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nmz-archiv
nmz 2002/10 | Seite 47-48
51. Jahrgang | Oktober
Dossier: Kulturstiftungen
Stiftungen für die Kultur in der Diskussion
Dauerhafter Ausdruck von Verantwortung und Selbstverwirklichung
in der Bürgergesellschaft
Ein Gespräch von Theo Geißler, Herausgeber der neuen
musikzeitung (Regensburg) mit Dr. Christoph Mecking, Geschäftsführer
des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen (Berlin), Günter Winands,
Ministerialdirigent beim Beauftragten für Angelegenheiten der
Kultur und der Medien (Bonn) und Olaf Zimmermann, Geschäftsführer
des Deutschen Kulturrats (Berlin/Bonn).
neue musikzeitung: Was unterscheidet die Idee einer stiftungsfinanzierten
Kultur von einer Sponsorenförderung oder von einer Förderung
durch die öffentliche Hand?
Christoph Mecking, Geschäftsführer
des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen. Foto: BV Dt. Stiftungen
Christoph Mecking: Wenn man über Kulturfinanzierung
nachdenkt, kommen im Grunde vier Sektoren in Betracht: erstens die
öffentliche Hand, die auf Grund der historischen Entwicklung
in aller Regel die Kulturfinanzierung in Deutschland übernimmt,
zweitens der private Kulturkonsument, der zum Beispiel als Kunstsammler
Kunstwerke von Künstlern ankauft, oder eine Karte für
einen Opernbesuch ersteht, und in letzter Zeit verstärkt die
Unternehmen, die durch das Sponsoring von Kultureinrichtungen und
Kulturevents einen Imagegewinn erzielen wollen. Die Stiftungen als
vierte Säule der Kulturfinanzierung haben schon immer auch
Kultur ermöglicht. Sie sind neben der öffentlichen Hand
der verlässlichste und ein unabhängiger, der Qualität
verpflichteter Partner für Künstler und Kultureinrichtungen.
nmz: In den letzten Jahren haben sich die Bedingungen für
die Gründung einer Stiftung verändert. Einige Bundesbürger
haben sehr viel Geld erarbeitet, sind zum Teil kinderlos, wissen
gar nicht wohin damit. War das vielleicht auch ein Auslöser
für den Gesetzgeber?
Olaf Zimmermann: Man muss vorausschicken, dass eigentlich
die Kultur die Stiftung für sich entdeckt hat. Die Kultur hat
ein großes Problem: ihr fehlt Geld. Aus diesem Grund wird
gerade aus dem Kulturbereich heraus versucht, Stifter für die
Förderung von Kultur zu interessieren. Der Staat hat die Aufgabe,
die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass stiftungswillige
Bürger diesen Schritt gehen und es ihnen so einfach wie möglich
zu machen. Bereits in der Koalitionsvereinbarung der jetzigen Bundesregierung
war erklärt worden, dass das Stiftungsrecht reformiert werden
soll, und zwar nicht unter der Rubrik Justiz oder Soziales, sondern
unter der Rubrik Kultur. Auch dieser Zusammenhang verdeutlicht das
besondere Interesse der Kultur für Stiftungen als Organisationsform.
nmz: Es mag auch die Idee einer größeren Planungssicherheit
für bestimmte Kulturinstitutionen gewesen sein, die den Gesetzgeber
dazu brachte, das Stiftungsrecht zu reformieren. Anstatt von einem
möglicherweise flatterhaften Sponsor abhängig zu sein,
könnten sie wirklich solide und planend mit Geldern arbeiten,
die überschaubar sind und über die staatliche Projektförderung
hinausgehen. War das der Ansatzpunkt, wo auch der Kulturrat tätig
werden wollte?
Olaf Zimmermann, Geschäftsführer
des Deutschen Kulturrates. Foto: nmz
Zimmermann: Die Finanzierung von Kultur durch Sponsoring
ist eine unsichere Sache. Deshalb ist man fast logischerweise auf
die Stiftungen gekommen, weil sie die einzige privat finanzierte
Struktur sind, bei der man eine gewisse Sicherheit in der Mittelzuweisung
erreicht. Wenn jemand eine Stiftung hat und aus deren Ertrag eine
Kultureinrichtung oder ein Kulturprojekt finanziert wird, dann ist
das heute oft sicherer als die Kooperation mit der öffentlichen
Hand. Stiftungen sind die einzige wirkliche Alternative zur öffentlichen
Finanzierung.
Mecking: Was wir gehört haben, ist sehr vom Haben-Wollen
her gedacht: Der Kulturbereich braucht Geld und denkt an Stiftungen.
Viel wichtiger ist die Botschaft, dass Stiften Geben und Loslassen
bedeutet. Wir müssen den Stifter in den Blick nehmen. Eine
Stiftung ist die Verbindung von Geld mit Idee. Wenn man sich, jenseits
von Rechtsformfragen und Typenbildung, überlegt, was in einer
Stiftung drin sein muss, so ist das ein Stiftungszweck, ein Stiftungsvermögen,
das ausreicht, um diesen Zweck dauerhaft zu bedienen, und eine Organisation,
die sicherstellt, dass das Geld an den richtigen Adressaten kommt.
Es ist letztlich die Entscheidung des Stifters, der die Satzung
formuliert, für welche Zwecke im Kulturbereich er die Stiftung
vorsieht. Und diese Entscheidung bedeutet auch, dass sich eine Kultureinrichtung
auf eine Stiftung nicht unbedingt und für alle Zeiten verlassen
kann, es sei denn, diese Stiftung ist nur dafür da, eine solche
Einrichtung zu tragen oder nur diese Einrichtung zu fördern.
Eine solche direkte Verbindung ist in vielen Fällen nicht von
Anfang an Intention des Stifters. Die meisten Stiftungen sollen
frei sein, ihre Mittel dorthin zu geben, wo die interessantesten
Projekte laufen und wo am meisten mit dem Geld zu bewegen ist.
Verantwortung übernehmen
Zimmermann: Ist das nicht genau die Frage, die wir viel
stärker diskutieren müssen? Stifter müssen bereit
sein, auch dauerhafte Verantwortung zu übernehmen. Wenn sich
ein privater Stifter im Kulturbereich engagieren möchte, bedeutet
das, dass er automatisch eine Rolle in diesem Bereich spielt. Natürlich
ist der Stifter frei, natürlich muss die Stiftung auch nach
seinem Tod in seinem Sinne weiterarbeiten, und es gibt für
keine Kultureinrichtung die Sicherheit, zu glauben, sie hätte
eine dauerhafte Alimentierung; aber wenn eine Stiftung ein Projekt
unterstützt, muss sie sich auch Gedanken machen, was passiert,
wenn sie diese Förderung einstellt, und Stifter müssen
sehen, dass sie mit ihrer Tätigkeit auf den gesamten Kulturbereich
Einfluss nehmen.
Günter Winands: Das Problem der Stiftungen in der
Vergangenheit, bevor die Stiftungsrechtsreform kam war, dass in
den Augen vieler Stiftungen als etwas Elitäres, Altmodisches
und Antiquiertes galten. Es hatte auch etwas Vordemokratisches:
Der Reiche kann es sich leisten, Trends und Entwicklungen in der
Kultur zu bestimmen, während der Staat, demokratisch legitimiert
und über eine allgemeine Steuerquelle demokratisch finanziert,
für den allgemeinen Betrieb zu sorgen hat. In den 70er-Jahren
wäre der heute angesprochene Stiftungsgedanke überhaupt
nicht denkbar gewesen, weil man gesagt hätte: Es kann doch
nicht sein, dass ein Einzelner mit so viel Geld so viel Einfluss
ausübt.
Die Änderung im Denken kam dadurch, dass Stiftungen eben nicht
mehr altmodisch, vordemokratisch sind, sondern sich in die Bevölkerungsschichten
hinein geöffnet haben. Stiftung ist nicht mehr ein Privileg
der Reichen, sondern ein attraktives Modell, um breite Bevölkerungsschichten
an Kultureinrichtungen zu binden und sie gemeinsam zu finanzieren.
Es geht nicht um den großen Einzelstifter der muss auch da
sein, der ist wichtig, aber das Faszinierende am Stiftungsgedanken
ist eigentlich, dass wir ihn auch für den Normalbürger
geöffnet haben. Das ist das neue Denken der letzten vier, fünf
Jahre.
nmz: Dazu müssen gesetzliche Grundlagen verändert
beziehungsweise neu geschaffen werden. Es ist ja Ausdruck eines
gesunden Demokratieverständnisses, wenn ein Bürger in
der Lage ist zu bestimmen, welchem Zweck beispielsweise sein Erbe
zugeführt wird.
Mecking: Diese Freiheit des Bürgers steht am Anfang der Erwägungen,
weil nur ein freier Bürger über sein Geld entscheiden
kann. Mir scheint weniger der Aspekt wichtig, dass es auch „Normalbürgern“
erleichtert wird, Stiftungen zu errichten, vielmehr geht es darum,
dass der Bürger heute Verantwortung für das Gemeinwesen
tragen will. Er will selbst etwas tun und will sein persönliches
Engagement nicht über Bürokratien und Mehrheitsbeschaffungsinstitutionen
vermitteln lassen. Der Bürger sieht dabei, dass er heute Steuerlasten
zu tragen hat, von denen er lieber etwas abschreiben würde,
um die Mittel dann den Zwecken zuzuführen, die er selbst für
wichtig hält zum Gelingen der Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund
sind der Stiftungsboom und die Renaissance der Stiftung ein deutlicher
Ausdruck der Herausbildung einer Zivilgesellschaft und Ausdruck
gestiegener gesellschaftlicher Verantwortung. Dass die Ermöglichung
und die Verbreiterung von steuerlichen Vorteilen dabei hilfreich
sein kann, auch die Herausbildung von Bürgerstiftungen begünstigt,
ist dazu kein Widerspruch.
Zimmermann: Wenn ich mit Stifterinnen und Stiftern spreche,
kommt eigentlich immer derselbe Grundgedanke: Man will etwas zurückgeben
an die Gesellschaft, die einem etwas gegeben hat, zum Beispiel die
Möglichkeit, das eigene Vermögen zu erarbeiten. Gleichzeitig
will man ein Stück des eigenen Lebens, der eigenen Interessen
und Ziele über den Tod hinaus weitergeben. So werden dann Stiftungen
gegründet, die klare Zwecke verfolgen. Und deshalb ist die
Diskussion, die wir hier führen, so wichtig. Wir müssen
wegkommen von dem Gedanken, der Staat müsse zwar die Grundversorgung
sicherstellen, die Stiftungen aber seien nur für das kulturelle
Sahnehäubchen zuständig. Nein, auch die Stiftungen müssen
bereit sein, die Basis zu finanzieren.
Stiftende und nicht Stiftende
nmz: Der Staat müsste dann wie ein guter Psychologe
loslassen können. Ist diese Vorstellung in den Hinterköpfen
so vorhanden, Herr Winands?
Winands: Es gibt bei vielen Stiftungsverantwortlichen in
der Tat immer noch die Sahnehäubchen-Vorstellung: Stiftungen
sind zuständig für das, was der Staat nicht fördern
kann oder will. Man verkennt dabei, dass der Staat durch Steuerverschonung
eine Subvention des Sahnehäubchens vornimmt. Diese ist unterschiedlich
hoch, maximal bis zur Hälfte des eingebrachten Kapitalbetrages.
Aber diese Steuerverschonung muss sich rechtfertigen lassen. Und
dies fällt nicht leicht, wenn der Staat überall an Grenzen
der Finanzierbarkeit stößt und die Grundversorgung kaum
mehr garantieren kann, wie zum Beispiel in Berlin, wo städtische
beziehungsweise von der Stadt bislang geförderte Kultureinrichtungen
in ihrer Existenz bedroht sind. Wenn der Staat in dieser Situation
anstreben würde, über das Stiftungssteuerrecht Aktivitäten
steuerlich zu begünstigen, die allesamt keinen Beitrag zur
Grundversorgung leisteten, so wäre dies nicht im Sinne des
Allgemeinwohls. In der Praxis sind indes fast alle Stiftungen in
die Grundversorgung einbezogen, und zwar viel mehr, als es immer
auch seitens der Stiftungen dargestellt wird. Ich plädiere
nachdrücklich dafür, dass Kulturstiftungen sich auch um
die „normale“ Kultur kümmern und vor allem kein
„verbales Exotendasein“ pflegen, weil ansonsten die
Bereitschaft des Staates, das Stiftungswesen immer stärker
zu fördern, nachlässt. Denn eines stimmt auch: Der nicht
stiftende Steuerzahler ist gleichfalls ein „guter“ Bürger,
denn wer Steuern zahlt, der deckt den allgemeinen Finanzbedarf des
Staates und finanziert damit ebenfalls zum Beispiel die Kultur.
Theo Geißler, Herausgeber
der neuen musikzeitung.
Foto Kolb
nmz: Welche steuerlichen gesetzlichen Parameter galt es
denn zu verändern beziehungsweise neu zu setzen, um die Gründung
solcher kleinerer Stiftungen zu ermöglichen?
Mecking: Was konkret geschah, ist die Erweiterung der Möglichkeiten,
die Dotation von Stiftungen steuerlich stärker zu fördern.
Früher war es so, dass die finanzielle Zuwendung an eine Kulturstiftung
bis zur Höhe einer bestimmten Quote vom Gesamtbetrag der Einkünfte
abgesetzt werden konnte. 10 Prozent waren bei Kulturstiftungen möglich,
das heißt, ein Stifter, der einen Gesamtbetrag der Einkünfte
von 100.000 Euro hatte, konnte bis zu 10.000 Euro von seiner Stiftungsdotation
absetzen, sodass er letztlich, legt man den Höchststeuersatz
zu Grunde, 5.000 Euro gewonnen hatte. Die Diskrepanz wird deutlich,
wenn man sieht, dass eine eigenständige Stiftung in der Regel
erst ab einer halben Million Euro lebensfähig sein dürfte.
Deshalb ging es in dieser ganzen Diskussion darum, die steuerliche
Förderung von Stiftungen zu erweitern. Das ist im Jahr 2000
durch das Gesetz zur weiteren Förderung von Stiftungen auch
geschehen. Allerdings hat es die Dinge auch weiter verkompliziert.
Es ist jetzt möglich, bei Gründung einer Stiftung 307.000
Euro zusätzlich anzusetzen und je nach der steuerlichen Situation
des Stifters auch zu verteilen, nach seinem Antrag auf insgesamt
10 Jahre. Der Haken dabei ist, dass diese Möglichkeit nicht
für Zustiftungen gilt. Das heißt, wenn der Stifter seine
eigene Stiftung nach zehn Jahren stärken will, wird das steuerlich
nicht entsprechend gefördert. Er müsste eine neue Stiftung
errichten. Das kann nicht sinnvoll sein und so wird die Regelung
sicherlich nachgebessert werden.
Ferner gibt es jetzt die Möglichkeit, 20.450 Euro zusätzlich
abzusetzen für weitere Zuwendungen an Stiftungen, von Jahr
zu Jahr. Man sieht also: Durch diese Neuregelungen haben sich die
steuerlichen Spielräume erhöht; allerdings ist das Spendenrecht
noch unübersichtlicher geworden, auch steuersystematisch in
gewisser Weise bedenklich. Dass der Gesetzgeber es für nötig
hält, Höchstbeträge überhaupt einzuführen,
zeigt ein großes Problem im ganzen Verständnis, nämlich,
dass altruistisches Handeln des Bürgers nicht als grundlegende
Freiheit verstanden wird, sondern immer noch als ein Privileg Wohlhabender,
das der Staat begrenzen und deckeln muss. Dieser Deckel muss abgehoben
werden, damit sich finanzielles bürgerliches Engagement wirklich
entfalten kann. Im Grunde müssen diese gesamten Freibeträge
fallen; der Staat muss eventuell hinnehmen, dass in einem bestimmten
Bereich keine Steuern mehr bezahlt werden, weil das Geld ja auch
für gemeinnützige Zwecke gegeben wird.
Zimmermann: Hier handelt es sich um einen idealtypischen
Fall von Stiftungen, um eine Stiftung des bürgerlichen Rechts,
die gemeinnützige Zwecke verfolgt. Sonst dürfte der Staat
auch kein Interesse daran haben, dieser Stiftung steuerlich entgegenzukommen.
Ich finde, dass diese Form der Stiftung die einzige Form ist, die
wirklich sinnvoll gefördert werden darf und propagiert werden
sollte. In den nächsten Jahren wird sicherlich eine Debatte
über das Erbschaftsteuerrecht kommen. Wir haben ja so unendlich
viele Milliarden zu vererben aus einer Generation von mehr als 50
Jahren ohne Krieg, ohne Zerstörung. Wir müssen darauf
achten, dass das gesellschaftliche Verhältnis, die Ausgewogenheit
zwischen der eigenen individuellen Leistung von Menschen durch unverhältnismäßig
große Erbschaften nicht in Schieflage gerät. Egal, welche
Bundesregierung in den nächsten Jahren an der Regierung ist:
Man wird die Erbschaftsteuer massiv erhöhen, um ein gesellschaftliches
Gleichgewicht zu erhalten, und die Stiftungen werden, so hoffe ich,
der sinnvollste und direkteste Ausweg aus dieser sehr hohen Erbschaftsteuerbelastung
sein.
Mecking: Jüngst fand eine Konferenz zum Thema „Nachfolgegestaltung“
statt. Der wichtigste Aspekt bei allen Referenten war die Vermeidung
der Erbschaftsteuer. Es wurden die kompliziertesten und abwegigsten
Modelle vorgestellt. Ich sagte in meinem Vortrag, dass es am einfachsten
ist, eine gemeinnützige Stiftung ins Leben zu rufen.
Günter Winands, Ministerialdirigent
beim Beauftragten für Angelegenheiten der Kultur und
der Medien.
Foto: Schafgans
Winands: Wenn das Erbe auf Grund testamentarischer Verfügung
in eine Stiftung eingebracht wird, fällt überhaupt keine
Erbschaftsteuer an, genauso wie bei einer entsprechenden Schenkung
keinerlei Schenkungsteuer zu zahlen ist. Nach der erfolgten Verbesserung
des Stiftungssteuerrechts kann nun auch, wenn ein Erbe zunächst
angetreten wurde, aber dann der Erbe das erhaltene Vermögen
ganz oder teilweise in eine Stiftung geben möchte, die hierauf
entrichtete Erbschaftsteuer wieder zurückverlangt werden. Innerhalb
von zwei Jahren hat also der Erbe die Möglichkeit, den Nachlass
steuerfrei in eine Stiftung zu überführen. Andererseits:
Wenn man aus seinem Einkommen getätigte Zuwendungen an gemeinnützige
Einrichtungen in beliebiger Höhe, also ohne jede betragsmäßige
Einschränkung steuerlich absetzen könnte, so käme
dies in Konflikt mit dem grundlegenden Erfordernis, die staatliche
Aufgabenerfüllung durch ausreichende Steuereinnahmen sicherzustellen.
Um dies zu vertiefen: In den USA gibt es eine öffentliche Debatte
darüber, ob einige private Stiftungen nicht durch ihre Finanzkraft
zu starken Einfluss auf die gesellschaftliche Entwicklung nehmen
können. Wenn ich mir vorstelle, wir hätten in Deutschland
eine Stiftung wie diejenige des Microsoft-Erfinders Bill Gates,
ausgestattet mit 23 Milliarden Dollar Stiftungskapital, und diese
große Stiftung könnte durch konzentrierten Einsatz ihrer
Mittel bestimmte Kultur-, Wissenschafts- oder Forschungsbereiche
dominieren, so kann es nicht richtig sein, dies auch noch durch
eine Steuerverschonung in voller Höhe staatlicherseits zu unterstützen.
Es bedarf daher einer Grenze der steuerlichen Abzugsmöglichkeit
von Stiftungsdotationen; ab einer gewissen Grenze hat eine Beteiligung
an der Finanzierung des allgemeinen Finanzbedarfs des Staates zu
erfolgen, weil der Stifter als Mitglied der staatlichen Gemeinschaft
seinen Beitrag zu dessen Handlungsfähigkeit zu leisten hat,
sei es im Straßenbau, im Gesundheitswesen oder in anderen
Bereichen der Daseinsvorsorge. Die steuerlichen Abzugsgrenzen können,
wenn dies die Situation der öffentlichen Haushalte zulässt,
durchaus noch erhöht werden, zum Beispiel wie häufig gefordert
auf durchgängig 20 Prozent des Einkommens, aber irgendwo muss
ein Oberlimit sein, dann kommen die wohl begründeten allgemeinen
Interessen des Staates.
Zimmermann: Wir haben in Deutschland zwar nicht Bill Gates,
aber wir haben auch große Stiftungen, die wichtige Impulse
setzen. Weil die Stiftung Impulse setzt, bewegt sie natürlich
auch die Gesellschaft. Wer Gutes für die Allgemeinheit tut
oder zu tun glaubt, muss sich der gesellschaftlichen Auseinandersetzung
stellen und damit haben die Stiftungen im Augenblick noch Probleme.
Diese Diskussionen werden noch zu zurückhaltend geführt,
und jede kritische Frage an eine Stiftung wird fast als Gotteslästerung
betrachtet. Stiftungen sind wichtig, wir brauchen noch mehr davon,
aber genau deshalb haben wir auch das Recht, die Frage zu stellen,
ob das, was gemacht wird, immer sinnvoll ist. Nur so macht auch
die Vorstellung nach mehr Transparenz Sinn: Es bedeutet nicht, dass
Stiftungen nun alles vorlegen und neue Rechenschaftsberichtstypen
erfinden müssen, sondern Transparenz bedeutet Gespräch
und Verhandlungen.
Medien und Stiftungsboom
nmz: Das Ministerium hat schon die oft mit einem außerordentlichen
Selbstbewusstsein ausgestatteten Bundesländer als nicht immer
konstruktive Partner bei der Gestaltung von Kulturpolitik, und jetzt
kommen auch noch solche privaten „Wuchtbrummen“, die
aus ihrer Sicht anfangen, zu gestalten. Ist das vernünftig
und erträglich?
Mecking: Wir haben keine amerikanischen Verhältnisse.
Der Anteil der privaten Finanzierung durch Stiftungen und Sponsoring
bewegt sich im Kulturbereich bei fünf Prozent. 90 Prozent zahlt
der Staat. Wir reden also nicht über Größenordnungen,
die auch nur annähernd eine Konkurrenz zur staatlichen Finanzierung
wären. Wir sehen auch gar kein Konkurrenzverhalten. Wir wollen
ja gerade, dass dieser Anteil sich erhöht und nicht, dass sich
der Staat aus der Finanzierungsverantwortung herauszieht. Die Kulturlandschaft
in Deutschland ist ja ganz anders als in Amerika, sie ist viel breiter.
Deshalb wollen wir auch nicht die ganz großen, in nationalem
oder internationalem Maßstab agierenden Stiftungen propagieren,
sondern auch beispielsweise Stiftungen für Kleinstädte.
Allein schon die Überlegungen, das Stiftungsrecht zu reformieren,
haben viel bewirkt; der derzeitige Stiftungsboom wurde auch durch
die Berichterstattung in den Medien angeregt. Wenn wir im Kulturbereich
eine breite plurale Struktur bekommen, mit vielen verantwortungsbewussten
Akteuren, was unser Ziel ist, haben wir auch nicht das Problem der
Dominanz einiger weniger. Deshalb ist es unser Interesse, auch die
Steuerverschonung an Grenzen zu binden.
nmz: Kann man denn aus der breiten Palette der Stifter
Motive, eine Stiftung zu gründen, benennen, Herr Mecking? Was
wird an Sie herangetragen im Kulturbereich?
Mecking: Zunächst ist da der Aspekt des privaten Stiftens:
Was tue ich mit meinem Vermögen? Was passiert damit, wenn ich
nicht mehr bin? Da kommt es sehr auf die persönliche Situation
an. Der typische Stifter hat häufig keine Angehörigen
oder keine, denen er etwas über den Pflichtteil hinaus vererben
möchte, oder er ist zu Recht der Meinung, die Angehörigen
haben schon genug. Oder er hat eine Firma, die als einheitliches
Unternehmen weitergeführt werden soll. In all diesen Fällen
bietet sich die Stiftung als Nachfolgemodell an, insbesondere dann,
wenn keine Angehörigen als Wunscherben vorhanden sind. Das
ist die Frage der Vermögensweitergabe.
Jetzt kommt die Frage der Idee, des Zwecks der Stiftung. Hier wird
man häufig überhaupt kein einzelnes Motiv finden können,
sondern eher ein Motivbündel. Die Menschen wollen Verantwortung
für das Gemeinwohl übernehmen, sie wollen ihren Namen
weitertragen über ihren Tod hinaus, sie wollen den guten Zweck
der Stiftung mit ihrem Namen verbunden sehen, sie haben häufig
einen Anlass, zu dem sie die Stiftung errichten, zum Beispiel einen
Geburtstag, Todestag oder ein Firmenjubiläum. Häufig ist
es so, dass sie durch berufliche oder persönliche Berührungspunkte
auf eine bestimmte Stiftungsidee gebracht werden, etwa weil sie
gemerkt haben, dass es in dem Bereich, in dem die Stiftung arbeiten
soll, Defizite gibt. Was einen Stifter ganz wesentlich auszeichnet,
ist, dass er nicht, wie es früher üblich war, eine Reihe
von Einrichtungen vom Tierheim bis zur Caritas bedenkt, sondern
sich konkrete Gedanken macht und aus der Stiftung heraus nachhaltig
und dauerhaft eine bestimmte Idee verfolgt. Damit baut er verlässliche
Strukturen auf. Spenden oder Erbschaften sind dagegen auch auf Grund
der steuerlichen Verpflichtung zur zeitnahen Mittelverwendung schnell
aufgebraucht und wenn daraus etwa Einrichtungen gebaut werden, entstehen
Folgekosten, die später zu Problemen führen.
Zur Motivation der Stifter
Winands: Im Kulturbereich gibt es eine lange Stiftungstradition.
Wer einen Kirchenaltar oder ein Kirchenbild betrachtet, findet meist
den Stifter namentlich erwähnt oder sogar bildlich wiedergegeben.
Im kirchlichen Bereich wurde früher sehr viel gestiftet, die
Kirchen lebten von Stiftungen. Das Stiftungswesen ist in Deutschland
hiervon maßgeblich geprägt worden. Ein Hauptgrund zu
stiften kann doch immer wieder auf die Frage zurückgeführt
werden: Was bleibt nach dem Tod übrig? Es geht durchaus verständlich
vielen Stiftern darum, etwas der Nachwelt zu hinterlassen, mit seinem
Namen dauerhaft etwas Gutes zu verbinden.
Mecking: Gerade im kirchlichen Bereich wurde die Stiftung als Möglichkeit
verstanden, sich Schätze nicht allein für das Dasein auf
Erden, sondern für das Himmelreich zu erwerben. In unserer
Gesellschaft geht der Trend weg von der jenseitigen hin zur diesseitigen
Orientierung. Eine Stiftung muss heute und das sollte noch mehr
propagiert werden zu gesellschaftlicher Anerkennung führen.
Es darf nicht mehr allein nach Statussymbolen wie Haus, Auto oder
Urlaubsreise gefragt werden, sondern nach gemeinnützigem Engagement,
eben nach Stiftungen.
Zimmermann: Man muss sich schon die Frage stellen, welche
moralische Befriedigung ein Stifter selbst von seiner Stiftung hat.
Ich glaube, dass Stiftungen mit zu den am positivsten belegten Strukturen
in Deutschland überhaupt gehören. Ein Stifter kann heute
an die Öffentlichkeit gehen und sein Tun wird als etwas Großartiges
für die Allgemeinheit gewürdigt. Was wir bisher über
eine Stiftung gesagt haben, dass es ein Kapital geben muss, das
dauerhaft angelegt wird, dass aus den Erträgen ein für
die Allgemeinheit nützlicher Zweck verfolgt wird, muss als
Definition einer echten Stiftung gelten. Alles, was dieser Definition
nicht zuzuordnen ist, soll nicht als echte Stiftung gelten und soll
in Zukunft auch nicht mehr als solche bezeichnet werden. Das müssen
wir durchsetzen, damit wir sicherstellen können, dass Menschen,
die eine Stiftung gründen, auch dauerhaft von der Bevölkerung
dafür geachtet werden.
Winands: Gerade dieser Aspekt ist bei der soeben erfolgten
Modernisierung des zivilen Stiftungsrechts berücksichtigt worden.
Es gibt einen durchgreifenden Bewusstseinswandel im Stiftungswesen,
der sich terminologisch im neuen Gesetzeswortlaut des Bürgerlichen
Gesetzbuches widerspiegelt, indem nämlich statt von der Genehmigung
einer Stiftung nunmehr von deren Anerkennung gesprochen wird. Dies
ist keine Kosmetik: Es ist vielmehr eine Abkehr von einer obrigkeitsstaatlichen
Terminologie und dies wird auch die Ausgestaltung der Verfahrensabläufe
ändern. Genauso, wie im Steuerrecht die Anerkennung der Gemeinnützigkeit
positiv besetzt ist, bringt die Anerkennung einer Stiftung über
den formalen Akt der Verleihung der Rechtsfähigkeit hinaus
eine Würdigung des Stiftungsengagements zum Ausdruck. Die Errichtung
von Stiftungen muss im Übrigen durch die Stiftungsbehörden
gefördert und unterstützt werden. Der Staat muss den stiftungswilligen
Bürger noch viel stärker abholen und ihm zeigen, dass
er ihm seine Hilfe, insbesondere seine Beratung anbietet. Serviceorientiertes
Arbeiten hat im Vordergrund zu stehen, denn jede neue gemeinnützige
Stiftung ist eine Bereicherung für unser Gemeinwesen und entlastet
letztlich den Staat. Was die Berechtigung angeht, sich als Stiftung
zu bezeichnen, so halte ich nichts von Scheingefechten. Nach meiner
Ansicht hat im Vordergrund zu stehen, ob jemand etwas selbstlos
für das Gemeinwohl tut. In welcher Rechtsform dies geschieht,
ist zweitrangig: ob Stiftungs-GmbH, Stiftungs-Verein oder echte
Stiftung, wichtig ist, dass es mittels dieser Organisationsformen
ermöglicht wird, ein privates Vermögen dauerhaft einem
gemeinnützigen Zweck zuzuführen. Eine selbstständige
Stiftung ist der Kultur vielleicht am adäquatesten, doch besteht
deshalb keinerlei Grund, einer Stiftungs-GmbH oder einem Stiftungs
e.V. die Legitimation abzusprechen.
Zimmermann: Was die Anerkennung von Stiftungen betrifft,
sind wir uns ja völlig einig. Unter bestimmten Bedingungen
hat ein Stifter Anrecht darauf, dass seine Stiftung gegründet
werden kann – und das darf ihm der Staat nicht verwehren.
Aber ich verstehe nicht, warum einerseits der Begriff Stiftung etwas
Besonderes sein soll, andererseits unter dem Begriff alles Mögliche
zugelassen wird. Hier ist mir die Definition zu undeutlich. Eine
Stiftungs-GmbH ist einfach eine GmbH, und selbstverständlich
kann der Stiftungszweck jederzeit geändert und das Stiftungskapital
verausgabt werden. Dasselbe gilt für den Stiftungsverein und
für all die anderen künstlich zusammengesetzten Wortgebilde.
Ich glaube, dass wir dem Stiftungsgedanken damit einen Bärendienst
erwiesen haben, dass es uns bisher noch nicht gelungen ist, hier
sauber zu definieren. Denn wenn wir erreichen wollen, dass Menschen
sicher sein können, dass auch nach ihrem Tod ihre Ziele verfolgt
werden, müssen wir den Stiftungsbegriff absolut sauber halten.
Natürlich kann man auch eine GmbH mit einem gemeinnützigen
Zweck gründen, nur soll man sie in Zukunft nicht mehr Stiftung
nennen dürfen. Es geht ausschließlich um die Begrifflichkeit.
Ich kann nicht verstehen, warum man die Chance jetzt bei der Änderung
des Stiftungszivilrechts nicht benutzt hat, diesen einen Schritt
weiter zu gehen und den Stiftungsbegriff klar und sauber zu definieren.
Ewigkeit – Veränderlichkeit
Winands: Aus meiner Sicht ist es doch das wesentliche Ziel
aller unserer Bemühungen, noch mehr Geld gemeinnützigen
Zwecken zuzuführen. Wenn jemand, um Ihr Beispiel aufzugreifen,
eine Stiftungs-GmbH gründet und deren finanzielle Mittel dann
relativ schnell für die vorgesehenen gemeinnützigen Zwecke
ausgegeben werden, so ist dies eine Entscheidung des Gründers,
die zu respektieren ist. Solange tatsächlich das Gemeinwohl
gefördert wird, hat der Staat hier keine Vorgaben zu machen.
Wer eine Organisationsform wählt, trifft eine bewusste Entscheidung:
gründet er eine Stiftung, hat er im Normalfall sozusagen Ewigkeitsgarantie,
bei einer GmbH oder einem Stiftungsverein weiß er um die grundsätzliche
Veränderlichkeit.
Zimmermann: Aber in der Öffentlichkeit heißt
es eben immer Stiftung, ganz gleich, ob GmbH oder Stiftung des öffentlichen
oder bürgerlichen Rechtes. Die Menschen können nicht unterscheiden,
ob bei dem einen das Geld verloren gehen kann oder dass die andere
überhaupt kein Geld hat oder ob es sich um eine echte Stiftung
handelt. Es gehört einfach zur Transparenz, etwas so zu nennen
wie es ist. Und eine Stiftung ist eben nur Stiftung, wenn ein Kapital
vorhanden ist, aus dessen Erträgen ein bestimmter Zweck verfolgt
wird. Alles andere ist keine Stiftung.
Mecking: Stiftungsgesellschaft und Stiftungsverein können
in gewisser Weise auch Stiftung sein, nämlich dann, wenn sichergestellt
wird, dass es sich um eine dauerhafte, nachhaltige Einrichtung handelt,
für die Vermögen bereitgestellt wird, dessen Erträge
gemeinnützigen Zwecken zur Verfügung gestellt werden können.
Das juristisch abzusichern, ist bei einer GmbH und bei einem Verein
aufwändiger und schwieriger, man kann aber fast die gleichen
Wirkungen erreichen. Die größten privaten Stiftungen,
die wir in Deutschland haben, sind Stiftungsgesellschaften. Sie
funktionieren und werden zu Recht als Stiftungen wahrgenommen, da
es sich um nachhaltig tätige Institutionen handelt, die genauso
agieren, wie Stiftungen typischerweise agieren sollten. Und warum
haben die Stifter in den Fällen keine rechtsfähigen Stiftungen
gegründet? Weil die Stiftungsbehörden im Errichtungsverfahren
Schwierigkeiten gemacht haben, weil sie staatlichen Einfluss über
Gebühr in diese Stiftungen hineintragen wollten. Weil dem Staat
auf Grund der Erfahrungen nicht zugetraut wurde, die Aufsicht in
sachgerechter Weise auszuführen. Deshalb hat man nach Wegen
gesucht, die Aufsicht in der Stiftung zu halten und das war möglich
über die Gesellschaftsform.
Die Frage, die gestellt wurde, ist allerdings ganz berechtigt: Was
bedeutet Stiftung wirklich? Und kann Stiftung nicht in verschiedenen
Rechtsformen möglich sein? Es geht darum, eine leistungsfähige
Struktur für dauerhaftes privates Engagement zu finden. Wenn
jedoch der Staat als Stifter auftritt, stellen sich die genannten
Probleme erst wirklich; denn da geht es meist um eine finanziell
notleidende Einrichtung, die laufenden Zuschusses bedarf. Die Stiftung
Preußischer Kulturbesitz ist freilich ein historischer Sonderfall.
Die Problematik entsteht eher da, wo heute um Entlastung, Freiheit
von Auflagen der öffentlichen Verwaltung zu haben Stiftungen
von der öffentlichen Hand gegründet werden, die kein Vermögen
haben und deren Zuschussbedarf nicht gedeckt ist. Und hier kommen
wir zu dem, was Stiftung eigentlich bedeuten muss: Stiftung bedeutet
Unabhängigkeit und Autonomie, auch vom Stifter. Und die private
Stiftung, auch die Stiftungsgesellschaft, zeichnet sich dadurch
aus, dass sie zwar vom Stifter in die Welt gesetzt wurde, aber danach
ganz unabhängig vom Stifter agieren kann, und teilweise auch
gegen ihn. Denn auch ein Stifter verändert sich im Laufe der
Zeit, und dagegen muss die Stiftung vorgehen können; das kann
sie nicht, wenn sie – wie die staatliche Stiftung –
ständigen und dauerhaften externen Entscheidungen unterworfen
ist.
nmz: Auch die Kulturstiftung des Bundes ist im Grunde genommen
eine Zuwendungsstiftung mit einem jährlichen Etat, die dann
in diese Definition des Stiftungsgedankens gar nicht so richtig
hineinpasst.
Winands: Die Motivation für den Staat, eine Stiftung
zu gründen, ist anders gelagert als bei einer Privatperson.
Es steht nicht das Stiftungskapital im Vordergrund, das für
die Verfolgung eines gemeinnützigen Zwecks bereitgestellt wird.
Vielmehr ist es die Frage, wie die Förderung von Gemeinwohlanliegen
mit öffentlichen Mitteln optimal verwirklicht werden kann.
Um einem häufigen Vorurteil entgegenzutreten: Der Staat entledigt
sich dabei nicht des Haushaltsrechts; jede Stiftung, die institutionell
staatlich gefördert wird, untersteht dem öffentlichen
Haushaltsrecht. Der Staat will im Regelfall durch die Stiftungsgründung
„an der langen Hand“ fördern, er will hier nicht
durch seine Behörden agieren, sondern Personen außerhalb
der Staatsorganisation in Entscheidungsprozesse integrieren und
damit außenstehenden Sachverstand einbinden. Des Weiteren
kann er in einer Stiftung unterschiedliche staatliche Ebenen institutionell
zusammenbringen. Beides ist die Idee der Kulturstiftung des Bundes.
Dort sind neben Vertretern des Bundes auch solche der Länder
und Gemeinden sowie Persönlichkeiten aus dem Kulturleben im
14-köpfigen Stiftungsrat. Der Bund hat in künstlerischen
Fragen weder eine Mehrheit noch ein Vetorecht. Solches geht nur
über die Rechtsform einer Stiftung. Und wenn wir die mittelfristige
Perspektive einer nationalen Kulturstiftung – von Bund und
Ländern gemeinsam getragen – sehen, so zeigt sich noch
mehr, warum die Errichtung einer Stiftung auch gewählt werden
kann: um etwa im Bereich der Kulturförderung, bei dem manchmal
umstritten ist, was Bundes- und was alleinige Landeskompetenz ist,
derartige Kompetenzstreitigkeiten partiell auflösen zu können,
nämlich durch gemeinschaftliches Handeln in Stiftungsform.
Elemente der Unabhängigkeit
Zimmermann: Aber natürlich ist die Konstruktion, wenn
man nicht über ein auskömmliches Kapital verfügt,
mit dem man den Stiftungszweck erreichen kann, immer so, dass es
eine unmittelbare und direkte Abhängigkeit gibt. Und natürlich
muss die Bundeskulturstiftung jedes Jahr einen neuen Etat bekommen,
der in politischen Gremien abgestimmt wird, durch Entscheidungen
von Verwaltungen vorbereitet wird, denen gegenüber auch die
Abrechnung gemacht wird. Ein ganz wichtiges Element der Unabhängigkeit,
nämlich ein unverbrüchliches Kapital, über das nicht
von einem Außenstehenden immer wieder entschieden wird, haben
diese so genannten Zuwendungsstiftungen, zu denen auch die Bundeskulturstiftung
gehört, nicht. Doch ist es sicherlich vernünftig, mit
einer solchen Stiftung an den Start zu gehen, allerdings mit der
Idee, das noch fehlende Kapital aufzubringen und sie zu einer richtigen
Stiftung zu entwickeln. Solange sie nicht wirklich über ein
auskömmliches Kapital verfügen, ist sie keine richtige
Stiftung, sondern eine Zuwendungsstiftung, das heißt eine
Stiftung in Gründung. Erst mit dem nötigen Kapital, als
richtige Stiftung, kann sie sich emanzipieren von der öffentlichen
Hand, von politischen Entscheidungen und von der Verwaltung.
Winands: Das kann schon deshalb nicht richtig sein, weil
ein Großteil der deutschen Stiftungen gar nicht von den Erträgen
ihres Stiftungskapitals lebt. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen
hat Statistiken über die Höhe des Stiftungskapitals vorgelegt:
Nur eine Minderheit der Stiftungen hat danach so viel Kapital, dass
alle ihre Leistungen aus den Erträgen bestritten werden können.
Die meisten Stiftungen sind genauso wie andere gemeinnützige
Körperschaften auf Spenden und sonstige Einnahmequellen angewiesen.
Deshalb verlangt das reformierte Stiftungsrecht auch nur als Voraussetzung
der Stiftungsanerkennung, dass die nachhaltige und dauerhafte Erfüllung
des Stiftungszwecks gesichert erscheinen muss; es schreibt nicht
vor, wie dies zu geschehen hat, verlangt insbesondere nicht zwingend
die Einbringung eines entsprechenden Stiftungskapitals.
Es ist nichts Schlechtes, wenn der Staat Stiftungen mit Zuwendungen
bedenkt und dadurch deren Fördertätigkeit ermöglicht.
Nur wenn er versuchen würde, mittels Stiftungen Schattenhaushalte
zu bilden, wäre dies zu kritisieren. Im Kulturbereich ist die
Motivation aber, wie bereits erwähnt, eine ganz andere. Vielleicht
dazu auch ein Beispiel außerhalb der Kultur: Der Bundesminister
des Innern bereitet derzeit mit den Dachverbänden des Sports
die Gründung einer Nationalen Doping-Agentur in der Rechtsform
einer privatrechtlichen Stiftung vor. Die Bekämpfung des Dopings
wird übereinstimmend als eine gemeinsame Aufgabe von Staat
und Sportverbänden angesehen. Das Rechtsinstitut der Stiftung
bietet sich hier als eine ideale Organisationsform an, um beide
in eine gemeinschaftlich verantwortete und finanzierte Einrichtung
zusammenzubringen.
Dass nicht immer ausreichend Stiftungskapital vorhanden sein kann
und muss, zeigt sich bei den Bürgerstiftungen. Keine Bürgerstiftungsinitiative
ist in der Lage, schon zu Beginn so viel Kapital einzuwerben, um
alle satzungsgemäßen Stiftungszwecke bedienen zu können.
So ist es durchaus zulässig, zur Vermeidung späterer Satzungsänderungen
von vornherein einen breiten Kanon von Stiftungszwecken festzulegen,
wobei es sich allerdings empfiehlt, in der Satzung klarstellend
festzulegen, welche Stiftungszwecke zunächst und welche erst
bei Vorhandensein entsprechender Stiftungsmittel erfüllt werden
sollen.
Mecking: Wenn der Staat Stiftungen errichtet, tut er das nicht wie
der Bürger aus eigener Tasche, sondern aus den Geldern der
Steuerzahler. Daher hat er Schwierigkeiten, dieses Vorgehen gegenüber
seinen Bürgern entsprechend zu legitimieren. Es müssen
daher schon besondere Gründe vorliegen, um aus der Behördenstruktur
herauszugehen und Stiftungen zu errichten. Stiftungen bilden etwa
eine sehr offene und flexible Rechtsform und schaffen die Möglichkeit,
auch ganz verschieden strukturierte Akteure zusammenzubinden. Wenn
der Staat sich als Stifter oder Mitstifter betätigt, hat er
jedoch eine Verpflichtung übernommen. Wenn er Alleinstifter
ist, der keine klare und verbindliche Regelung getroffen hat, wie
die Finanzierung sichergestellt werden soll und diese Aufgabe dem
Haushaltsgesetzgeber überlässt, wird der Fall sehr problematisch.
Man kann im Übrigen nicht sagen, dass der überwiegende
Teil von Stiftungen nicht über ausreichendes Kapital verfügt.
Wir gehen von einer Summe von 50 Milliarden Euro aus, die in Stiftungskapital
gebunden ist, und von knapp 20 Milliarden Euro, die jährlich
aus Stiftungen für gemeinnützige Zwecke verausgabt werden.
Bei der Betrachtung dieser Super-Rendite muss man aber die Zusammensetzung
dieser Mittel in Erwägung ziehen: Mittel, die aus öffentlichen
Strukturen kommen, gehören dazu, etwa Leistungsentgelte, die
zum Beispiel Stiftungen erwirtschaften, die Krankenhäuser,
Heime und ähnliches betreiben, Transferleistungen aus Versicherungen
und Spenden, allerdings zu einem kleineren Teil. Die meisten Stiftungen
kommen mit den Erträgen aus dem Stiftungsvermögen aus,
das ihnen der Stifter zur Verfügung gestellt hat, und sie können
davon in der Regel leben, wenngleich sie für Zustiftungen dankbar
sind. Nicht jedes Vermögen ist übrigens dazu geeignet,
Stiftungsstrukturen zu tragen. Es gibt für den privaten Stifter
auch die Möglichkeit, mit kleineren Vermögen in eine bereits
vorhandene Stiftung zuzustiften, die seine Idee ebenfalls verwirklicht.
Dann entfällt nämlich der eigene Organisations- und Verwaltungsaufwand.
Mit kleineren Vermögen lassen sich auch unselbstständige
Stiftungen gründen, bei denen ein Treuhänder die Verantwortung
dafür trägt, dass die Erträge des Vermögens
an die richtige Stelle gelangen; daraus kann, beispielsweise nach
dem Tod des Stifters, auch eine rechtsfähige Stiftung werden.
Es ist wichtig, dass diese Bandbreite von Möglichkeiten von
der Öffentlichkeit wahrgenommen wird: die Zustiftung, die unselbstständige
Stiftung und die selbstständige rechtsfähige Stiftung,
welche ein gewisses finanzielles Potenzial voraussetzt.
Verzeichnis Deutscher Stiftungen
nmz: Es gibt Kulturorganisationen, die aus gutem Grund
darauf hoffen, von Stiftungen begünstigt zu werden. Wie können
sie sich informieren über die unterschiedlichen Stiftungszwecke?
Gibt es so etwas wie ein Stiftungsregister oder ein Stiftungszweckregister?
Winands: Es gibt kein bundesweites öffentliches Stiftungsregister.
Auf Länderebene gibt es Stiftungsverzeichnisse, aber nicht
in jedem Bundesland und teilweise auch nur bei Darlegung eines berechtigten
Interesses an der Einsichtnahme. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe
zur Reform des Stiftungsrechts hat empfohlen, künftig in jedem
Land ein für jedermann einsehbares Stiftungsverzeichnis zu
führen. Der Bund hat hier nach überwiegender Auffassung
der Verfassungsexperten keine grundgesetzliche Regelungskompetenz.
Daher musste dieser Bereich bei der bundesgesetzlichen Neuregelung
des Stiftungsrechts ausgespart werden, zum Bedauern nicht zuletzt
der Bundespolitik selbst. Inzwischen umfasst die Stiftungsdatenbank
des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen über 11.000 Einträge.
Alle drei Jahre gibt dieser Verband ein „Verzeichnis Deutscher
Stiftungen“ heraus. Darin kann man sich über die einzelnen
Stiftungen informieren und insbesondere Stiftungszwecke und damit
zum Beispiel potenzielle Förderer von Kulturvorhaben ausfindig
machen. Die Orientierung ist allerdings recht mühsam, und dies
wird sich auch durch die künftig voraussichtlich in jedem Land
anzutreffenden öffentlichen Stiftungsverzeichnisse nicht ändern
lassen.
Zimmermann: Wir hätten gerne ein Stiftungsverzeichnis
gehabt. Das Problem war, dass die Länder und auch das Bundesjustizministerium
sagten, der Bund habe nach dem Grundgesetz keine Kompetenz, ein
solches Stiftungsverzeichnis vorzuschreiben und zu führen.
Wir müssen deshalb in der Zukunft diejenigen, die Stiftungen
im Kulturbereich gründen, und diejenigen, die Stiftungsmittel
brauchen, näher zusammenbringen, und das betrachte ich auch
als Aufgabe für den Deutschen Kulturrat, der dabei als Börse
fungieren sollte. Wir müssen für die Zusammenarbeit eine
Plattform bilden, damit ein Austausch zwischen Geld und Ideen stattfinden
kann.
Mecking: Wir arbeiten schon seit längerer Zeit an dem
Aufbau einer solchen Clearing-Stelle. Es bedeutet allerdings einen
enormen Aufwand, so etwas, sinnvollerweise EDV-gestützt, aufzubauen.
Auf Seiten der Stiftungen wie auch der Antragsteller müssen
Seriosität und Auskunftsfreudigkeit vorhanden sein: Die Stiftungen
müssen deutlich sagen, welchen Stiftungszweck sie verwirklichen
und ob überhaupt noch Fördermittel für die nächsten
Jahre frei sind. Die Antragsteller müssen darauf achten, welches
Verfahren die jeweilige Stiftung bei der Antragsstellung vorgesehen
hat. Auf beiden Seiten sind viel Aufmerksamkeit und guter Wille
erforderlich; im Grunde geht es um die Herausbildung einer Antragskultur,
und wenn sich Stiftungen daran beteiligen, so ist das mit viel Arbeit
verbunden, weil sie die Informationen ständig auf dem aktuellen
Stand erhalten müssen. Das erst führt zu der Transparenz,
die wir alle anstreben.
Winands: Stiftungen, die operativ tätig sind, wollen
in der Regel ihre Projekte selbst entwickeln und sehen es dann gar
nicht so gern, wenn an sie eine Flut von Förderanträgen
gerichtet wird. Es ist daher ratsam, in der Zweckbeschreibung und
mehr noch in der Außendarstellung einer Stiftung klarzustellen,
ob sie als Förderstiftung, die auf Anträge wartet und
reagiert, fungieren oder als operative Stiftung aktiv gestaltend
wirken will. So kann falschen Erwartungen entgegengewirkt werden.
Wer eine Stiftung gründen will, sollte einem Trugschluss nicht
erliegen. Durch eine Stiftungserrichtung beziehungsweise die Bezeichnung
Stiftung für eine Einrichtung fließt nicht automatisch
Geld. Vielmehr ist es umgekehrt: Das Geld muss da sein, um eine
Stiftung damit zu gründen. Auch sollte man nicht die falsche
Hoffnung hegen, durch die Verwendung des Begriffs der Stiftung mehr
oder einfacher Spenden einwerben zu können. Nur wer als Stiftungsinitiator
interessante Ideen oder Projekte verfolgt, kann andere zum –
finanziellen – Mittun begeistern. Bevor eine Stiftungsgründung
konkret wird, sollte also auf Seiten des Stifters ein gewisses Grundstockkapital
vorhanden sein oder, wie bei einer Bürgerstiftung, die Bereitschaft
eines jeden Mitstifters, einen gewissen finanziellen Beitrag zu
leisten.
Zimmermann: Der Kulturbereich ist eigentlich das ideale Betätigungsfeld
für Stiftungen, weil er so viele verschiedene Möglichkeiten
bietet, aktiv zu werden. Er gibt jedem Stifter, ob mit kleinem oder
ganz großem Kapital, die Chance, sich zu verwirklichen.
Zuerst veröffentlicht in: Kulturstiftungen. Ein Handbuch
für die Praxis. Herausgegeben vom Beauftragten der Bundesregierung
für Angelegenheiten der Kultur und Medien, Bundesverband
Deutscher Stiftungen, Deutscher Kulturrat. Berlin 2002.
Das Buch ist zu beziehen bei: Bundesverband Deutscher Stiftungen,
Binger Straße 40, 14197 Berlin, Tel.: 030/89 79 47-0.