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nmz-archiv
nmz 2002/09 | Seite 26
51. Jahrgang | September
Bücher
Kritische und kreative Analysen vorprogrammiert
In der Reihe PianoPädagogik ist der zweite Band von Ludwig
Striegel erschienen
PianoPädagogik Band 2 herausgegeben von Ludwig Striegel:
Neue Musik – ein Kinderspiel, Musikverlag Burkhard Muth
Nach dem ersten Band „Schlaffe Präludien und verdorrte
Embryos – Klavierspielen mit Erik Satie“ der Reihe PianoPädagogik,
erschienen im Musikverlag Burkhard Muth, ist nun der lang erwartete
zweite Band, ebenfalls von Ludwig Striegel, mit dem Titel „Neue
Musik – ein Kinderspiel“ veröffentlicht worden.
In diesem Buch geht Ludwig Striegel von der zentralen These aus,
pädagogische Musik biete die Möglichkeit, vollgültige
Musik auch mit beschränkten technischen Mitteln und unabhängig
vom Lebensalter auszuüben. Ihre Qualität messe sich hierbei
nicht an ihrer vorgeblichen „Kindgemäßheit“,
sondern an ihrer musikalischen Aussagekraft. Diese Aussage begründet
er anhand einer sehr gelungenen Auswahl von Klavierstücken
des 20. Jahrhunderts, mit deren Analyse er dem Leser die Kompositionstechnik
der Werke, ihre Klangwelt, sowie historische und entstehungsgeschichtliche
Hintergründe näher bringt.
Die Analysen des ausgewählten Repertoires wie seine Überlegungen
hinsichtlich möglicher Vermittlungsformen überzeugen vor
allem durch ihre Vielseitigkeit: Jedes Stück aus anderem Blickwinkel
und mit jeweils eigener Analysemethode beleuchtend, ergänzt
Striegel einige der existierenden Werkanalysen um wichtige Details
und hinterfragt andere durchaus kritisch. Kernpunkt ist ihm hierbei
stets der innere Gehalt eines Werkes, den er für die Vermittlung
eines Musikstückes als wesentlich erachtet. Beispielsweise
weist er auf mögliche Zusammenhänge zwischen der formalen
Struktur eines Werkes und dem Goldenen Schnitt hin und beschreibt
eigene Entdeckungen bei der Höranalyse. Er stellt aber auch
stets Verbindungen zur Erlebenswelt von Kindern her – unter
anderem durch die Abbildung von Schülerzeichnungen, die nach
dem Hören eines bestimmten Musikstücks entstanden sind.
Angeregt durch die Fragestellungen und den farbenreichen Erzählstil
des Autors, beginnt man als Leser, kritisch und kreativ über
Analyse und Vermittlung der Werke nachzudenken. Mit dem Hinweis,
neben der Lektüre des Buches, die Musikstücke unbedingt
auch selbst zu spielen, fordert Striegel zusätzliche Eigeninitiative
des Lesers.
Derzeit Professor für Musikpädagogik an der Johannes-Gutenberg-Universität
in Mainz, zeichnet sich Ludwig Striegel durch eine enorme pädagogische
Erfahrung aus, die er als Gymnasial- und Hochschullehrer, durch
seine Tätigkeit am Staatsinstitut für Schulpädagogik
und Bildungsforschung, und nicht zuletzt durch sein Wirken als Klavierlehrer
erworben hat. Diese begleitet den Leser von der ersten bis zur letzten
Zeile des Buches in einer faszinierenden Mischung aus höchst
informativer und motivierender Begeisterung. Durch die Handreichung
praktisch umsetzbarer und auch humorvoller Herangehensweisen an
die Musik des 20. Jahrhunderts, fern von trocken-technischer Belehrung,
profitiert der Leser in jeder Hinsicht – und so bleibt nur
der Wunsch nach baldigem Erscheinen des Folgebandes „Von fremden
Ländern und Menschen – Exotikrezeption in kleinen Klavierstücken“.
Ein hervorragendes Buch, dass jedem klavierpädagogisch Interessierten
wärmstens zu empfehlen ist!