und um ein sehr freundliches, begeistertes,
spürbar warmherziges Publikum, für das zu konzertieren
großen Spaß machte, – auch wenn es sicherlich
zum Überlebenstraining für Musiker gehört mit eiskalten
Händen Konzerte zu spielen... Die dortigen musizierenden Jugendlichen
gingen mit gutem Beispiel voran – alles Gewöhnungssache!
Überhaupt war es eindrucksvoll, wie viele Möglichkeiten
zum Austausch mit dortigen Musikschülern und -studenten bestanden:
Nach jedem Konzert trafen wir Jugendliche, die auch Musik studierten,
konnten uns mit vielen auf Deutsch oder Englisch unterhalten, wurden
sogar zum Feiern eingeladen und verbrachten einen sehr lustigen
Abend mit Studenten des Moskauer Konservatoriums, der uns Einblicke
in das dortige Studentenleben verschaffte.
Ob es an der Moskauer Luft, der Schnelllebigkeit der Stadt oder
den faszinierenden Gebäuden gelegen haben mag – es wird
wohl eine Mischung aller Faktoren gewesen sein – die Woche
in Moskau zog wie im Rausch an uns vorbei und als wir uns plötzlich
benommen im Flugzeugsessel Richtung Deutschland wiederfanden, zum
Bersten angefüllt mit neuen Eindrücken und Erfahrungen,
waren wir uns einig: Diese Woche würde sich unvergesslich in
unserer Erinnerung breit machen, hat sie uns doch auch in der Flexibilität
und im Zusammenhalt unseres Ensembles enorm bereichert.
Ein riesiger Dank geht von unserer Seite an den Deutschen Musikrat
und die Deutsche Botschaft in Moskau, deren Zusammenwirken uns diese
Reise möglich machte.