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nmz-archiv
nmz 2002/10 | Seite 3
51. Jahrgang | Oktober
Zukunftswerkstatt
Mittler zwischen den Welten muss man sein
An Deutschlands Hochschulen boomen die Studiengänge für
Kulturmanagement
Noch vor einigen Jahren gehörte es fast zum guten Ton von
Opernintendanten ihr Budget um gewaltige Beträge zu überziehen.
Finanzielle Fehlplanungen wurden von städtischen Kämmerern
schweigend übergangen, um keinen Verlust von künstlerischem
Image hinnehmen zu müssen. In vielen Institutionen fehlte der
kompetente Gegenpart, der trotz Einhaltung des Budgets die Wünsche
des künstlerischen Leiters realisieren half.
Geschäftsführerin
des Institutes für Kultur- und Medienmanagement der
Hochschule für Musik und Theater Hamburg: Gesa Birnkraut
Ein Blick auf den gegenwärtigen Markt macht jedoch Folgendes
deutlich: Die Ansprüche an wirtschaftliche Professionalität
von staatlichen wie privaten Häusern war noch nie so hoch wie
heute. Künstlerische Einzelprojekte finden keine wohlmeinenden
Mäzene mehr, sondern müssen mit Kostenplänen und
Finanzierungstrategien um Gelder kämpfen. Immer mehr staatliche
Institutionen werden in privatwirtschaftliche Gesellschaftsformen
umgewandelt. Theater werden zu GmbHs, Museen zu gemeinnützigen
Stiftungen. Dies sind Maßnahmen, die nicht nur eine rein rechtliche
Änderung beschreiben, sondern starke wirtschaftliche Umstrukturierungen
herbeiführen sollen. So wurden den künstlerischen Leitern
der Hamburger Museen allesamt kaufmännische Geschäftsführer
an die Seite gestellt – eindeutig eine Entlastung für
den Künstler, der sich zum Beispiel nicht mehr um Kostenplanung
kümmern muss.
Die Nachfrage nach Managern in der Kultur scheint also unendlich
groß, aber mit den herkömmlichen Mitteln der Betriebswirtschaftslehre
wird man im heutigen Kulturbetrieb kaum überleben können,
genauso wenig wie mit rein künstlerischen Methoden.
Kulturmanager – ein Berufsbild mit Zukunft
Als vor 15 Jahren Deutschlands erster Studiengang für Kulturmanagement
an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg gegründet
wurde, erntete dies nicht nur zustimmende Worte. Viele skeptische
Blicke gingen in Richtung Hamburg. Mussten Musiker jetzt auch noch
Manager werden? Sollten Pianisten sich nicht nur auf ihre Kunst
konzentrieren können, sondern auch die schnöde Zahlenwelt
ihr eigen nennen?
Die Entwicklung der letzten Jahre hat allerdings gezeigt, dass
ein großer und immer noch wachsender Markt für Kultur-
und Medienmanager besteht. Aus dem einen Studienangebot sind gut
40 Angebote in Deutschland, Österreich und der Schweiz geworden
– nicht nur an Musikhochschulen, sondern auch an Universitäten,
Weiterbildungsinstituten und Akademien. Dabei liegt der Schwerpunkt
der Studierenden nicht mehr nur auf Musikern, die eine Zusatzqualifikation
erlangen wollen, sondern ebenso auf Literaturwissenschaftlern oder
Kunsthistorikern. Aber auch Juristen und BWLer streben eine Ausbildung
zum Kultur- und Medienmanager an.
Kulturmanager müssen von allem etwas sein: Diplomat, Künstler,
administrativer Planer, Kalkulierer, Stratege, Finanzexperte und
Dolmetscher. Mittler zwischen den Welten muss man sein, um die verschiedenen
Betrachtungs-, Begriffs-, und Sprachebenen zu verstehen, die bei
einem kulturellen Projekt angesprochen werden. Ohne Erfolg jedenfalls
werden in den meisten Fällen die Bemühungen großer
Unternehmensberatungen sein, mit den gewohnten Kennzahlen und Planungshorizonten
an Probleme in Kulturinstitutionen heranzugehen. Zu oft basiert
das tägliche Management einer Kulturinstitution auf völlig
anderen Gegebenheiten als das Management eines Industrieunternehmens.
Dabei besteht das Berufsbild des Kultur- und Medienmanagers nicht
erst seit heute. In den USA wurden bereits 1965 die ersten Ausbildungsgänge
im Fach arts management gegründet, sicher nicht zuletzt wegen
der in den USA vorherrschenden staatsfremden Finanzierung und dem
daraus folgenden Zwang, private Mittel zu akquirieren und mit privatwirtschaftlichen
Unternehmen zu kommunizieren.
Management als Zusatzqualifikation
Sollten Künstler also vom ersten Semester ihrer Ausbildung
an den Musikhochschulen Managementkurse belegen und Bilanzierung
neben Bachkantaten studieren? Meines Erachtens nach ein gewagtes
Unterfangen. Nach wie vor haben wir in Deutschland einen unschätzbaren
Reichtum an künstlerischer Freiheit und Experimentierfreudigkeit,
die den Künstlern überlassen wird, so wie den Managern
die Einschätzung der Realisierungschancen dieser Projekte und
das Auffinden von Lösungen managerialer Probleme eigen ist.
Ein ganzheitliches Verständnis und eine Akzeptanz wirtschaftlicher
Abläufe und Probleme wird in Zukunft jedoch unverzichtbar für
Künstler sein.
Bleiben wir bei dem Sinnbild des Mittlers: Niemand würde versuchen
eine wichtige Verhandlung auf russisch zu führen, wenn er der
Sprache und der kulturellen Gegebenheiten nicht mächtig ist.
Man arbeitet mit einem Vermittler zusammen, der all diese Voraussetzungen
erfüllt. Es wird eine Strategie zusammen mit ihm erarbeitet,
man vertraut ihm in Bezug auf Verhandlungstaktiken, geht Kompromisse
ein, um sein Ziel zu erreichen und gewinnt im Zweifel zusammen mit
dem Vermittler. So wie ein Kulturmanager niemals den Posten eines
künstlerischen Leiters anstreben wird, sollte ein Künstler
auch nicht das Finanzgeschick eines Managers erlernen wollen.
Die Bedürfnisse der Institutionen auf der einen Seite und
der Unternehmen auf der anderen Seite nach einem ganzheitlichen
Verständnis von Kultur und Management ist in den letzten Jahren
enorm gestiegen. Künstler wollen Wirtschaftsleute verstehen
und Unternehmer wollen wissen, wie Künstler denken. Unternehmen
fühlen sich als Bürger der Gesellschaft und wollen im
Zuge dieses corporate citizenship künstlerischen Projekten
helfen. Ausstellungen wie „art and economy“ zeigen diese
Auseinandersetzung der beiden Pole miteinander und viele Beispiele
an Kooperationen zwischen Künstlern und Unternehmen verdeutlichen
die Annäherung der beiden Welten. Zauberworte wie Sponsoring
und fund raising beleben immer wieder die Medienlandschaft. Alles
Instrumente, die der Kultur- und Medienmanager geschickt zum Nutzen
der Künstler einzusetzen weiß, aber nie ohne den Künstler
und selten ohne die Unternehmen. Oft helfen schon simple Maßnahmen,
um komplexe Sachverhalte zu vereinfachen. Eine Kalkulation zum Beispiel
kann dabei helfen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie durch Einwerbung
von Sach- und Dienstleistungen das angestrebte Budget viel leichter
und einfacher zu erreichen ist.
Hochschulen im Wandel
Die Hochschulen, die vor Jahren schon die Notwendigkeit gesehen
haben, Aufbau- und Ergänzungsstudiengänge im Bereich des
Kulturmanagements zu gründen, sind nun selbst in der Situation
wirtschaftliche Maßstäbe anlegen zu müssen. Umfassende
Hochschulreformen werden an vielen Musik- und Kunsthochschulen in
Deutschland von der Politik gefordert und durchgesetzt. Weg von
den Fachbereichen, hin zu einer modernen Matrixorganisation, so
hieß es letztens in den Schlagzeilen über die neuen Strukturpläne
der Hochschule für bildende Künste in Hamburg. An der
Stuttgarter Musikhochschule ist seit Februar diesen Jahres der erste
Nicht-Musiker und Kulturmanager Rektor geworden. Entwicklungen,
die noch vor einigen Jahren nicht denkbar gewesen wären, werden
in den kommenden Jahren immer mehr Realität. Die Hochschulen
müssen sich selbst vermarkten, um attraktiv für die potenziellen
Studienbewerber zu bleiben. Herkömmliche Studiengänge
alleine reichen nicht mehr aus. Das Niveau und der Anspruch wachsen
an den Musikhochschulen, nicht nur in Bezug auf die klassischen
künstlerischen Anforderungen, sondern auch in anderen Kompetenzbereichen
wie Management, Wissenschaft und Forschung. Fachbereichsübergreifende
Studiengänge und ganzheitliches Denken zeichnen moderne Hochschulen
aus. Der internationale Vergleich, aber auch die wachsende Internationalität
der Studierenden stellt die Ausbildungsstätten vor neue Herausforderungen,
die oftmals nicht mit althergebrachten Methoden zu meistern sind.
Neue Technologien
Neben neuen Strukturen spielen in wachsendem Maße neue Technologien
eine große Rolle im Kulturbereich. Nicht nur in der Ausbildung,
sondern gerade in der Vermarktung kultureller Projekte sind Instrumente
wie Computer, Internet und E-Mail nicht mehr vom kulturellen Spielfeld
wegzudenken. Das fängt an mit Computerprogrammen für Komposition,
neuen digitalen Aufnahme- und Schneidetechniken und dem vereinfachten
Brennen von Demo-CDs. Aber auch im Bereich der Ausbildung sind E-Commerce,
Internetauftritte und Online-Strategien ein Muss. So sollen beispielsweise
Bewerbungsunterlagen – möglichst auch für internationale
Bewerber – attraktiv und benutzerfreundlich abrufbar gemacht
werden. Interne Bereiche für Alumnis, Dozenten und Projektpartner
unterstützen den Netzwerkgedanken, aber auch aktuelle Forschungsberichte
werden veröffentlicht und Publikationen über das Internet
vertrieben. In den USA drucken die Universitäten bereits keinerlei
Printunterlagen mehr, interaktive Imagebroschüren sind die
Regel. Alle Informationen sind im Internet abrufbar und individuell
zusammenstellbar. Einerseits eine Kundenorientierung erster Klasse,
andererseits verbirgt sich dahinter eine geschickte Kostenreduzierung,
die ein ökonomisches Umgehen mit knappen finanziellen Ressourcen
beschreibt. Die neuen Technologien bergen vielfältige neue
Möglichkeiten und bedürfen auch hier der künstlerischen
Kreativität einhergehend mit rationaler Wirtschaftlichkeit.
Kultur- und Medienmanager müssen Wegbegleiter der Wirtschaft,
der Kultur, der Politik und der Medien werden. Sie können der
Wirtschaft dabei helfen, ihr corporate citizenship – ihre
Verbindung zur Gesellschaft – zu planen und zu realisieren.
Der Kultur können neue Wege und Instrumente zur Finanzierung
und dem Umgang mit knappen Ressourcen aufgezeigt werden. Politischen
Instanzen sollte die Betriebsführung von Kultureinrichtungen
näher gebracht werden und den Medien stehen Kultur- und Medienmanager
als neutrale Ansprechpartner zur Verfügung in Bezug auf Verhältnismäßigkeiten
im gesellschaftlichen Gefüge.
Das Institut der Zukunft
Wo werden diese multimedialen Kultur- und Medienmanager der Zukunft
ausgebildet, die der Kultur realisieren, den Unternehmen präsentieren
und den Hochschulen regieren helfen? Das Institut für Kultur-
und Medienmanagement der Zukunft muss meiner Ansicht nach genau
diese Vielfältigkeit aufweisen. Fundierte Theorie in Kultur
und Wirtschaft, weitreichende Praxisbezüge, wissenschaftliche
Forschung, die in realer Beratung umgesetzt wird und Publikationen,
die Ausbildung und Praxis unterstützen. Es muss sich kulturpolitisch
positionieren und aktiv das Verhältnis zwischen Kultur und
Wirtschaft gestalten.
Nur wenn all diese Bereiche in Zukunft noch enger miteinander verknüpft
und noch ganzheitlicher miteinander verwoben werden, kann der junge
Bereich des Kulturmanagements das erreichen, was er zu erreichen
fähig ist.