[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2002/09 | Seite 13
51. Jahrgang | September
Medien
Radio Berlin-Brandenburg – was blüht uns da?
Zur geplanten Fusion des Senders Freies Berlin und des Ostdeutschen
Rundfunks Brandenburg
Anstelle des Deutschen Sinfonieorchesters oder der Berliner Philharmoniker
werden im zukünftigen gemeinsamen Kulturradio das Brandenburger
Kammerorchester oder das Frankfurter (Oder) Staatsorchester zu hören
sein. Statt Multikulti und Berlin-Kultur erleben wir sorbische Volksmusik
oder Vogelgezwitscher aus den Naturreservaten der Uckermark.
Und im Fernsehen nur noch Stadl-Musik aus Diedersdorf und DDR-Comedy-Oldies.
So oder ähnlich stellen sich die Gegner des Zusammengehens
der beiden Sendeanstalten die öffentlich-rechtliche Zukunft
von Rundfunk und Fernsehen in Berlin-Brandenburg vor. So aber wird
es sicherlich nicht kommen! In beiden Anstalten gibt es qualifizierte
Mitarbeiter/-innen, die in der Lage sein werden, gute und aktuelle
Programme unter Qualitätsgesichtspunkten zu gestalten und die
Chance eines Neuanfangs zu nutzen.
Kritischer zu sehen ist der Aktionismus, mit dem die politisch
Verantwortlichen beiderseits mit großem Zeitdruck die Fusion
vorantreiben, ohne auf die komplizierte Materie im Einzelnen die
notwendige Rücksicht zu nehmen.
So verwundert es nicht, dass der als Rechtsgrundlage für die
Fusion notwendige Staatsvertragsentwurf innerhalb von vier Monaten
mehrmals in wesentlichen Teilen geändert wurde und das Ergebnis
aus der Sicht der Betroffenen – Mitarbeiter/-innen beider
Sendeanstalten – und auch der „gesellschaftlich relevanten
Gruppen“, die im Rundfunkrat die Gebührenzahler möglichst
repräsentativ vertreten sollen, bis jetzt unbefriedigend geblieben
ist.
So sind in dem 30-köpfigen Rundfunkrat (SFB bisher 31 einschließlich
Verwaltungsrat, ORB bisher 27+7 Verwaltungsrat) nur zwei Vertreter/-innen
für das kulturelle Leben vorgesehen: einmal die Akademie der
Künste Berlin-Brandenburg und einmal für vier Verbände
zusammen, nämlich je Berliner und Brandenburger Landesmusikrat
sowie Filmverband, was in der Praxis bei vierjähriger Wahlperiode
bedeuten kann, dass (bei Einigung) jeder Verband einmal in 16 Jahren
das Delegationsrecht bekäme.
Wo bleiben aber die anderen Bereiche von Kultur und Kunst? Als
Politiker sind nur sieben Mitglieder der Regierungsfraktionen in
den Landesparlamenten vorgesehen (damit wird die „Staatsferne“
symbolisiert). Die Grünen fallen damit vorerst heraus! Die
20.000 in Brandenburg lebenden Sorben sollen einen Sitz erhalten,
die 500.000 Ausländer in Berlin (Brandenburg?) werden durch
den/die Ausländerbeauftragte/-n (letztlich auch eine politische
Funktion).
Verschlechterungen gibt es im Personalvertretungsgesetz, dem Redakteursstatut,
durch die Abtrennung des Verwaltungsrates vom Rundfunkrat (keine
Rückkoppelung und Kontrolle mehr möglich), durch ein zweidrittel-
Quorum bei der Wahl des neuen Intendanten und einiges mehr. Willy
Brandt’s Aufruf „Mehr Demokratie wagen“ ist in
der Rot-roten Koalition untergegangen.
Haushalts- und neue Programmstrukturen sind noch weitestgehend unklar.
Dennoch: der zwischen den Staatskanzleien in Berlin und Brandenburg
ausgehandelte Fusionsvertrag soll bislang eines der (wenigen) gemeinsamen
Projekte der Ära Wowereit sein. Bleibt zu hoffen, dass auf
dieser Basis eine zukunftsorientierte Sendeanstalt aufgebaut werden
kann, die in der ARD und vor allem bei den Gebührenzahlern
in beiden Bundesländern eine echte Chance hat.
Klaus-Jürgen Weber, Vizepräsident des
LMR Berlin, ist Mitglied im Rundfunkrat des SFB und Vorsitzender
von dessen Programmausschuss