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nmz-archiv
nmz 2002/10 | Seite 22
51. Jahrgang | Oktober
Bücher
Wege in die Radio-Zukunft
Neue Konzepte in Buchform
Zukunftsmusik für Kulturwellen. Neue Perspektiven der
Kulturvermittlung im Hörfunk (hg. von Ruth Blaes, Arnd
Richter, Michael Schmidt), Vistas, Berlin 2002, 207 Seiten, 15 Euro.
Unisono schallt es durch die Szene: „Die Klassik steckt in
der Krise“. Selten sind sich Plattenfirmen, Presse und Pädagogik
so einig, als wenn es darum geht, über das sinkende Interesse
an klassischer Musik zu lamentieren. Und man kann es schon gar nicht
mehr hören, dass Absätze von Tonträgern ins Bodenlose
sinken, immer weniger Leute Klassik-Wellen einschalten. Auch weil
man auf Vorschläge, wie die missliche Lage zu verbessern wäre,
bislang vergebens wartete.
Bislang – denn nun hat sich ein verschworenes Grüppchen
unverbesserlicher Radio-Enthusiasten dazu durchgerungen, neue Konzepte
in Buchform zu publizieren. Unter dem Titel „Zukunftsmusik
für Kulturwellen“ finden sich Beiträge von Autoren
aus der Radiopraxis, die Klassik- und Kulturwellen nicht mehr als
Vehikel zum bloßen Abspielen von (Hoch-)Kulturgut verstehen.
Eher stellt sich beim Lesen der Eindruck ein, dass Kultur-Radio
ein autonomes Medium ist, das nach ganz eigenen Gesetzen funktioniert.
Allerdings nur dann, wenn die Chancen des Mediums auch wirklich
genutzt werden.
Allein deshalb ist das schmale Bändchen erfreulich. Doch
gelingt es wirklich, ein positives Gegenszenario zum Status quo
zu entwerfen? Am Anfang steht, wie immer, die Analyse: Im Kapitel
„Radiohören im Wandel“ geht es darum, wie sich
der Kulturbegriff in den letzten Jahrzehnten verändert hat
und mit ihm die Hörgewohnheiten. Man lernt den „Neuen“
und den „Klassisch Kulturorientierten“ kennen, den „erlebnis-“
und „leistungsorientierten“ Hörer und überlegt,
in welche Kategorie man selbst passt.
Dennoch: Eine knochentrockene Soziologie-Abhandlung braucht keiner
zu fürchten. Weil durch alle Kapitel frische Aufbruchstimmung
weht – man lese nur das Inhaltsverzeichnis: „Neue Radioformen“,
„Neue Dramaturgien“, „Neue Formen der Moderation“,
„Neue Wege in der Öffentlichkeitsarbeit“. Vor allem
aber, weil die meisten Autoren gestandene Praktiker sind, weil immer
zu spüren ist, mit wie viel Engagement und Liebe zum Radio
alle Beteiligten bei der Sache sind: Joachim Salau verpackt die
„Perspektiven computergestützter Musikrotation“
als heiteres Frage-Antwort-Spiel, Miriam Stumpfe berichtet mit einer
Reportage aus dem Studioalltag um sechs Uhr morgens und bei Wilhelm
Matejka ist zu erfahren, wie viel Stimme, also auch Radio, mit Eros
zu tun hat.
Wer allerdings auf der Suche nach schnellen Patent-Lösungen
ist, wird hier nur bedingt fündig werden. Das ist mit einem
schmalen 200-Seiten-Bändchen kaum zu leisten und war wohl auch
nicht intendiert. Viel eher handelt es sich bei dieser Publikation
des ZFP (Zentrale Fortbildung Programm-Mitarbeiter ARD/ZDF) um eine
facettenreiche Sammlung von Denkanstößen für die
Zukunft, die auch noch Lust auf bewussteres Radio-Hören macht.
Und das ist heute schon sehr viel.