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nmz-archiv
nmz 2002/10 | Seite 51
51. Jahrgang | Oktober
Dossier: Kulturstiftungen
Nie war sie so wertvoll wie heute
Beispiele aus der Arbeit der Stiftung Lesen vor und nach PISA
Die Ergebnisse der PISA-Studie wie auch die schon früher publizierten
OECD-Studien bestätigen auf leider eindrucksvolle Weise die
Untersuchungsergebnisse, auf deren Grundlage die Stiftung Lesen
seit langem arbeitet. Dazu gehört vor allem die Erkenntnis,
dass Leseförderung, wenn sie zuerst und allein in der Schule
erfolgt, zu spät kommt. Erfolgreiche Lesekarrieren, die Kinder
in medienkompetente Erwachsene verwandeln, werden vor dem Eintritt
in die Schule entschieden.
„Karrierefördernd“ sind dabei vor allem:
• Vorlesen durch geliebte Vertrauenspersonen in heimischer
Umgebung. Eltern und vielleicht auch Großeltern ist das Bewusstsein
zu vermitteln, dass sie sich um die rechtzeitige Förderung
ihrer Kindern und Enkelkinder kümmern müssen.
• Bücher im Kindergarten und in der Vorschule, die zum
Vorlesen und Selberblättern einladen. Notwendig ist eine bessere
Aus- und Fortbildung der Erzieherinnen, wozu auch Techniken der
Leseförderung gehören. Überdies bedarf dieser anspruchsvolle
Beruf der entsprechenden Anerkennung unserer Gesellschaft, auch
der materiellen.
• Eine gute Ausstattung der Schulen mit Lesematerial. Nur
ein Fünftel unserer Schulen verfügt über eine Schulbibliothek,
die den Namen auch verdient.
• Der Besuch in der Kinderabteilung der öffentlichen
Bibliothek. Der Abbau der Bibliotheksetats muss gestoppt werden;
vielmehr ist die Leistungsfähigkeit der Bibliotheken zu verbessern.
Bibliotheken müssen selbstverständlicher Bestandteil der
vorschulischen Erziehung und der schulischen Bildung sein.
Darüber spricht und schreibt man in der Stiftung Lesen seit
Jahren, nicht nur am Sonntag, sondern auch an Werktagen und vor
allem: man handelt entsprechend! Die Projekte, welche die Stiftung
seit Jahren bundesweit initiiert und durchführt, sind Legion.
Mittlerweile haben auch viele der Kommunal- und Landespolitiker,
die den Aktivitäten der Stiftung bisher wenig Interesse entgegenbrachten,
bemerkt, welch ein Füllhorn an theoretischen und praktischen
Angeboten zur Leseförderung die Stiftung über sie auszuschütten
in der Lage ist.
Drei Leseförderungsfrüchte aus diesem Füllhorn
seien hier einmal beispielhaft angeführt.
Erstes Beispiel: Im Jahr 2001 erschien das im Auftrag der Stiftung
Lesen und der Deutschen Literaturkonferenz herausgegebene „Handbuch
Lesen“ in einer Taschenbuchausgabe. Für ein Werk dieses
Inhalts mit 690 Seiten ist dies ein erstaunlicher Vorgang, zumal
die gebundene Ausgabe erst zwei Jahre zuvor erschienen war. Dieses
grundlegende Werk hat ein nachhaltiges positives Echo ausgelöst;
zudem verkaufen sich sowohl die 1. wie die 2. Ausgabe hervorragend,
und, dies ist besonders erfreulich, sie werden von den Studenten
der einschlägigen Hochschulen und Fachhochschulen als Standard-
und Lehrbücher genutzt.
Zweites Beispiel: Die Stiftung Lesen hatte in einem norddeutschen
Kindergarten mit Unterstützung eines ortsansässigen Serviceclubs
eine ihrer vielen Lese- und Vorlesebibliotheken eingerichtet und,
wie bei diesen Projekten üblich, auch die Erzieherinnen geschult.
Die Erzieherinnen schrieben nun, wie begeistert die Kinder von den
Büchern seien und dass sie ihre Eltern, wenn diese sie abholen
kämen, zu den Büchern führten, aus denen ihnen einige
Stunden zuvor vorgelesen wurde. Auf diese Weise werden Kinder zu
Leseförderern ihrer Eltern.
Drittes Beispiel: Der Welttag des Buches am 23. April, den die
Stiftung Lesen wieder bundesweit betreute und dessen zentrale Veranstaltung
im Bahnhof Hamburg-Altona stattfand. Vorbereitung wie Durchführung
dieser Aktion waren seitens der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
der Stiftung Lesen perfekt.
Man merkte ihnen an, dass sie von ihrer Sache begeistert waren.
Und nur wer selbst begeistert ist, kann auch andere begeistern.
Dies ist auch in diesem Jahr bei Kindern und Jugendlichen wie Erwachsenen
in hervorragender Weise gelungen. Unterstützt wurde dieses
Großereignis der Leseförderung wieder von der Deutschen
Bahn, dem bisher größten Sponsor der Stiftung Lesen,
dem ZDF, Mitsubishi Motors und dem Verlag Random House.
Fazit: Nie war die Stiftung Lesen so wertvoll wie heute, weil
• Leseförderung in Deutschland eine bittere Notwendigkeit
ist;
• sie ihre Arbeit auf wissenschaftlich fundierter Basis ausführt
und jeweils neueste Forschungsergebnisse berücksichtigt;
• sie vorbildliche Ergebnisse in der Leseförderung auf
Projektbasis wie in der dauerhaften Betreuung vorweisen kann und
dabei mit Schulen, Kindergärten, Bibliotheken, Buchhandlungen,
Kinderarztpraxen und vielen anderen kooperiert; • sie kompetente
und engagierte Geschäftsführer, Mitarbeiterinnen und Gremien
besitzt;
• sie auf leistungs- und finanzstarke Partner in Handel und
Industrie vertrauen kann, die sich mit den Zielen der Stiftung identifizieren.
Bei dieser Leistungsbilanz mag sich der engagierte Leseförderer
fragen: Wieso denn bloß nimmt die öffentliche Hand die
Angebote der Stiftung Lesen noch nicht viel stärker wahr? Die
Antwort ist: Man weiß es nicht.
In einer Presseerklärung der Stiftung Lesen gleich nach Erscheinen
des ersten Teils der Studie hieß es: Die Stiftung Lesen kann
für sich in Anspruch nehmen, seit Jahren auf die Entwicklung
der Missstände in der Öffentlichkeit hingewiesen, aber
auch konkret durch die Entwicklung innovativer Projekte zur Leseförderung
angefangen bei den Familien über Kindergärten bis hin
zu Schulen praktische Hilfestellung geleistet zu haben. Jetzt appelliert
sie daher an die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft, in
einer konzertierten Aktion gemeinsam mit der Wirtschaft, den Gewerkschaften
und den Kirchen den notwendigen Wandel innerhalb der Bildungspolitik
einzuleiten.
Allen, die diesen Wandel wollen, aber sei versichert: Die Stiftung
Lesen ist der richtige Partner in Sachen Leseförderung. Sie
besitzt ein Kompetenzkapital, mit dem man in Sachen Bildung wuchern
sollte. Es wird dann, um ein Goethe-Wort über Bibliotheken
abzuwandeln, unberechenbare Zinsen spenden, von denen die nächsten
Generationen profitieren werden.