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VdM
nmz-archiv
nmz 2002/10 | Seite 28
51. Jahrgang | Oktober
Verband deutscher Musikschulen
PISA ist nicht nur Schule
Oder: Was auf der Festveranstaltung des VdM in Hamm so geredet
wurde
Natürlich – da wird ein Verband 50 Jahre alt, und da
muss man – wenn man als Redner geladen ist – auch etwas
Freundliches sagen. Das fällt ja auch nicht allzu schwer in
diesem Fall: Alle wollen sie, die Musikschulen, alle sind stolz
und froh, dass es sie gibt. Wenn es aber ernst wird, verbleichen
die Lippenbekenntnisse schnell, gibt es andere Prioritäten
für das öffentliche Geldausgeben, dann „sind uns
von der Finanzlage her die Hände gebunden“ oder „es
liegt keine originäre Zuständigkeit“ vor.
Immer auf den Punkt bringt es der Präsident des Deutschen
Musikrats, Professor Dr. Franz Müller-Heuser, der nachdrücklich
zu machen verstand, was der Deutsche Musikrat ja auch in seiner
Kampagne „Hauptsache: Musik“ auf breiter Front thematisieren
will: „Die Musikschulen sind die Basis des gesamten Musiklebens“.
Und er setzte, als hätte er die Absicht seiner Nachrednerin,
der Bundesjugendministerin, vorausgesehen – wozu ja seit PISA
kaum hellseherische Fähigkeit gehört – den Satz
fort mit einer Forderung, die fast allzu selbstverständlich
daher kam, aber gerade darin umso provokanter nachhallte: „und
ein unverzichtbarer Bestandteil des deutschen Bildungssystems.“
Hatte zuvor der VdM-Vorsitzende Dr. Gerd Eicker in seiner Begrüßungsrede
den Blick auf die teilweise ernste Bedrohung der Musikschulen gelenkt,
dann freilich nicht ohne perspektivisch ein optimistisches Bild
zu zeichnen, in dem der PISA-Schock seine Rolle als – hoffentlich
– heilsame Erfahrung der verantwortlichen Bildungspolitiker
spielte. Nicht allein auf die Intensivierung des Lern- und Informationswissens
sei zu setzen, vielmehr trage gerade die musikalische Bildung in
hohem Maße dazu bei, „die gesamte Persönlichkeit
auszubilden und Schlüsselkompetenzen zu vermitteln. Musikschulen
sind dafür die idealen Partner“, so Eicker. Mit ihrem
Vertrauen in der Bevölkerung, mit ihrem enormen Innovationspotenzial
und ihrer aktiven Öffnung in alle Kunst- und Lebensbereiche
und hin zu vielen interessanten Partnern, sei er um eine gute Zukunft
nicht besorgt, zumal der Verband in vorbildlicher Weise substanzielle
Hilfestellungen wie etwa Qualitätsmanagement und Fortbildung
sowie Know-how-Transfer beizusteuern vermag.
So hatte der Musikratspräsident freilich eine optimale Steilvorlage,
wenn er angesichts der bildungspolitischen Bedeutung der Musikschulen
eine wesentliche Zuständigkeit doch auf einer Ebene erblickte,
aus der bisher sehr unterschiedliche Winde wehten: „Die Unterstützung
der Musikschulen muss als Staatsaufgabe hohen Ranges erkannt werden“,
forderte Müller-Heuser und meinte damit jene Ebene des Staatswesens,
welche die Bildungs- und Kultushoheit für sich zu beanspruchen
gewohnt ist. Dank der Knappheit seines Auftritts klangen seine Worte
noch über den langen Beifall hinaus.
Die nun wirklich freundliche, alle greifbaren Assoziationen des
Wertes musikalischer Bildung ausschöpfende Festrede der Bundesministerin
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Christine Bergmann,
nahm – und dies sei nicht wegen einer möglichen Eintönigkeit
der Wiederholung bemerkenswert, sondern vielmehr wegen der Einstimmigkeit,
in der sich die Redner diese Staffel weiter gaben – erneut
Bezug auf die Bildungsdiskussion: „PISA ist nicht nur Schule“,
so die Ministerin in ihrer Ansprache. 65 Prozent aller Bildung –
wie auch immer man dies messen mag: eine erstaunliche Größe
– werde auch gar nicht in der Schule erworben, war zu erfahren.
In außerschulische Bildung müsse vermehrt investiert
werden. Neben der Frühförderung der Kinder müsse
die kulturelle Grundversorgung, mithin auch die Musikschulen, „in
das Bildungsgeschehen vor Ort eingebracht werden.“ Bergmann
wörtlich weiter: „Das ist nicht zum Nulltarif zu haben.
Hier müssen wir investieren.“ Man darf gespannt sein,
ob und wie die versprochenen vier Milliarden aus dem Bundesbildungsministerium
auch die Musikschulen erreichen werden. Jedenfalls leistete die
Ministerin einer zentralen Forderung des VdM nach Berücksichtigung
der Musikschulen und ihrer Angebote beim Ausbau der Ganztagsschule
durchaus Schützenhilfe: „Die Kooperation zwischen allgemein
bildenden Schulen und Musikschulen ist wichtig, um Kinder optimal
fördern zu können.“
Leider war der Kultusminister des Landes Nordrhein-Westfalen,
der zuvor – nicht ohne zweifelnden Seitenblick sowohl auf
die vom Hammer Oberbürgermeister ebenso emphatisch wie sympathisch
betonte kulturelle Mittelzentrumfunktion seiner Stadt als auch auf
die Bemühungen des Bundes bei der außerschulischen Jugendbildung
– selbstbewusst versichert hatte, dass sein Land die Musikschulförderung
nicht gekürzt habe, zu diesem Zeitpunkt nicht mehr anwesend.
NRW, ein Land, aus dessen Städten stets viele wichtige Impulse
für die Entwicklung der Musikschulen kamen und kommen, engagiert
sich immerhin mit ganzen 1,11 Prozent an den Kosten der öffentlichen
Musikschulen im Lande. Bitte recht freundlich!