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nmz-archiv
nmz 2002/09 | Seite 42
51. Jahrgang | September
Jazz, Rock, Pop
Die Marsmenschen spielen nicht mehr
Zum Tode des großen Bassisten Ray Brown
„Ain’t but a few of us left,“ erklärte er
vor sechs Jahren nachdenklich schmunzelnd. Das war nicht nur eine
Anspielung auf den Titel eines Albums, das Ray Brown mit Milt Jackson
einspielte, es war die Lebenswirklichkeit in den letzten Schaffensjahren
des Bassgiganten. Von Ella Fitzgerald bis Charlie Parker hat er
die meisten Weggefährten seiner Generation überlebt. Und
im Gegensatz zu vielen Genossen, die ihn nun überleben, etwa
Barney Kessel oder Oscar Peterson, verfügte er über eine
so robuste Gesundheit, dass er bis zuletzt auf uneingeschränkt
hohem Niveau musizieren konnte. Ihm war das vergönnt, was man
landläufig einen „schönen Tod“ nennt: Am Vorabend
war er aufgetreten. Nach einem Golfspiel hatte er sich vor dem nächsten
Konzert hingelegt, für einen Schlummer, aus dem er nicht mehr
erwachen sollte.
Geboren worden war er am 13. Oktober 1926 in Pittsburgh –
ein gar nicht so kleines, feines Jazz-Zentrum. 1937 spielte das
Basie Orchestra im Chatterbox Room. Browns Bruder arbeitete dort
und brachte den 10-jährigen Ray dort hin. Er saß unter
dem Klavier, guckte mit großen Augen den großen Walter
Page an und hörte dessen Sound. Das war die Initialzündung.
Im Alter von etwa 15 Jahren war Brown schon der beste Bassist Pittsburghs.
Um 1942 hatte er schon Interesse am beginnenden Bebop. Die erste
Begegnung mit der Musik Charlie „Bird“ Parkers war noch
anonym, standen doch damals die Namen der Solisten noch nicht auf
den Platten. 1945 fuhr Brown nach New York, besuchte ein Konzert
von Dizzy Gillespie. Er wurde vorgestellt, und schon spielte der
Youngster in einer der wichtigsten Bands der Jazzgeschichte, jenem
Quintett mit Hank Jones, Charlie Parker und Max Roach, das den Bebop
während einer legendären Tournee in der Westküste
durchsetzte und dem sich noch Milt Jackson anschließen sollte.
„We were far out. The people called us the men from Mars,”
erinnerte sich Brown. Ihn in einer Band zu wissen, war für
Musiker, Konzertbesucher und Plattenkäufer ein ebenso beruhigendes
wie stimulierendes Gefühl. Dieses Gefühl werden unzählige
Menschen schmerzlich vermissen.