[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2002/11 | Seite 25
51. Jahrgang | November
Bayerischer Kulturrat
Vom Lernen mit allen fünf Sinnen
Das Kinder- und Jugendmuseum in München
Wie ein traditionelles Museum beschäftigt sich auch ein Kinder-
und Jugendmuseum mit dem Sammeln, Ordnen, Bewahren und Erforschen
von Dingen. Dabei steht die Neugier der Kinder und Jugendlichen
im Vordergrund, die Entdeckerfreude und das Experimentieren, das
eigene Ausprobieren: Berühren, Begreifen, Anfassen, Erfassen,
Verstehen. Erfahrungen mit allen Sinnen, mit Kopf, Herz und Hand
machen zu können ist zentrales Ziel und zugleich Methode des
Kinder- und Jugendmuseums.
Dieses Konzept bedingt eine besondere Ausstellungspräsentation:
„hands on – please touch!“ Der direkte, aktive
und interaktive Kontakt mit den Besuchern wird ausdrücklich
gewünscht und herausgefordert: Die Dinge sind sinnlich erfahrbar
präsentiert, alle Orte sind begehbar und bespielbar und besondere
Situationen beziehen die Kinder und Jugendlichen mit ein. Sich mit
aufregenden, informativen, wichtigen Dingen und Phänomenen
auseinander setzen, real und digital, damit spielen und experimentieren,
Neues erfahren und freiwilliges Lernen mit Spaß und Spannung
– das sind die Merkmale eines Kinder- und Jugendmuseums. Es
geht um Lernen mit allen Sinnen und Lernen durch Tun. Das Kinder-
und Jugendmuseum München wurde 1990 nach zehn Jahren Vorlaufprojekten,
Konzeptentwicklungen im Rahmen der Pädagogischen Aktion durch
einstimmigen Stadtratsbeschluss ins Leben gerufen. Es hat 1996 seine
derzeitigen Räume (500 qm) im Münchner Hauptbahnhof/Nordflügel
bezogen und arbeitet seit Januar 2001 als selbstständiger Träger
(Pädagogische Aktion/Kinder- und Jugendmuseum e.V.) im Auftrag
des Kulturreferats der Landeshauptstadt München.
Das Münchner Modell hat drei (gleich wichtige) konstitutive
Bestandteile:
1. einen mobilen dezentralen Ansatz, Kinder- und Jugendmuseum mobil,
zu Gast in den Stadtteilen, Kindereinrichtungen, Schulen und Museen
(z.B. im Deutschen Museum)
2. den temporären Wechsel-Ausstellungs- und Veranstaltungsteil
im Münchner Hauptbahnhof, Flügelbahnhof Nord und
3. die noch nicht verwirklichte Dauerpräsentation, für
die jedoch bereits Programmbausteine und Sammlungsstrategien entwickelt
werden. Dafür suchen Kultur- und Planungsreferat noch einen
dauerhaften und verkehrsgünstig gelegenen Standort.
Das Kinder- und Jugendmuseum ist kein Abenteuerspielplatz, sondern
ein anspruchsvoller Kultur- und Bildungsort für Kinder, Jugendliche
und Familien. Das Konzept sieht vor, lebendige Lern- und Erfahrungsräume
mit interessanten Themen bereitzustellen, in denen junge Menschen
mit Lust, Neugierde und Fantasie neue Zusammenhänge entdecken
können, die sie in ihrer Entwicklung fördern und ihre
Welt begreifbarer und reicher machen.
Das Kinder- und Jugendmuseum veranstaltet vier bis fünf interaktive
Ausstellungen im Jahr. Anfassen und Mitmachen erwünscht! Ein
fester Bestandteil jeder Ausstellung ist ein umfassendes Rahmenprogramm
und eine themenbezogene Kreativwerkstatt. Während der jeweils
laufenden Ausstellungen entstehen im Netz immer neue Seiten –
von Kindern für Kinder gemacht. Mit Spielen, Informationen,
Interessantem rund um die Ausstellungen, die so die Kinder auch
von zu Hause aus besuchen können; www. kidimu.muc.kobis.de.
Als „volunteers“ helfen Kinder im Sinne von Freiwilligenarbeit/bürgerschaftlichem
Engagement bei der Betreuung (Kinder führen Kinder und Erwachsene)
und bei der Gestaltung der Ausstellungen und Aufbau der Sammlungen
aktiv mit.
Das Kinder- und Jugendmuseum wird gefördert von der Landeshauptstadt
München. Die Qualitätssicherung unserer Arbeit war und
ist jedoch ohne Drittmittel nicht möglich. Einzelne Projekte
wurden bisher wohl wollend unterstützt von Stiftungen. Das
hohe Niveau der bisherigen Ausstellungen beizubehalten ist dabei
genauso Ziel, wie dieses Angebot allen Kindern und Familien zugänglich
zu machen. Deshalb sollen die Eintrittsgelder weiterhin möglichst
niedrig gehalten werden.
Die weiteren, zu verfolgenden Ziele sind der systematische Aufbau
einer Dauerausstellung mit vielen, fest installierten Erfahrungsstationen,
einer Sammlung und der längerfristige Wechsel von der provisorischen
und beengten Unterbringung im Münchner Hauptbahnhof (dafür
aber mit hervorragender Verkehrsanbindung) zu einem geräumigeren
und dauerhaften Standort mit Freiflächen. Ziel unserer Arbeit
ist die kulturelle Kompetenz. Kunst und Kultur im weiteren Verständnis
sind auf Zukunft gesehen immer wichtigere Themen, die das demokratische
Aushandeln gesellschaftlicher Tendenzen und Probleme fördern
und ihm Raum und Gestalt geben. Kulturelle Kompetenz in vielerlei
Varianten ist für Kinder und Jugendliche ein bedeutsames Kapital,
sich sinnsuchend und sinnsichernd in der heutigen und zukünftigen
Gesellschaft zurechtzufinden und behaupten zu können.
Die Münchner Kinder- und Jugendkulturarbeit, in deren kommunalen
Netzwerk sich das Kinder- und Jugendmuseum versteht, versucht, dafür
positive Bedingungen herzustellen und die großstädtische
Lebenswelt zur anregungsreichen Landschaft für offene und bevölkerungsnahe
Freizeit-, Spiel- und Bildungsangebote zu qualifizieren. Das Kinder-
und Jugendmuseum im Bahnhof trägt unter durchaus schwierigen
Rahmenbedingungen seit nunmehr sieben Jahren beharrlicher und fachlich
qualifizierter Kultur- und Bildungsarbeit mit über 500.000
Besucher/-innen bei zum erklärten kommunalpolitischen Ziel
der Landeshauptstadt München als „kinder- und familienfreundlichen
Stadt“.