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nmz-archiv
nmz 2002/09 | Seite 42
51. Jahrgang | September
Jazz, Rock, Pop
In der Session entsteht erst die Musik
Zwei Fragen an die Heidelberger Loungeband DePhazz
Im wunderschönen Sonnenuntergang auf einer saftigen Wiese
hinter dem Fürstenfelder Kloster standen uns anlässlich
des Jazzfestivals Mo’Vibes drei der DePhazz-Köpfe, Pat
Appleton (voc), Karl Frierson (voc) und Otto Engelhardt (tb) zur
Verfügung und sprachen über Bayern, Jazz und die damit
verbundenen Vorurteile.
Wurzeln im Fundament des
Jazz: DePhazz.
Foto: nmz-Archiv
neue musikzeitung: Die erste Assoziation bei NuJazz und
Chillout ist normalerweise der Sonnenuntergang auf Ibiza, mit Blick
auf das leise rauschende Meer. Passt dieser Sound denn auch nach
Oberbayern? Pat Appleton: Aber sehr wohl! München selbst mag ich
zwar nicht so sehr, aber Bayern an sich gefällt mir sehr gut!
Die Landschaft ist wunderschön, die Sonne scheint im Sommer
auch meistens und die Biergartenkultur ist im Grunde auch nichts
anderes als ein Chill-Out, aber eben in traditionell-bayerischer
Art. Und der typische Münchner Schick auf der anderen Seite
passt auch ziemlich gut zu dem ganzen Lounge-Sound. Karl Frierson: Gute Musik passt überall hin.
nmz: Stichwort Musik: Wieviel Jazz steckt denn in eurem
NuJazz noch drin, wie viel Jazz bringt Ihr als Musiker hinein? Otto Engelhardt: NuJazz möchte ich unseren Sound gar
nicht nennen, denn um eine neue Form von Jazz handelt es sich nicht.
Die Musik von DePhazz hat mit der edlen Tradition des Jazz im Grunde
sehr wenig zu tun. Nichtsdestotrotz wäre unsere Musik ohne
die der großen Jazzer wie John Coltrane, Count Basie oder
Ella Fitzgerald wohl undenkbar. Die Harmonien und Melodien, die
wir verwenden und schreiben, wurzeln natürlich zu einem ganz
großen Teil in diesem Fundament. Frierson: Trotzdem haben wir aber Samples von großen
Big-Band-Arrangements in unserem Sound, das ist unsere Inspiration. Appleton: Jazzpuristen würden uns sicher nicht als Jazzer
bezeichnen, aber unsere Wurzeln liegen eben einfach dort. Engelhardt: Wenn man offen auf die Musik zugeht, dann spürt
man das auch. Die Art, wie Karl und Pat phrasieren, wie die Bläser
eingesetzt werden, dass überhaupt Bläser eingesetzt werden,
das sind eindeutige Indizien für heftigen Jazzalarm. Ich habe
zwar mein Instrument studiert, Jazz wirklich erlernt habe ich aber
„by doing“. Appleton: (kopfschüttelnd) ... in Deutschland braucht
man aber eben immer für alles einen Abschluss! Es ist ein Vorurteil,
dass man Jazz studieren muss, um ihn gut zu spielen! Frierson: Wenn junge Jazzer in die USA, etwa nach New Orleans,
kommen, vergessen sie zuerst alles, was sie in ihrem Studium gelernt
haben und spielen erst dann frei drauf los! Erst in den Jamsessions
entsteht Jazz, nicht in Hochschulen. Engelhardt: DePhazz ist eine eigene Sache, hier vermisse
ich es nicht, viel improvisieren zu können. Hier bringe ich
mich anders ein, schreibe an Songs mit, schreibe an Texten mit. Frierson: Für solche Sachen gibt es eben Jamsessions.
Als wir vor kurzem auf dem Jazz-Festival in Montreal/Kanada gespielt
haben, waren natürlich Top-Musiker aus aller Welt da und abends
gab es dann immer tolle Sessions. Das hat Spaß gemacht.