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nmz-archiv
nmz 2002/09 | Seite 6
51. Jahrgang | September
Musikwirtschaft
Leidenschaftliches Sammeln
Das Berliner Forum „Financing the Arts“ zu Fragen
der Kulturfinanzierung
Eins steht fest: Fundraising ist vor allem Beziehungsarbeit. Die
Referenten und Referentinnen des 4. Berliner Forums für Kultur-
und Medienmanagement „Financing the Arts“ im Jüdischen
Museum Berlin im Mai benutzten einmütig Begriffe aus dem Umfeld
der Partnersuche. Vom Umwerben war die Rede, Felder der Liebe sollten
kreiert werden. Mehrfach wurde das Publikum aufgefordert, sich endlich
in den Partner hineinzuversetzen. Doch die zweitägige Veranstaltung
bot mehr als Beziehungsberatung: Im Jüdischen Museum Berlin
fand ein spannender Gedankenaustausch hochkarätiger Referenten
zur Problematik zukünftiger Kulturfinanzierung statt.
Mit seinem Vortrag zur „Kulturpolitik in Zeiten leerer Kassen“
eröffnete Christoph Stölzl den Kongress. In gewohnt charmanter
Manier verabreichte der CDU-Politiker den anwesenden Kulturmanagern
einige bittere Pillen. Das ewige Kulturklagen über zu wenig
Geld sei ein notorisches Übel. Kultur solle sich wieder der
Frage der Legitimation stellen. Nach einem schnellen Rundumschlag
zu den Krankheitssymptomen der staatlichen Kulturfinanzierung seit
der Ära Kohl stellte Stölzl die Diagnose: Die Versteinerung
des Sozialstaats habe auch die Kultur befallen. Sie leide unter
einer strukturellen Lähmung, eine Kürzung der Subvention
könne sie nicht mit flexiblen Arbeitsverträgen auffangen.
Ein Rezept gegen leere Kassen sei nicht vorhanden. Als Therapie
verwies Stölzl nochmals auf Legitimation, Evaluation und ein
daraus folgendes Ranking.
Nur was unverzichtbar und einzigartig sei, könne gefördert
werden. Das ließ so manche Frage offen. Evaluation im wirtschaftlichen
Teil der Kulturinstitutionen in allen Ehren – aber wie bewertet
man die Güte von Kunst? Wer ist kompetent für diese Aufgabe?
Wie leicht wiegen Expertengutachten oft angesichts haushaltspolitischer
Wirbelstürme. Zeigt das Festspielhaus Baden-Baden den staatlich
subventionierten Opern und Konzerthäusern, wie man kostendeckend
Hochkultur macht? Intendant Andreas Mölich-Zebhauser verneinte.
Die Bilanz des Festspielhauses kann sich immerhin sehen lassen:
Das ungewöhnliche Finanzierungsmodell einer privaten Trägerstiftung
brachte nach dem missratenen Beginn das Baden-Badener Schlachtschiff
wieder auf Erfolgskurs. Seit 2002 verweist das Festspielhaus stolz
darauf, ohne staatliche Subventionen im Betrieb auszukommen. Doch
die Bedingungen in Baden-Baden sind einfach anders: Das Festspielhaus
hat als Gastspielbühne kein eigenes Ensemble. Ein schlanker
Personalstamm von 55 fest angestellten Mitarbeitern reicht aus.
Dem stehen die Personalheere eines normalen Opernhauses gegenüber,
die den Löwenanteil des Etats beanspruchen. Doch vom Management-Know-How
und den Fundraising-Erfahrungen können nach Mölich-Zebhauser
auch andere Institutionen lernen. Wer erfolgreich sein wolle, müsse
ausreichend in den Marketing-Bereich investieren. Wichtig seien
schlanke Strukturen, engagiertes Personal und vor allem effektives
Controlling. Großen Anteil an dem heutigen Erfolg hat die
ungewöhnlich hohe private Förderung: Spenden und Sponsoring
machen 25 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Gold wert sei das Förderkonzept
mit abgestuften Beitragssystemen nach amerikanischem Vorbild: Vom
geringen Einstiegsbetrag für Erstspender bis zu den Großspendern
werden unterschiedliche Förderstufen angeboten. Wie wagt man
sich am besten an Spender heran? Begeisterung ist alles. Entscheidungsträger
sind nach Mölich-Zebhauser häufig Frauen. Und: „Fragen
Sie immer nach dem doppelten Betrag!“.
Das Thema Sponsoring vertiefte Michael Haefliger vom Lucerne Festival.
Das sehr erfolgreiche Festival erhält ebenfalls nur eine minimale
staatliche Unterstützung von drei Prozent. Die über 50
Sponsoren und der Freundeskreis erbringen 37 Prozent des Budgets.
Was bekommt ein Sponsor des Lucerne Festivals für sein Geld?
Neben der üblichen Werbung in den Programmheften und prioritärer
Ticketbuchung ist die individuelle Beratung besonders wichtig. So
entstehen mitunter auch ungewöhnliche Kooperationen: Ein Konzert
zum Thema „Verführung“ wird mit dem besonderen
Duft eines Sponsors aus der Kosmetikbranche besprüht. Doch
auch in Luzern ist zeitgenössiche Musik nach Haefliger „eindeutig
schwerer zu vermitteln“.
Der zweite Tag des Forums gehörte den Museen: Ken Gorby sprach
mit Begeisterung über Vision und Werte des Jüdischen Museums
Berlin. Das genaue Ausformulieren und Durchdenken der Prinzipien
sei die Grundlage für erfolgreiche Managementstrategien.
Das Prinzip „Life – not just Death“ verleiht
der Ausstellung eine Vielzahl von Schwerpunkten jüdischer Geschichte
in Deutschland auch jenseits des Holocausts. Die ungewöhnlich
freundlichen Servicekräfte des Jüdischen Museums sind
die Folge des Prinzips Besucherorientierung. Living the vision –
das geht allerdings auch im Jüdischen Museum Berlin nur mit
regelmäßigem Training der Mitarbeiter. Anschließend
stellte Klaus Siebenhaar das Fundraisingkonzept des Jüdischen
Museums vor. Als Ziele setzt sich das Museum einen Fonds von 100
Millionen Mark, einen potenten Förderkreis und ein Fördersystem
mit abgestuften Mitgliedschaften. Diese Ziele verfolgt die Development-Abteilung
mit Raffinesse: Um möglichst viele Mitglieder in den Rahel-Varnhagen-Kreis
zu locken, platzierte das Fundraising-Team einen „strategischen
Flop“. Die niedrigere Förderstufe kostet zwar nur die
Hälfte, dies aber jährlich. Da der Beitrag für den
Rahel-Varnhagen-Kreis einmalig ist, zählen viele Interessenten
zwei und zwei zusammen und wählen sofort die höhere Stufe.
Doch Spender bieten weit mehr als Geld: Prominente und Unternehmer
helfen als „Door-Opener“ dem Museum beim Knüpfen
des Kontaktnetzes.
Kendall Hubert bot als Leiterin des Corporate Development des Guggenheim
Museums Einblicke in das amerikanische Fundraising. Über 18
Millionen US-Dollar wirbt das Guggenheim Museum jährlich ein.
Diesem immensen Betrag liegt die Strategie „Art is for the
people“ zugrunde. Die Guggenheim Museen wollen bilden, informieren,
aber auch unterhalten. Firmenveranstaltungen in den architektonischen
Juwelen der Museen sind teuer bezahlte Events. Aber auch Privatpersonen
sind wichtig: Für das Projekt des neuen Museums in New York
spendete ein Förderer über 200 Millionen US-Dollar. Da
verriet sogar Kendall Hubert‘s Stimme staunenden Respekt.
Doch bei der Einstellung zum Geld-Einwerben liegt zwischen der Neuen
und der Alten Welt mehr als ein Ozean: Ob es nicht schwierig und
unangenehm sei, um Geld zu bitten, so die Frage einer Zuhörerin.
„Warum denn“, die erstaunte Antwort. „Wir geben
Ihnen doch, was Sie haben wollen.“