[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2002/10 | Seite 15
51. Jahrgang | Oktober
Initiative
Konzerte für Kinder
Von der Aufbruchsstimmung getragen
Wie es zum „Education Department“ des Bruckner Orchesters
Linz kam
Das Bruckner Orchester Linz wird in der Saison 2002/2003 als erstes
österreichisches Orchester und als eines der ersten Orchester
im deutschsprachigen Raum ein eigenes „Education Department“
bekommen. Wie kam es dazu und worum geht es beim „Education
Department“ eigentlich? Welche Voraussetzungen waren notwendig
und was bedeutet das Education Department für das Orchester
und seine Musiker? Im folgenden Artikel soll der bis heute beschrittene
Weg nachgezeichnet werden.
Die anlaufende Saison 2002/2003 markiert im Bruckner Orchester
Linz einen Neubeginn: Den Start von Dennis Russell Davies’
Zeit als neuem Chefdirigenten. Vom gesamten Orchester wird das naturgemäß
mit erwartungsvoller Spannung aufgenommen, immerhin verbergen sich
dahinter vielfach neue Chancen, die es zu nützen gilt. Genannt
werden die Konzentration auf musikalische Qualität, das „Ernstgenommenwerden“
als Musiker/-in, die internationale Reputation und natürlich
die spannenden Programme, die der neue Chef mitbringt.Mit einem
Wort: es herrscht Aufbruchstimmung im Orchester. Und die spürt
man auch beim Publikum, das gespannt auf die neue Saison und das
neue Programm wartet.
Albert Landertinger bei
einem Workshop in einer Oberösterreichischen Grundschule.
Foto: Johanna Möslinger
Das Bruckner Orchester Linz ist ein Berufsorchester mit 110 Vollzeit
beschäftigten Musikern und Musikerinnen. Aufgrund seiner Doppelfunktion
als Konzert- und Opernorchester ist das Bruckner Orchester mit rund
50 Konzerten und 200 Opernvorstellungen pro Saison durchaus vielbeschäftigt.
Rein pragmatisch gesehen könnte man deshalb meinen, die Musiker/-innen
wären mit diesem Arbeitsprogramm eigentlich ausgelastet und
wohl nur schwer für neue Ideen zu begeistern.
Für Albert Landertinger, seit 18 Jahren als Musiker auf dem
Podium und mit dem Orchester somit bestens vertraut, hat sich trotz
allem über die Jahre hinweg immer mehr das Bewusstsein entwickelt,
dass in der „klassischen“ Konzertpräsentation nicht
mehr „alles von selbst läuft“. Abseits der Abonnementkonzerte
bleiben Sitzplätze leer und die „klassische Musik“
– also ein Hauptbetätigungsfeld von Orchestermusikern
und -musikerinnen – wird in der breiten Öffentlichkeit
immer noch als elitäre und gewissermaßen auch unerschwingliche
Angelegenheit angesehen. Und das obwohl die Programme, die gespielt
werden, wirklich zu begeistern vermögen, berühren und
einen wunderschönen Abend vermitteln könnten. Es scheint
also, dass die direkte Kommunikation mit dem (zukünftigen)
Publikum notwendig wird, um dadurch die eigene Arbeit besser verständlich
zu machen. In der Zwischenzeit ist Albert Landertinger im neuen
Education Department des Orchesters für die inhaltlichen Belange
und die Methodenentwicklung zuständig. Wie kam er dazu?
„Im Rahmen meines Soziologiestudiums, das ich neben meiner
Orchestertätigkeit betreibe, beschäftige ich mich mit
dem Bruch, der durch die Bevölkerung geht, wenn das Wort „klassische
Musik“ erwähnt wird. Im Zuge einer Recherche bin ich
auch auf neue Methoden der Musikvermittlung gestoßen, wo es
nicht mehr nur um Wissensvermittlung bezüglich eines bestimmten
Musikstückes ging, sondern wo das Selbsterleben von Musik,
das eigene Tun und Probieren im Vordergrund stand. Diese Ansätze
haben wunderbar an meine eigenen Erfahrungen angeknüpft, wonach
es tatsächlich möglich ist, Menschen aus einem musikalisch
nicht vorgeprägten sozialen Hintergrund für Klassik zu
begeistern. Eben durch persönliche Kontakte mit Musikern und
Musikerinnen und durch die Möglichkeit das Musikmachen auch
selber zu erfahren.“
Der Wunsch, als Musiker/-in etwas für das Publikum zu tun
und die (musikalische) Kommunikation abseits des üblichen Austauschs
zwischen Podium und Publikum zu verbessern, war also im Orchester
durchaus vorhanden. Die Ernennung von Dennis Russell Davies zum
neuen Orchesterchef kam da gerade recht. Herr Davies ist als Amerikaner
nicht nur längst mit den vorbildhaften Vermittlungsprogrammen
der angloamerikanischen Orchester vertraut. Er war selber im Rahmen
von „LinkUp“, einem Musikervermittlungsprogramm der
Carnegie Hall in New York, aktiv als Musikvermittler tätig.
Neben Dennis Russell Davies ist außerdem Dr. Heribert Schröder,
langjähriges Vorstandsmitglied der Jeunesses Musicales Deutschland,
zum Bruckner Orchester Linz gestoßen. Für Herrn Schröder
ist Musikvermittlung im Orchester nach britischem Vorbild ebenfalls
ein wesentliches Anliegen. Aus dieser Konstellation heraus und dem
Willen der Verantwortlichen in Oberösterreich ist es nun gelungen,
die anfängliche Idee eines eigenen Education Departments für
das Bruckner Orchester bereits in der angelaufenen Saison zu verwirklichen.
Auf welches Know-how stützt sich das Department? Mit der
wertvollen Unterstützung durch Dennis Russell Davies und Heribert
Schröder im Hintergrund kam es noch im Dezember 2001 zum Kontakt
zwischen Albert Landertinger und DI Johanna Möslinger vom Österreichischen
Kultur-Service. Frau Möslinger war dort unter anderem für
den Bereich Musikvermittlung in österreichischen Schulen zuständig
und leitete darüber hinaus „ÖKS. Moment! Musik“,
ein umfassendes Projekt für zeitgenössische Musikvermittlung.
Ihr deklarierter Schwerpunkt lag aber im Bereich Musikvermittlung
im Orchester. Aus diesem Kontakt ergab sich bald eine Zusammenarbeit
zwischen Johanna Möslinger und dem Bruckner Orchester Linz
in Bezug auf die Konzeption und die Organisationserfordernisse eines
möglichen Education Departments. Im neugegründeten Education
Department wird sie für die Organisation und den öffentlichen
Auftritt zuständig sein.
Im Zuge der Planungsphase testete Albert Landertinger gemeinsam
mit anderen Orchestermusikern und -musikerinnen unterschiedliche
Workshop-Settings zur Konzertvorbereitung an Schulen. Zusätzliche
Impulse erhielt er dabei bei der Fachtagung der Jeunesses Musicales
Deutschland in Heek, wo auch der Kontakt zu Paul Rissmann und zu
Ursula Heidegger vom Royal Scottish National Orchestra geknüpft
wurde. Die in der Zwischenzeit gewonnenen Erfahrungen ließen
bei allen Beteiligten den Glauben und die Überzeugung an das
Projekt sprunghaft steigen. Und das mit gutem Grund: Mittlerweile
ist die Planungsphase abgeschlossen. Am 15. Oktober wird das Department
und alle damit verbundenen Maßnahmen in Linz der Presse vorgestellt.
Zum Abschluss nochmals ein Zitat von Albert Landertinger, das
auf den Punkt bringt, welcher entscheidende Einfluss dem neuen Chefdirigenten
des Orchesters in der Sache „Education Department“ zukommt:
„Als Orchestermusiker erlebt man nicht oft diese Aufbruchstimmung,
die im Bruckner Orchester zur Zeit durch die Bestellung von Dennis
Russell Davies herrscht. Viele meiner Kollegen empfinden das ganz
ähnlich wie ich. Das ist auch der Grund, weshalb das Projekt
,Education Department’ den größten Zuspruch von
meinen Kollegen und Kolleginnen erfährt.
Und getragen werden muss ein ,Education Department’ von den
einzelnen Orchestermusikern, die ja selbst als Vermittler ihrer
Musik auftreten werden.“