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Ausgabe 2002/09
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nmz 2002/09 | Seite 29
51. Jahrgang | September
Pädagogik

Hörend Anteil haben am Schöpferischen

Musik als kommunikativer Prozess: Ein Kongress der Jeunesse Österreich in Wien

Was hören wir eigentlich, wenn wir etwas hören? Wie kommt Musik ins Gehirn? Ist Musik eine Sprache? Und was teilt sie uns mit? Diese und noch viele andere Fragen drängen sich auf, wenn man versucht, über Musik und Hören nachzudenken – beim international besetzten Jeunesse Symposium „Der schöpferische Augenblick – Musik als kommunikativer Prozess“, das vom 22. bis 23. Juni 2002 im Wiener Konzerthaus stattfand, schaffte es eine hochkarätige Runde von Referentinnen und Referenten, mit „diesen und noch vielen anderen Fragen“ die möglicherweise aufkommenden Badesehnsüchte einer hitzegeplagten Zuhörerschaft völlig außer Frage zu stellen: man blieb und hörte zu.

Und man hörte Vieles zum Thema „Hören“ in den Vorträgen und Diskussionen, die mit philosophischer, soziologischer, theologischer, kulturpolitischer, musikwissenschaftlicher und praktischer Ausrichtung den Spuren des „schöpferischen Augenblicks“ folgten. „Ist von Musik hören die Rede, wird in der Regel die Frage nach der Situation, in der Musik gehört wird, ebenso vernachlässigt wie die nach dem Anteil des Hörenden am schöpferischen Prozess selbst“ – so etwa der Philosoph Konrad Paul Liessmann in seinem Referat „Die Kunst des Hörens“. „Merkwürdig unbestimmt“ sei die Frage nach dem ästhetischen Zusammenhang zwischen dem Erklingen eines musikalischen Werks, einem aufnahmebereiten Ohr und einer spezifischen Hörsituation.

Kriterien des Hörens

Musik ist Kommunikation. Musik ereignet sich immer in einer spezifischen Situation. Was aber sind nun die Kriterien des Hörens? Über hörphysiologische Zusammenhänge können die Naturwissenschaften Aufschluss geben – bei der Frage aber nach den Mechanismen des Hörens, nach dem Entstehen von Musik im Kopf, stoßen auch sie auf Geheimnisse. Relativität der Wahrnehmung oder Subjektivität von Wirklichkeit – was ist wahr, was ist wirklich und was ist kreativ dabei? Der Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer präsentierte in seinem Beitrag „Die erschaffene Wirklichkeit“ Erkenntnisse und Gedanken zu jenen „Beziehungen zwischen den Tönen, die das Ohr erreichen und der Beobachtung nicht zugänglich sind.“

Die „Bausteine“ der menschlichen Situation sind es, die für die Wahrnehmung und Interpretation eines musikalischen Erlebnisses von grundlegender Bedeutung sind, ergänzte etwa der Kreativitätsforscher Karl-Heinz Brodbeck thematisch: „Sie hören meine Stimme, sehen mich, diesen Raum; Sie fühlen den Stuhl unter sich, vielleicht riechen Sie auch das Parfüm Ihrer Nachbarin oder haben den Geschmack des Kaffees nach dem Essen noch auf der Zunge.“

Bewegungsspuren

Stimmung und Atmosphäre eines Raums, sowie unsere Bewegungsmuster, die bewusst und unbewusst ablaufen, charakterisieren diese Wahrnehmungsfähigkeit des Zuhörers. Ihr kommt daher eine zentrale, aktive Rolle zu, die uns als Hörende mit dem Komponisten und dem Musiker auf ganz eigene Weise verbunden macht. Was wir wahrnehmen, hängt allerdings auch davon ab, was wir bereits erfahren haben. Denn alles Gehörte hinterlässt Bewegungsspuren im Gedächtnis und eine differenzierte Wahrnehmung wird durch die vergangene Hörerfahrung geprägt.

Musik ist Kommunikation. Musik bedarf des Hörers. Aber wie bringt man sie diesem am besten zu Gehör? Und wie macht man Hörerfahrung zum Hörerlebnis? Die Frage nach der Vermittlung von Musik zeigte sich als ein Schwerpunkt-Thema des Symposiums; leidvolle Erfahrungen aus der internationalen Konzertlandschaft sprechen für sich: leere Konzertsäle, steigendes Durchschnittsalter von Konzertbesuchern, Schließung von Klassikabteilungen in Medienkonzernen oder etwa die traurige Tatsache, dass in Italien drei von fünf Rundfunkorchestern aufgelöst wurden.

In einer der Podiumsdiskussionen stellte man sich dieser Situation und suchte nach ihren Ursachen. Während beispielsweise die dem Ideal des autonomen Werks entsprechende Rezeption – also „Stillsitzen und Zuhören“ – als ein möglicher Faktor genannt wurde, ortete man auch in der Überfütterung unseres Alltags mit ständig verfügbarer Musik das Nachlassen der Leistung aktiven Zuhörens – des Lauschens. Ein breites Publikum – so von Konzertveranstaltern erfahren – will tendenziell immer „dieselben Sachen hören“, Klassik rangiert selbstverständlich vor Neuer Musik. Diesen Tatsachen wurden Möglichkeiten und Modelle der Musikvermittlung gegenüber gestellt, um die Lust und die Kunst des Hörens, des Wahrnehmens – des Mitgestaltens also im kommunikativen Prozess Musik – zu fördern.

Gehalt des Kunstwerks

„Kontextualisierung von Musik“ – so lautete das Stichwort von Beatrix Borchards diesbezüglichem Vortrag. Ihren inhaltlichen Ausgangspunkt beschrieb sie mit einem „Musikverständnis, das nicht nur Werke im Sinne von geschriebenen Notentexten meint, sondern alle Aspekte des Lebens mit einbezieht, die mit der Produktion, Reproduktion und Rezeption von Musik beteiligt waren und sind.“ Dieses Netz aus Komponisten, Veranstaltern, Interpreten und Rezipienten gilt es, auf „nicht belehrende, sondern unterhaltende, keine Wahrheiten verkündende, nicht an äußerlichen Effekten, sondern am Gehalt der Kunstwerke interessierte und als Hilfe zu entdeckendem Hören gemeinte“ Weise zu berühren. Während Borchard einerseits zahlreiche Möglichkeiten des Vermittelns aufzeigte – Ergebnisse ihrer Arbeiten mit Studenten von der Berliner oder Detmolder Hochschule – wies sie zugleich auf Grenzen hin, im Sinne Felix Mendelssohn Bartholdys: „Es wird so viel über Musik gesprochen, und so wenig gesagt.“

Tatsächlich viel gesagt wurde vom Berliner Musikwissenschafter Elmar Budde, der sich dem rezeptiven Verständnis, beziehungsweise Unverständnis so genannter „Neuer“ Musik gegenüber – mit viel Verständnis – näherte. Warum etwa muss für den „unvoreingenommenen Hörer das alles so scheußlich klingen?“ Und – weiter gedacht: „Was könnten die Intentionen von Komponisten jenseits des Anspruchs auf Mitteilung und Verständigung sein?“

„Immer war es Absicht der Musiker, mit ihren Werken dem 'Publikum‘ etwas mitzuteilen, sein Gefühl anzusprechen, es zu rühren oder irgendeine andere Wirkung auf es auszuüben“ – erläuterte der Wiener Musikwissenschaftler Hartmut Krones, der gerade die „Wirkungsfunktion“ von Musik in den Vordergrund stellte; sie hatte stets die Grundlage jenes Austauschs zwischen Darbietenden und Aufnehmenden gebildet und begründete nicht zuletzt ihrerseits den Sprachcharakter der Musik, dessen sich im Laufe der Geschichte veränderndes „Vokabular“ Krones anhand einiger Tonbeispiele skizzierte und spezielle – in früheren Zeiten jedem gebildeten Rezipientenkreis selbstverständlich vertraute – musikalische Botschaften und Konnotationen für uns „Heutige“ aufschlüsselte.

Musik ist Kommunikation. Ein Wochenende lang klang es eindeutig – vielseitig, vielschichtig, richtig.

Veronika Male

 

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