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nmz-archiv
nmz 2002/09 | Seite 35
51. Jahrgang | September
Landesmusikräte
Landesmusikrat Niedersachsen
Gezielte Förderung für besondere Talente
Popstipendium Niedersachsen/Bremen
Die Klagen sind nicht neu, und man hört sie seit langem in
Niedersachsen und Bremen genauso wie in anderen Bundesländern:
Der besonders qualifizierte Rock- und Popmusiknachwuchs hat es schwer,
sich ein Stückchen des heimischen Tonträgermarktes, der
immerhin als zweitgrößter der Welt gilt, zu sichern.
Übermächtig ist die Dominanz angloamerikanischer Popmusik
in den Medien und in den Vermarktungsstrategien der Musikwirtschaft,
und das hindert deutsche Talente häufig genug, sich künstlerisch
eigenständig und wirtschaftlich erfolgreich im eigenen Land
zu etablieren. So konkurriert heute eine große Zahl künstlerisch
durchaus wettbewerbsfähiger Acts um winzige Marktnischen, die
kaum professionelle Perspektiven bieten. Es mangelt bundesweit an
zwar zeitlich begrenzten, aber gezielten Förderprogrammen auf
höchstem Niveau, wie sie zum Beispiel bei der Begabtenförderung
im Bereich der Ernsten Musik seit vielen Jahren mit einigem Erfolg
praktiziert werden.
Mit dem „Popstipendium Niedersachsen/Bremen“ gehen
die beiden Bundesländer seit 1994 einen gemeinsamen Weg in
der Spitzenförderung popmusikalischer Talente, der so erfolgreichen
Bands wie den „Guano Apes“ und „Eat No Fish“
aus Göttingen, „Hyperchild“ und „Sonnit“
aus Braunschweig oder auch „Vivid“ aus Salzgitter den
Sprung ins „Business“ ermöglicht oder zumindest
erleichtert hat. Das „Popstipendium Niedersachsen/Bremen“
ist mit 35.000 Euro dotiert und wird den Siegern des stilistisch
offenen „New Sensation“-Wettbewerbs des niedersächsischen
Privatradios radio ffn verliehen.
„New Sensation“ und „Popstipendium“ zielen
ganz bewusst auf die Auswahl potenziell marktfähiger Künstlerinnen
und Künstler, um ihnen ein Umfeld zu schaffen, das den Zugang
zum Markt erleichtert. Als Beleg dafür steht – ganz abgesehen
vom beeindruckenden internationalen Erfolg der “Guano Apes”
(Popstipendiumsgewinner von 1996) – die Bereitschaft großer
Schallplattenfirmen, namhafter Produzenten und etablierter Musikverlage,
nicht nur die Sieger sondern auch eine Reihe von viel versprechenden
Teilnehmerbands unter Vertrag zu nehmen oder mit ihnen mittelfristig
an marktfähigen künstlerischen Entwürfen zu arbeiten.
Das Förderkonzept steht erkennbar für Qualität und
Glaubwürdigkeit, es vermittelt den beteiligten Künstlern
jenes Maß an medialer Aufmerksamkeit, das sie aus der Masse
des Angebots heraushebt und damit für Talentscouts der Musikwirtschaft
erst sichtbar werden lässt.
Die Fördermittel des Popstipendiums machen es möglich,
in einem hervorragend ausgestatteten Tonstudio unter Anleitung eines
mit dem jeweiligen Genre vertrauten Toningenieurs und in künstlerischer
Auseinandersetzung mit einem erfahrenen Produzenten ohne direkten
Kostendruck arbeiten zu können. Insofern stellt das Popstipendium
ein Arbeits- bzw. Produktionsstipendium dar, das weniger Ergebnis
als vielmehr Prozess orientiert ist. Parallel zur Studioproduktion
kümmern sich die Betreuer um die wichtigen Business-Kontakte
und bemühen sich, für die Stipendiaten ein angemessenes
professionelles Umfeld zu schaffen. Nicht immer gelingt das auf
so erfolgreiche Weise wie mit den „Guano Apes“. Mit
ihnen gelang es erstmals, eine Band direkt aus einem Wettbewerb
heraus zu „breaken“ – und nicht nur das: Das Debüt-Album
der Apes ist mit weltweit mehr als einer Million verkaufter CDs
der erfolgreichste Newcomerstart in der deutschen Rockgeschichte
überhaupt. Die Entwicklung der Band ist eine einzigartige Erfolgsstory
und ein Musterbeispiel dafür, wie kluge Förderung traumhafte
Karrieren in Gang bringen kann. Der Wettbewerb selber gilt damit
weiterhin – sowohl was seine Bedeutung für die “Szene”
als auch seine Akzeptanz innerhalb der Musik- und Medienwirtschaft
betrifft – als wichtigster seiner Art im Bundesgebiet.
Ein weiteres Erfolgsgeheimnis: Von Anfang an wurde besonderer
Wert auf eine funktionierende und tragfähige “Public
Private Partnership” gelegt. Bei der Gestaltung von Wettbewerb
und Popstipendium arbeiten so unterschiedliche Institutionen wie
Banken, Radiosender, Stiftungen, Verbände und nicht zuletzt
die Landesregierungen von Niedersachsen und Bremen gleichsam Hand
in Hand. Gemeinsam mit der Sparda Bank Hannover bewirbt und organisiert
radio ffn den Wettbewerb, dessen fünf Live-Veranstaltungen
von der Niedersächsischen Lottostiftung großzügig
bezuschusst und von den Landesmusikräten Niedersachsen und
Bremen inhaltlich begleitet und fachlich unterstützt werden.
Das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und
Kultur und der Bremer Senat stiften (zu ungleichen Teilen) das „Popstipendium
Niedersachsen/Bremen“ als Siegerpreis, für dessen Organisation
der Rockreferent beim Landesmusikrat Niedersachsen verantwortlich
ist.
Die Künstlerinnen und Künstler bewerben sich mit Demoaufnahmen,
die von einer Fachjury bewertet werden. Die von der Jury für
die Wettbewerbskonzerte ausgewählten Ensembles werden im Programm
von radio ffn vorgestellt und nehmen an den vier regionalen Vorentscheidungen
teil, wobei sich je eines für das große Finale qualifiziert.
Darüber hinaus werden gestaffelte Geldpreise vergeben, insbesondere
auch ein „Publikumspreis“, dessen Gewinner durch das
jeweilige Votum des Publikums vor Ort ermittelt wird.
Das komplexe kooperative Konzept von Wettbewerb und Popstipendium
ist bundesweit einzigartig und hat zweifellos zur großen Akzeptanz
des Wettbewerbs im Norden beigetragen. Immerhin lagen die Bewerberzahlen
in den vergangenen Jahren dauerhaft hoch zwischen 500 und 1000 Ensembles.
Es gelang bis heute, einer ganzen Reihe von Künstlerinnen und
Künstlern den Weg in das schwierige „Pop Business“
zu ebnen und ihnen eine professionelle Perspektive zu eröffnen.