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nmz-archiv
nmz 2002/10 | Seite 20
51. Jahrgang | Oktober
Rezensionen
Mozart im Achter-Pack bei ALDI
Aus der Mozart-Edition von „Brillant Classics“
Wer sich für 11,99 Euro im Drogeriemarkt einen Schuber kauft,
der auf acht CDs alle geistlichen Werke Mozarts – außer
den Messen – enthält, wird sich vermutlich nicht dafür
interessieren, welches Instrumentalensemble sich hinter dem Namen
Teatro Armonico Stuttgart versteckt, das auf der Hülle genannt
wird. Auch die Solisten werden ihm egal sein, deren Namen ohnehin
unbekannt sind. Aber vielleicht wird er sich den Nordic Chamber
Choir und den Namen Nicol Matt merken, wenn er etwas von Mozart
und seiner Musik versteht oder wenn er jemanden kennt, der das tut
und dem er das CD-Paket schenken will; denn warum sollte er sonst
das Paket kaufen.
Dass er den „kompletten Mozart“ zu erstaunlich niedrigen
Preisen im Drogeriemarkt, bei Aldi oder anderen Discountern oder
bei Zweitausendeins findet, liegt an der Verkaufs-Philosophie und
-Strategie des niederländischen Konzerns Foreign Media Group
in Leeuwerden, der im Mai 2001 in Landau mit der MME Multimedia
Entertainment GmbH ein deutsches Tochterunternehmen ins Leben rief,
um Multimedia und Musikprodukte in Deutschland, Österreich
und der Schweiz zu vertreiben. In den Benelux-Ländern hatte
der Konzern das Label Joan Records B.V. erfolgreich etabliert und
im Januar 2002 wurde auch die deutsche Tochter mit Sitz in Landau
umbenannt in Joan Records Entertainment GmbH, als Klassik-Label
„Brilliant Classics“ installiert. Dahinter steht der
musikbesessene Niederländer Pieter von Winkel, Konzertpianist
mit Diplom vom Conservatorium Utrecht, Manager mit Erfahrungen bei
Chandos, Hyperion, Telarc, Denon, Vanguard oder Naxos, der heute
von Montagum, einem kleinen Ort an der holländischen Nordseeküste,
alles dirigiert. Im Musikbereich werden weit über 300 Klassiktitel
angeboten, daneben 110 Softwaretitel aus den Bereichen Infotainment,
Edutainment und Spiele, und dies aus eigenen Produktionen und aus
Lizenzverwertungen; die Produktgruppen Film und Buch werden dazukommen.
Mir liegen die beiden Schuber mit Mozarts Chorwerken vor, aufgeteilt
in eine Acht-CD-Kassette mit allen Messen (Vol. 15 für E 12,99)
und eine Sieben-CD-Kassette (Vol. 8 für E 11,99) mit allen
anderen geistlichen Werken. Der Inhalt ist schon in seiner Fülle
bewundernswert. Selbst Mozart-Fans werden nicht alles kennen, was
da zusammengestellt ist: von den Messen sicherlich die späten,
vor allem die Krönungsmesse und die unvollendete in c-Moll,
aber wie ist es mit den frühen? Das interpretatorische Niveau
der 17 lateinischen Messen Mozarts ist durchgängig gleichermaßen
hoch, das der c-Moll-Messe sogar über dem Durchschnitt; auch
in den weniger bekannten frühen Messen finden sich herrliche
Einzelsätze in mitreißender Darstellung.
Weil in jedem der insgesamt 51 Werke ein Chor mitwirkt, hat der
Nordic Chamber Choir – der seit kurzem Chamber Choir of Europe
heißt – viel zu tun, und sein Leiter Nicol Matt als
Dirigent noch mehr zusammenzuhalten, nämlich 17 unterschiedlich
eingesetzte Solisten und die Instrumentalisten – zwei renommierte
Kammerorchester des deutschen Südwestens in Pforzheim und Mannheim
und dazu noch zwei Ad-hoc-Ensembles: eines, eben jenes Teatro Armonico,
zusammengesetzt aus Musikern verschiedener Stuttgarter Orchester,
das andere, Camerata Würzburg, aus Professoren und Studenten
der Musikhochschule Würzburg.
Das klingende Ergebnis dieses Mammutunternehmens überrascht
und überzeugt: denn der in seinen vier Stimmen fast immer nur
mit jeweils fünf Sängern besetzte Chor gestaltet nicht
nur akribisch genau und sauber, sondern voll Spannung, dynamisch
und im Ausdruck mit breiter Farbpalette, mit hinreißendem
Enthusiasmus und rhythmisch prägnant, besonders deutlich etwa
im A-Capella-Chorsatz „God is our refuge“ KV 20 zu erleben.
Die Instrumentalisten lassen sich von der einfühlsam sicheren
Hand Nicol Matts in alle Feinheiten dieser Ausarbeitung hineinführen
und bereiten so dem chorischen Geschehen eine präzise austarierte
Grundlage.