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nmz-archiv
nmz 2002/10 | Seite 26
51. Jahrgang | Oktober
Jugend musiziert
Schiffe versenken in großer Besetzung
Der 38. Deutsche Kammermusikkurs “Jugend musiziert”
in Rheinsberg
Vom 19. August bis zum 1. September 2002 trafen sich 60 junge
Musikerinnen und Musiker, allesamt Bundespreisträger des Wettbewerbes
“Jugend musiziert”, aus ganz Deutschland und der Schweiz
zum 38. Deutschen Kammermusikkurs „Jugend musiziert“
in der Musikakademie Rheinsberg. Hier ist der Bericht einer Teilnehmerin,
der Klarinettistin Lea Hamm aus Achern in Baden-Württemberg:
Vielleicht ermunterte uns die Lage der Akademie, dass wir bereits
am ersten Abend intensiv Kontakte knüpften? Sie liegt sehr
idyllisch direkt am Grienericksee neben dem Schloss Rheinsberg in
Brandenburg. Die Ensembles fanden sich nach und nach zusammen und
gleich am nächsten Morgen begann die intensive Probenarbeit
unter Anleitung der Dozenten. Geplant war, dass jeder von uns in
mindestens zwei Ensembles mitspielte. Jedes Ensemble wurde alle
ein bis zwei Tage von den Dozenten in den reichlich vorhandenen
Räumlichkeiten der Musikakademie unterrichtet.
Probten das „Divertissement“
von Jean Français unter der Leitung von Albrecht
Gürsching: Andreas Mendel (Oboe), Lea Hamm (Klarinette)
und Sebastian Mangold (Fagott). Alle Fotos: Jugend musiziert
Der Schwerpunkt dieses Kurses lag auf größeren Besetzungen.
So wurden Werke wie das Schubert-Oktett, das Ravel-Septett und die
Kammersinfonie von Ermanno Wolf-Ferrari einstudiert. Auch die zeitgenössischen
Werke kamen nicht zu kurz: von Alfred Schnittke wurde die Serenade
gespielt, die für die exotische Besetzung Klarinette, Violine,
Kontrabass, Klavier und Schlagzeug geschrieben war. Eine große
Besonderheit dieses Kurses war die Anwesenheit des Komponisten und
Oboisten Albrecht Gürsching, der als Dozent mit einem Bläserquintett
sein eigens für diesen Kurs komponiertes Werk einstudierte.
Ein weiteres Highlight war die Chorarbeit mit Steen Lindholm aus
Dänemark. Er genießt international großes Ansehen
als Chorleiter und studierte mit uns Ausschnitte aus Carl Orffs
„Carmina Burana“ ein, da ein Ensemble, bestehend aus
zwei Pianistinnen und fünf Schlagzeuger/-innen, dieses Werk
im Programm hatte. Dieses Projekt war auch für uns Instrumentalisten
eine willkommene Abwechslung, denn wir alle hatten sehr viel Spaß
am Singen. Besonders das allabendliche „Offene Singen“
wurde von uns Kursteilnehmern sehr gerne besucht. Diese Stunde war
als Entspannung, Erholung und „zum Abschalten“ nach
einem intensiven Probentag gedacht. Steen Lindholm sang mit uns
Kanons, russische Melodien und mehrere englische Lieder. Ein wichtiger
Bestandteil seiner Singstunden war die Bewegung und er motivierte
uns erfolgreich zum Springen, Tanzen und Klatschen, was großen
Spaß machte. Aus diesem Bereich stammte auch eine Konzert-Zugabe,
in die das Publikum begeistert mit einbezogen wurde.
Außerdem hörten wir zwei Vorträge: einen von Albrecht
Gürsching über Kammermusik im 18. Jahrhundert, den anderen
von Stephan Picard über unterschiedliche Intonationsarten bei
Streichinstrumenten, was auch für Bläser durchaus interessant
war. Und um unsere probenfreie Zeit zu „bekämpfen“,
übten wir oder trafen uns als Ensemble zum Proben.
Die Lage Rheinsbergs am Grienericksee ließ uns noch ganz
andere Freizeitmöglichkeiten entdecken: Der See wurde täglich
(auch nachts!), Dank des traumhaften Wetters, zum Baden genutzt.
Wir kamen auf den Geschmack von Wassertretern, Ruderbooten und Kajaks,
die wir des öfteren mieteten und spielten ausgiebig und mit
wachsender Begeisterung „Schiffe versenken“! Gleich
in der ersten Woche unternahmen wir zusammen mit den Dozenten einen
Ausflug auf einem Dampfer, und lernten während einer zweistündigen
Fahrt die Umgebung Rheinsbergs kennen.
Leider besitzt die Musikakademie Rheinsberg keinen Aufenthaltsraum,
in dem man abends zusammen sitzen kann. Aber Dank des herrlichen
Wetters konnten wir die Abende im Innenhof des Kavaliergebäudes
verbringen. Für gute Stimmung und Musik sorgten wir natürlich
selbst. Entweder wurden Lieder aus dem „Offenen Singen“
aufgefrischt oder wir lauschten den Salsa-Klängen, die die
Schlagzeuger ihren Instrumenten entlockten.
Die Höhepunkte der gesamten Probenarbeit waren drei öffentliche
Abschlusskonzerte, die sehr abwechslungsreich gestaltet waren: von
Klaviertrios über Streichquartette, Bläsertrios und Quintetten
bis hin zu größeren Ensembles mit bis zu elf Spielern.
Das erste Konzert, ein sogenanntes „Wandelkonzert“,
fand teils im Hof, teils im Theater der Musikakademie statt.
Am darauffolgenden Samstagvormittag gestalteten wir eine Matinee
und abends folgte das dritte Abschlusskonzert. Alle Veranstaltungen
waren gut besucht und sogar viele Eltern wählten Rheinsberg
als Urlaubsziel, um die Musik zu genießen. Diese Konzerte
boten uns die Möglichkeit, einen Teil des erarbeiteten Programms
in der Endfassung vorzuspielen.
Nach dem letzten dieser drei Konzerte gab es eine Abschlussfeier.
Wir saßen ein letztes Mal im Innenhof des Kavaliergebäudes
zusammen und ließen die vergangenen beiden Wochen Revue passieren.
Die Akademie hatte für uns gegrillt und anschließend
wurden verschiedene Beiträge von Teilnehmerseite zum Besten
gegeben. Weder der Beitrag der Schlagzeuggruppe, die Vogelstimmen,
Dampfer und andere Rheinsberger Geräusche imitierte, noch die
Dudelsackmelodie der Doppelrohrbläser durften fehlen.
Nach diesem gelungenen Abschluss, der bis in die frühen Morgenstunden
dauerte, hieß es: Abschied nehmen. Natürlich tauschten
wir noch die Adressen, und dann ging es ab in die Heimat.
Jetzt bleibt nur noch Dank zu sagen: dem Kursleiter Jörg-Wolfgang
Jahn, den anderen Dozenten und dem Organisationsbüro der Bundesgeschäftsstelle
“Jugend musiziert” für diesen sehr gut organisierten
Kurs, bei dem wir viel Neues lernen und neue Erfahrungen mit nach
Hause nehmen konnten.
Es wäre schön, wenn das eine oder andere Ensemble weiterhin
bestehen bliebe.