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nmz-archiv
nmz 2002/10 | Seite 7
51. Jahrgang | Oktober
Musikwirtschaft
Ein Intendant der neuen Zeit
Der Bau des neuen Konzerthauses in Essen
In Essen wird 2004 ein neues Konzerthaus eröffnet: ein spannendes
Unterfangen, das die unterschiedlichsten musikwirtschaftlichen und
kulturpolitischen Aspekte berührt. Die neue musikzeitung wird
den Um- und Ausbau sowie die Gesamtplanung des Hauses als Medienpartner
begleiten und dabei über Themen berichten, die für unsere
Leser interessant sind. Zum Start sprach Barbara Haack in Köln
mit dem Intendanten, Michael Kaufmann. In den kommenden Ausgaben
werden wir das Entstehen des neuen Hauses weiter begleiten.
Kaum hat das neue Dormunder Konzerthaus seine Tore geöffnet,
schon scharrt der Ruhrgebiets-Nachbar mit den Hufen. Auch die Stadt
Essen lässt sich nicht lumpen und will im Juni 2004 ihr eigenes
Konzerthaus eröffnen. Im Gegensatz zu Dortmund wird es hier
aber keinen Neubau geben. Vielmehr wurde in Essen – nach intensiver
öffentlicher Diskussion – die Entscheidung getroffen,
den existierenden, schon 100 Jahre alten Saalbau in einen modernen
Konzertbau zu verwandeln.
Das Skelett des alten und
neuen Hauses. Foto: Arbeitsgemeinschaft Saalbau
Muss denn die Stadt Essen – zwischen Düsseldorf und
Dormund, zwischen Köln und Bochum liegend – nun auch
noch ihren eigenen Konzertsaal haben? 90.000 Essener Bürger,
die, um die Entscheidung zu beschleunigen, sich in einer Bürgerbewegung
zusammenschlossen und Unterschriften sammelten, waren der Meinung:
Sie muss. Und auch Vertreter der Essener Industrie standen hinter
dem Projekt, nicht zuletzt vielleicht deshalb, weil sie mit ihren
Geschäftspartnern und Gästen aus aller Welt eben nicht
immer in die umliegenden Metropolen fahren wollten, um ihnen „große“
Kultur zu bieten. Natürlich wurde die Frage: „Konzerthaus
ja oder nein?“ schnell auch zum Politikum. Engagierte sich
die 1998 regierende SPD für einen kompletten Neubau, so machte
die oppositionelle CDU den Umbau zum Wahlkampfversprechen. Ausschlaggebend
war schließlich ein Geldgeber: Die Thyssen-Krupp-Stiftung
versprach, sich mit 13 Millionen Euro zu engagieren – unter
der Bedingung, dass der alte Saalbau um- und ausgebaut werde. Damit
war die Entscheidung gefallen.
Einen musikalischen Namen hat sich die Stadt Essen bisher vor allem
durch die Qualität ihres Musiktheaters und dessen Generalmusikdirektor
Stefan Soltesz gemacht. Der gute Ruf des Hauses geht weit über
die Stadtgrenzen hinaus. Soltesz hat nun mit dem Intendanten des
Saalbaus, Michael Kaufmann, einen neuen Kollegen bekommen. Beide
gehören zur Theater & Philharmonie Essen GmbH (kurz: TuP),
deren Kopf ein kaufmännischer Geschäftsführer ist.
Michael Kaufmann ist so etwas wie ein „Intendant der neuen
Zeit“. Programmatische und inhaltliche Entscheidungen für
das neue Haus haben für ihn hohe Priorität. Gleichbedeutend
aber sind Aufgaben des modernen Managements, allen voran die Frage,
wie denn das – sorgfältig ausgewählte – Programm
langfristig ein möglichst großes Publikum anlockt. „Es
geht darum, dass Menschen, die sich ein Programm ausdenken, auch
Lust daran haben, es zu verkaufen“, sagt Kaufmann. Marketing
gewinnt einen hohen Stellenwert in der Planung zukünftiger
Konzertprogramme.
Im Übrigen ist Michael Kaufmann zurzeit insbesondere mit allen
Fragen der Bauplanung und Einrichtung des Hauses beschäftigt.
Ein vielseitiger Job also, zu dem ihn sein beruflich vielseitiger
Werdegang befähigt. Schon sein Studium der Germanistik, Rhetorik
und Ethnologie war begleitet von einer intensiven Beschäftigung
bei den Ludwigsburger Festspielen, wo er zunächst für
die technische und logistische Organisation, später auch für
Fragen der künstlerischen Planung verantwortlich war. Hier,
so Kaufmann, habe er alles Grundlegende gelernt. Schon allein deshalb,
weil ein kleiner Betrieb wie die Festspiele ein Denken in einzelnen
Ressorts verhindere: Jeder Mitarbeiter musste darauf vorbereitet
sein, auch mal den Kollegen aus anderen Bereichen zu vertreten.
Eine Rundum-Ausbildung zum Musikmanager also! Später war Kaufmann
beim Deutschlandfunk für den zentralen Veranstaltungsdienst
zuständig. 1991 suchte das Kölner Gürzenich-Orchester
einen neuen Orchesterdirektor.
Kaufmann griff zu und stieg, als Franz Xaver Ohnesorg die Musik-Triennale
ins Leben rief, auch hier ein, später ganz darauf um, wurde
schließlich Betriebsdirektor der Köln Musik GmbH. Ohnesorgs
Weggang brachte für Kaufmann, der als Nachfolger im Gespräch
war, auch einen beruflichen Wechsel mit sich. Als für den Veranstaltungsbereich
zuständiger Geschäftsführer der Kölnarena lernte
er nun auch den Konzertbetrieb außerhalb der Klassik kennen.
Nach dem Holzmann-Crash – die Kölnarena ist eine hundertprozentige
Holzmann-Tochter – machte sich Kaufmann als Berater selbstständig.
Jetzt ist er Intendant des Essener Konzerthauses und kann hier seine
vielfältigen Erfahrungen umsetzen.
In der Bauphase gilt es, die unterschiedlichsten Fragen zu entscheiden,
diverse Probleme zu lösen. Angefangen bei der Saal-Akustik,
für die Kaufmann Karl-Heinz Müller, einen bekannten Akustiker
aus München, gewinnen konnte bis hin zum Catering, der Ausstattung
der Künstlerräume oder des Bodenbelags für das Foyer.
Bis auf die tragenden Wände des alten Saalbaus wird tatsächlich
alles neu gemacht. Die Planung sieht einen Umbau des bisherigen
Saals mit 1.100 Plätzen in einen Konzertsaal mit knapp 2.000
Plätzen vor. Der bisherige „klassische“ Kammermusiksaal
fällt weg, dafür gibt es den „RWE-Pavillon“
mit 400 Plätzen, der vielseitig verwendbar sein soll: Kammermusik,
Experimentelle Musik, Kinderkonzerte, Mischformen aus Literatur
und Musik oder Kunst und Musik sind hier denkbar. Geplant sind –
für beide Säle – insgesamt zirka 170 Veranstaltungen
im Jahr. Davon werden etwa die Hälfte vom Intendanten verantwortete
Eigenveranstaltungen sein.
Und die „Konkurrenz“? Das Konzerthaus Dortmund –
in unmittelbarer Nachbarschaft – hat den Essenern zwei Jahre
voraus, um sich zu profilieren. Gibt es überhaupt genügend
Publikum, um ein so gedrängtes Kulturprogramm wie das des Ruhrgebiets
an den Mann zu bringen? Grundsätzlich, so Kaufmann, gehe es
erst einmal darum, sich in der eigenen Stadt einen Namen zu machen.
Die Konzerthäuser Köln und Düsseldorf sind ein gutes
Beispiel für nicht konkurrierende Nachbarschaft. Die 6 Millionen
Menschen, die im Ruhrgebiet wohnen, sind mehr als genug, um beide
Häuser zu füllen. Nun geht es darum, das potenzielle Publikum
anzulocken, es davon zu überzeugen, dass sie in den Kulturhäusern
gut aufgehoben sind. Und natürlich sind auch Kooperationen
zwischen Essen und Dortmund denkbar. Zumindest Michael Kaufmann
könnte sich das gut vorstellen.