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nmz-archiv
nmz 2002/10 | Seite 32
51. Jahrgang | Oktober
Arbeitskreis
Musik in der Jugend
Bewegung als musikalischer Ausdruck
Tosender Beifall bei Abschlusskonzert der Jugend-Kammerchor-Begegnung
in Wolgast
Zehn Tage lang haben zehn Chöre aus sieben Staaten geprobt,
weiter an ihrer Gesangstechnik gefeilt und neue Literatur einstudiert.
Und was die insgesamt 270 jungen Frauen und Männer während
der vierten Internationalen Jugend-Kammerchor-Begegnung erreicht
haben, ließen sie beim Abschlusskonzert in der Wolgaster Petri-Kirche
hören. Es war ein musikalischer Rechenschaftsbericht, der die
Zuhörer in dem überfüllten gotischen Gotteshaus zu
Beifallsstürmen hinriss.
Vier Nationen vereint in
einem Ensemble: Mädchenchöre aus Israel, Lettland,
Polen und Russland präsentieren die im Workshop einstudierte
zeitgenössische Literatur. Foto: Denzel
Geistliche und weltliche Werke aus fünf Jahrhunderten, Volkslieder
aus den Heimatländern der Chöre und sogar experimentelle
Werke: Die Vielfalt des Programms war genau so spannend wie die
herausragende Interpretation. Dass es sich um Ensembles der „absoluten
Spitzenklasse“ handelte, wie Generalsekretär Rolf Pasdzierny
vom Arbeitskreis Musik in der Jugend (AMJ) zu Beginn des Treffens
versprochen hatte, stellten die Sängerinnen und Sänger
eindrucksvoll unter Beweis. Von den hellsten Koloraturen bis zum
tiefsten Bass waren die Stimmen derart transparent, tragend und
präzise artikuliert, dass die Zuhörer bei geschlossenen
Augen eher an hochklassige Berufschöre denn an Jugend-Ensembles
glauben konnten.
Gründlich aufgeräumt haben die Sänger und deren
Leiter auch mit dem leicht angestaubten Image des Chorgesangs: Bewegung
als Ausdrucksmittel, das singende Schreiten durch die Reihen der
Besucher und das geschickte Ausnutzen der Kirchen-Akustik –
von allen Seiten wurden die Zuhörer regelrecht umfangen. „Wir
hatten wunderbare Konzerte, wunderbare Stunden der Begegnung und
wir haben viel voneinander gelernt“, zog Rolf Pasdzierny ein
rundum positives Resümee der Jugend-Kammerchor-Begegnung, die
alle zwei Jahre auf Usedom stattfindet. Gewissermaßen Heimrecht
hatte dabei der Chor des Wolgaster Runge-Gymnasiums, der mit dem
Arrangement „Freedom is coming“ das Abschlusskonzert
einleitete. In den Applaus für die Wolgaster mischte sich auch
der Dank der ausländischen Chöre an die jungen Leute:
elf Tage lang waren sie den Gästen aus den anderen Ländern
wunderbare Begleiter. Sie hatten Antworten auf alle Fragen zur Insel.
Sei es zur wechselhaften Geschichte Peenemündes oder zum Gang
über die deutsch-polnische Grenze. Ein ganz besonderes Erlebnis
gaben sie dem israelischen Chor: in einer dreistündigen Führung
für alle Sinne vermittelten sie einen Eindruck von „Wald“.
Für den Gegenbesuch in Israel ist bereits ein vergleichbarer
Gang zum Thema „Wüste“ vereinbart.
Ebenfalls mit dabei waren Chöre aus Berlin, Hannover, Polen,
Tschechien, Ungarn, Russland, Lettland. Und so farbenfroh wie die
Kleidung der Sängerinnen und Sänger im Alter zwischen
13 und 22 Jahren war, so facettenreich waren auch die unterschiedlichen
Vortragsweisen der Ensembles. In einen gewaltigen Chor vereint entstand
jedoch eine verblüffende Homogenität. Geradezu andächtiges
Zuhören der Gäste und anschließend rauschender Beifall
belohnten die jungen Musiker, die sich ihrerseits bei den Workshop-Leitern
bedankten. Der Norwegerin Vivianne Johnsen, die mit den Ensembles
aus Israel, Lettland, Polen und Russland an schwieriger zeitgenössischer
Literatur gearbeitet hatte, machten ihre Schützlinge gar eine
Liebeserklärung: „We love you“ war zum Schluss
auf in die Höhe gereckten Tafeln zu lesen.
Geliebt worden waren die Chöre in den Tagen zuvor bereits
auf der ganzen Insel. In einem Dutzend Konzerten in fast immer überfüllten
Kirchen stellten jeweils zwei Chöre ihr mitgebrachtes Stammrepertoire
vor. Die Begeisterung war so groß, dass viele Feriengäste
abends ständig auf Achse waren, um möglichst viele Chöre
erleben zu können. Die nächste Kammerchor-Begegnung auf
Usedom ist übrigens bereits terminiert: im Sommer 2004. Zum
Leidwesen einiger Touristen leider noch ohne ganz festes Datum –
sie hätten am liebsten gleich wieder für diese Zeit ihren
Urlaub auf der Insel gebucht!