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nmz-archiv
nmz 2002/10 | Seite 29
51. Jahrgang | Oktober
Deutscher
Tonkünstler Verband
Stilistische Vielfalt bei zeitgenössischer Musik
Das Manuskriptearchiv des Deutschen Tonkünstlerverbandes
Zeitgenössische Musik hat auf den internationalen Konzertpodien,
in Rundfunksendungen und in Verlagsprogrammen einen schweren Stand
– das ist nichts Neues, umso mehr, als heutzutage das Diktat
des Marktes und der Wirtschaftlichkeit auch die vermeintlichen Nischen
des Kulturbetriebs erreicht hat. Da war es 1980 eine weitsichtige
Entscheidung, als der Deutsche Tonkünstlerverband für
seine Mitglieder das Manuskriptearchiv gründete, das im 23.
Jahr seines Bestehens mittlerweile zirka 1.600 Werke enthält.
Ziel des Archivs ist „die Förderung der Autoren von
bisher unverlegten Werken der Musik und Musikliteratur durch Schaffung
eines Musikarchivs im DTKV, aus welchem Musikverleger, Musikerzieher,
Musiklehrer, musikausübende Künstler und Laien mit noch
unverlegten Werken bekannt gemacht werden sollen. Auf diese Weise
soll es den Autoren erleichtert werden, mit ihrem Werk an die Öffentlichkeit
zu treten und dafür einen Verleger zu finden. Ein unmittelbarer
finanzieller Gewinn wird mit diesem Vertrag von keiner Seite erstrebt.“
(aus der Präambel des Vertrags zwischen DTKV und Autor).
Die im Archiv enthaltenen Werke reichen von Musik für ein
Instrument solo über Kammermusik bis hin zu den kompletten
Aufführungsmaterialien großer Orchesterwerke (Partitur
und Stimmen). Auch kirchenmusikalische, musikdramatische, musiktheoretische
und musikpädagogische Werke sind im Archiv vertreten. Das Manuskriptearchiv
versteht sich aber nicht nur als Dienstleistung für die Komponisten
unter den DTKV-Mitgliedern. Ein wichtiger Aspekt des Archivs ist
die Heranführung der Interpreten, und da vor allem des musikalischen
Nachwuchses, an Neue Musik. Immer wieder stehen Musiklehrer vor
der Situation, dass sie für den Wettbewerb “Jugend musiziert“
spielbare Literatur im Bereich der Neuen Musik suchen – hier
kann das Manuskriptearchiv eine Lücke schließen.
Worin liegt der Unterschied zwischen Werken im Manuskriptearchiv
und Kompositionen, die in Verlagen publiziert werden? Prof. Jürgen
Ulrich, Mitglied der Aufnahmekommission des DTKV für das Manuskriptearchiv,
hält es für zwingend notwendig, dass sich die Kompositionen
aus dem Archiv gegenüber einer Verlagsproduktion behaupten
können. Ein Verlagslektor hat neben der originären Qualität
des vorgelegten Manuskripts jedoch immer auch zu beachten, ob ein
Stück zu dem Verlagsprofil passt, ob die Besetzung eine gewisse
Erwartung beim Verkauf zulässt, ob der Schwierigkeitsgrad zum
Erwartungshorizont der Verlagskunden passt und entscheidet somit
nach anderen Kriterien als das Archiv; der Vergleich zwischen einem
konsistenten Verlagsprogramm gegenüber der eher sammelnden
Funktion einer Bibliothek mit daraus resultierender Stilpluralität
liegt nahe.
Auch wenn heutzutage angesichts leicht verfügbarer Notensatzprogramme
und schnell vervielfältigter Noten das Monopol für die
Verbreitung eines neuen Werkes längst nicht mehr nur beim Verlag
liegt oder liegen muss, braucht der Komponist ohne Verlagsanbindung
doch Verbreitungsmöglichkeiten. Und hier bietet der gedruckte
Katalog des Manuskriptearchivs, der in regelmäßigen Abständen
durch Nachträge ergänzt beziehungsweise neu aufgelegt
und vom Verband jeweils an alle wichtigen Multiplikatoren gesandt
wird, gute Möglichkeiten.
In letzter Zeit sind in größerem Umfang kammermusikalische
Werke von Waldram Hollfelder für verschiedene kleinere, auch
ausgefallenere Besetzungen aufgenommen worden. Außerdem hat
das Archiv begonnen, Nachlässe von Komponisten zu archivieren,
darunter die Werke von Wolfgang Jacobi als auszugsweisen Teilnachlass
und die gesamten Werke von Richard Mader (die Aufnahme der Opera
1–89 ist abgeschlossen) und Alfred Zehelein (der Bestand op.
1–108 ist de facto in München, ab November werden die
ersten Werke zu bestellen sein, die chronologische Einarbeitung
des Bestandes in den Katalog wird Anfang nächsten Jahres abgeschlossen
sein).
Der Katalog 2000 inklusive kumulierter Ergänzungsliste 7/2002
ist für 5,20 Euro (inklusive Porto/Verpackung) beim DTKV zu
bestellen (Anschrift siehe oben; die Bestellung ist auch über
die Internetadresse möglich; der Katalog 2003 erscheint Ende
dieses Jahres). Das zweite und jedes weitere Bestellexemplar des
Katalogs wird mit 2,60 Euro berechnet. Sofern bei einer Notenbestellung
zugleich ein Katalog angefordert wird, wird dieser ebenfalls zum
Preis von 2,60 Euro abgegeben. Die gewünschte Literatur bestellt
der Benutzer bei der Bundesgeschäftsstelle; gegen eine Bearbeitungsgebühr
werden die Noten dann zugeschickt.
Welche Auswirkungen das Internet und eigene Homepages langfristig
auf die vertrieblichen Bemühungen von Komponisten haben –
darüber kann man gegenwärtig nur spekulieren. Als Serviceleistung
des Verbandes für seine Mitglieder bedeutet das Manuskriptearchiv
im Moment für Komponisten jedenfalls sicher eine zusätzliche
Möglichkeit, ihre Werke einer größeren Öffentlichkeit
vorzustellen. Und Interpreten finden hier eine zusätzliche
Gelegenheit, sich über Neue Musik verschiedenster Schwierigkeit
und Besetzung zu informieren.