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nmz-archiv
nmz 2002/09 | Seite 43
51. Jahrgang | September
Jazz, Rock, Pop
Hits & Clips
Vanessa
Carlton: A Thousand Miles
Das ist die geläufigste aller amerikanischen Mainstream-Popmusiken,
dieses so virtuos dahinperlende Pianospiel, die rasant-melodischen
Läufe, souverän von effektvollen Streichern pariert. So,
wie es Musicals schon immer und Billy Joel in den 70ern machte.
Aber Musicals sind out und Billy Joel ist krank. Gut, dass dieser
Twen aus Pennsylvania gerade mit ihrer Debütsingle fertig war.
„A Thousand Miles“ klingt wie für den weitläufigen
Konzertsaal gemacht, die musikalischen Ausschmückungen sind
stimmig bis in letzte Tönchen und bedienen geschickt die Emotionen
des Pathos zwischen zart und kraftvoll. Miss Vanessa, im Video ein
Lipgloss-Mädchen am großen Flügel in der großen
Stadt, entpuppt sich als Mischung aus Alanis Morissette und Fiona
Apple mit einem Schuss Britney Spears’scher heiserer Unschulds-Erotik.
Kelly
Osbourne: Papa Don’t Preach
Dieses Lied würde es ohne MTV gar nicht geben. Marketingtechnisch
perfekt schmiegt es sich an die hauseigene erfolgreiche Soap-Serie
rund um den Clan des ehemaligen Blut&Metal-Rockers Ozzy Osbourne
(Black Sabbath) an: Das aufmüpfige Töchterchen covert
Madonnas „Halt mir keine Predigten, Papa“. Doch zum
einen ist der Song mit seinen schönen, eingängig melodischen
Verläufen sowieso nicht kaputtzukriegen, und zum anderen haben
die Produzenten hier alles richtig gemacht. Der Beginn erinnert
mit der Einführung des Beats an den Girl-Pop der 60er, dann
brettern die Gitarren im deftig verzerrten und zurzeit effektvoll
reanimierten New York-Punk-Lärm lakonisch durch die Harmonien.
Dazu schmirgeln mit unaufhörlichem Zischeln Cymbals und Hi-Hats
am Lakritz- und Bonbon-Farbgemisch des gemäßigt rotzigen
Girlie-Videos. Und Kelly Osbournes schwaches Stimmchen bekommt den
einzig adäquaten Sound verpasst: Sie wird einfach in die mittleren
Frequenzen komprimiert.