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nmz-archiv
nmz 2002/09 | Seite 7
51. Jahrgang | September
Musikwirtschaft
Ungewohntes, aber angenehmes Spielgefühl
Steingraeber stellte die „Bamberger Rolle“ in Nürnberg
vor
Am 19. Juli lud die Klaviermanufaktur Steingraeber im kleinen
Saal der Nürnberger Meistersingerhalle zu einer Vorstellung
des neuen Konzertflügels E 272. Im Rahmen eines Konzertes mit
der Pianistin Susanne Strauss und dem Bamberger Kammerorchester
sollte – wie bereits am 14. Juli in Bamberg – eine neuartige
Flügelmechanik, die „Bamberger Rolle“ vorgestellt
werden. Der Besucher erhoffte sich, eingehende Informationen über
die neuartige Erfindung zu erhalten sowie die Möglichkeit,
den Flügeklang im Konzert akustisch zu überprüfen.
Susanne Strauss brillierte
mit Mozarts Klavierkonzert Es-Dur. Foto: nmz
Im Vorraum zum kleinen Saal der Meistersingerhalle konnten die
Besucher bei Interesse an einem Vorführmodell ihre eigenen
Erfahrungen mit Spielgefühl und Realisierbarkeit klanglicher
Wünsche machen. Das Angebot wurde gerne und zahlreich angenommen.
Hilfreich war auch ein Modell der neuen Mechanik, sowie die Möglichkeit,
dem Erfinder Josef Meingast vor Ort Fragen zu stellen: Als „Rolle“
bezeichnet man einen kleinen Zylinder, der unbeweglich am Stiel
des Hammers befestigt ist und den Kontakt zu Stoßzunge und
Repetierschenkel herstellt. Herr Meingast, ehemaliger Werkstattchef
der Klavier- und jetzigen Cembalomanufaktur J.C. Neupert in Bamberg,
hat dieser Rolle, nun ihrem Namen entsprechend, mit seiner Neukonstruktion
Drehbarkeit um die eigene Achse verliehen. Vielversprechend war
der erste Eindruck des Abends. So war die Überraschung vieler
„Tastentester“ groß: Tatsächlich war das
Spielgefühl ungewohnt, aber angenehm. Die Tasten können
sehr schnell ausgelöst werden ohne dass der Spieler Gefahr
läuft, die Kontrolle über die Finger zu verlieren. Die
Bandbreite der dynamischen Möglichkeiten ist erstaunlich groß.
Die Erzeugung leisester Töne, die auf herkömmlichen Flügeln
nur – wenn überhaupt – von großen Tastenvirtuosen
realisiert werden können, fallen plötzlich spielend leicht
und eröffnen ganz neue Differenzierungsmöglichkeiten.
So weit so gut. Man war gespannt auf den weiteren Verlauf des Abends.
Das Konzert begann mit Edvard Griegs „Aus Holbergs Zeit“
gespielt vom Bamberger Kammerorchester unter der Leitung von Harald
Orlovsky. Stellt sich die Frage, warum dieses Werk in Orchesterfassung
an einem Abend gespielt wurde, an dem es doch um eine Neuerung in
der Klaviertechnik gehen sollte.
Die „Fantasie für Klavier und Orchester a-Moll“
konnte ebenfalls wenig überzeugen, fehlte es doch an der nötigen
Balance zwischen Orchester und Klavier. Die Klavierpassagen wurden
leider häufig vom Orchester überdeckt oder waren zu vorsichtig
gespielt, wobei die trockene Raumakustik sicher ihr Übriges
tat. Letztes Werk vor der Pause war die „Serenata notturna“
KV 239 von Wolfgang Amadeus Mozart. Harald Orlovsky dirigierte souverän
und überzeugend, das Orchester, das mit vielen jungen Nachwuchskünstlern
besetzt war, setzte seine Ideen engagiert um. Doch auch dieser Programmpunkt
ließ wiederum wenig Zusammenhänge mit dem eigentlichen
Thema des Abends erkennen.
Schließlich wurde das Publikum nach der Pause doch noch für
das lange Warten entschädigt. Susanne Strauss demonstrierte
mit großer Flexiblität im Anschlag mit dem Klavierkonzert
Es-Dur „Jeunehomme“ KV 271 von Wolfgang Amadeus Mozart,
was der neue Flügel zu leisten vermag. Die Modulationsfähigkeit
des Flügeltons war auffällig, das Zusammenspiel zwischen
Orchester und Pianistin wurde nun sensibel ausbalanciert.
Die Förderung junger Künstler im Bamberger Kammerorchester
sowie der jungen Pianistin Susanne Strauss ist begrüßenswert.
Einführende Worte des Erfinders der Bamberger Rolle zu Beginn
des Konzertes und ein Konzertprogramm mit Klavierwerken, auch für
Klavier solo, aus allen Epochen – eben gerade auch aus der
Barockzeit und der Moderne – hätte dem Konzertbesucher
einen differenzierten Einblick in die Möglichkeiten und Grenzen
des Konzertflügels E 272 erlaubt.
Marion Mirwald
Klangcharakter mit grenzenlosen Möglichkeiten
Festakt mit Konzert zum 150-jährigen Bestehen von Steingraeber
& Söhne
Am 24. Juli fanden in Bayreuth die Feierlichkeiten zum 150-jährigen
Firmenjubiläum der Klaviermanufaktur Steingraeber & Söhne
statt. Neben dem offiziellen Festakt im Bayreuther Rathaus spielte
der international renommierte Pianist Cyprien Katsaris am Abend
ein Konzert im Markgräflichen Opernhaus. 500 Besucher, darunter
Händler, Pianisten, Politiker aus Bundestag, Landtag und Region
sowie Vertreter des kulturellen Lebens, hatten sich zum Jubiläumstag
eingefunden. Der Maler und Regisseur Henning von Gierke verfremdete
das Steingrae-ber-Haus mit seinem Bilderzyklus „Spiegelungen“.
Im Mittelpunkt der Feierlichkeiten aber stand der neue Steingraeber-Konzertflügel
E 272, auf dem Katsaris am Abend Werke von Grieg, Wagner, Liszt
und Schubert aufführte. Besonderes Merkmal des Flügels
ist eine Neuerung in der Flügelmechanik, die als „Bamberger
Rolle“ bezeichnet wird.
Diese Neuentwicklung steht repräsentativ für die 150-jährige
Firmengeschichte der Klaviermanufaktur: Nach ersten Werkstätten
um 1820 in Arnshauck, Neustadt (Klavierwerkstatt Gottlieb Steingraeber)
und Rudolstadt Thüringen (Orgelwerkstatt Christian Steingraeber)
fand die Klaviermanufaktur Steingraeber schließlich am 17.
August 1852 ihren festen Sitz in Bayreuth, wo Eduard Steingraeber
das Bürger- und Gewerberecht in Bayreuth erteilt wurde. Von
diesem Zeitpunkt an machten die Steingraebers mit Neuentwicklungen
und fortschrittlicher Forschung auf sich aufmerksam. Seit 1876 lieferten
sie Instrumente an die Wagner-Festspiele und entwickelten im Laufe
der langen Firmengeschichte zahlreiche neue Flügelmodelle (z.B.
Pianos 130 K, 130 PS, 138 und Flügel 168, 205) und gewannen
zahlreiche Auszeichnungen („Diapason D´or“, mehrfach
den „Choc“, sowie den „Innovationspreis für
die erste keramikbelegte Tastatur“).
Inwieweit sich der neue Flügel E 272 mit der „Bamberger
Rolle“ in großen Konzertsälen durchsetzen kann,
ist noch offen. Cyprien Katsaris jedenfalls schrieb ins Gästebuch
der Manufaktur: „Der neue E 272 ist ein echtes Meisterwerk,
er hat einen einzigarten Klangcharakter mit grenzenlosen Möglichkeiten
(...) die Mechanik ist unglaublich angenehm zu spielen (...) dieses
Instrument ist ein echter Glücksfall (...)!“