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nmz-news
nmz 2002/11 | Seite 2
51. Jahrgang | November
Personalia
Personalia
Die neue musikzeitung hat ihre interaktiven Tätigkeiten ausgeweitet. Mit dem Kulturinformationszentrum
stellen wir die engagierte Diskussion in das Zentrum der Aktivitäten im Netz. An dieser Stelle können
Fragen gestellt, Informationen verbreitet und die Arbeiten anderer kultureller Initiativen zur Darstellung gebracht
werden.
Abgang I
Berlins Kulturszene kommt nicht zur Ruhe. Die jeweiligen Kultursenatoren
spielen Staffellauf, reichen in rascher Folge den Amtsstab weiter.
Warum sollen da die Institutsleiter eine Ausnahme machen? Der Komponist
und Intendant Udo Zimmermann reichte nach nur einem Jahr Berlin
als Intendant der Deutschen Oper seine Demissionierung ein. Warum,
ist in unserem „Nachschlag” auf Seite 44 nachzulesen.
Zimmermann, ein Künstler ästhetischer Innovationen und
mit großer Risikobereitschaft, benötigte sicher ein aufgeschlosseneres
Publikum für seine Arbeit als das doch eher konservative Berliner
Musikbürgertum. gr
Jansons nach Amsterdam
Der Dirigent Mariss Jansons ist vom Amsterdamer Concertgebouw-Orchester
zum Nachfolger von Riccardo Chailly gewählt worden. Der aus
Riga gebürtige Dirigent wäre dann von der Saison 2003/2004
an zugleich Chefdirigent des Sinfonieorchesters des Bayerischen
Rundfunks, wo Jansons das Erbe Lorin Maazels antreten wird. Mariss
Jansons, Jahrgang 1943, gehört seit der Zeit, in der er in
zwei Jahrzehnten die Osloer Philharmoniker zu einem Spitzenorchester
formte, zu den international gefragtesten Dirigenten. Von der Arbeitsökonomie
her wäre es sicher möglich, zwei Orchester parallel zu
leiten. Ob diese Einheit in der Führung zweier Spitzenorchester
unterschiedlichster Profile künstlerisch und ästhetisch
sinnvoll ist, bleibt indes zu bezweifeln. Vor allem das Bayerische
Orchester wäre als Rundfunkorchester gut beraten, wenn es sich
vielleicht einmal einem jüngeren und der Moderne gegenüber
radikaler aufgeschlossenen Musiker anvertrauen würde. Jansons
zeigt sich zwar auch der musikalischen Gegenwart gegenüber
aufgeschlossen, gleichwohl prägt ihn eine doch eher konservative
Grundhaltung des Musizierens, allerdings auf hohem Niveau. gr
Lili-Marleen-Komponist gestorben
Manchmal braucht ein Komponist nur ein Lied, eine Melodie zu erfinden,
um für lange Zeiten populär zu werden. So ist es Norbert
Schultze ergangen, als er 1937 auf Hans Leips poetischen Text von
der „Lili Marleen” eine wunderbar sentimentalische,
gefühlvoll-sehnsüchtige Melodie komponierte, die, als
es soweit war, von den deutschen Soldaten des Zweiten Weltkriegs
zu einem seelischen Überlebensmittel erhoben wurde. Den Nazis
gefiel das gar nicht, aber gegen die kollektive Volksseele ist wohl
sogar ein diktatorisches Regime ohnmächtig. Leips Text entstand
übrigens schon 1915 in den Schützengräben des Ersten
Weltkriegs, die Authentizität ist also unbestreitbar. Norbert
Schultze hat auch Opern geschrieben: „Schwarzer Peter”
(1936) und „Das kalte Herz” (1945), die nach dem Krieg
häufiger auf den kleineren und mittleren Opernbühnen erschienen
und durch ihren kultiviert-volkstümlichen Tonfall gefielen.
Von ihm stammen auch Filmmusiken, so für „Das Mädchen
Rosemarie”. Schultzes Lieder zeichnete oft ein eleganter Chansongestus
aus, sonst nicht gerade eine Stärke deutschstämmiger Tonschöpfer.
Jetzt ist der Komponist im Alter von einundneunzig Jahren gestorben.
hd (siehe auch Leserbrief
in nmz 12/1 - 2002/2003)
Abgang II
Gründe wurden im gegenseitigen Einvernehmen nicht genannt,
doch wer Franz Xaver Ohnesorg etwas näher kennt, ahnte schon
vorher, dass die „Ehe” des Querkopfs und Individualisten
Ohnesorg mit den nicht minder selbstbewussten Berliner Philharmonikern
nicht ewig dauern würde. Schneller jedoch als selbst von Skeptikern
erwartet hat sich jetzt Ohnesorg von Orchester und Stadt Berlin
getrennt. Heim nach Köln zu Weib und Kind heißt die Parole.
In der Domstadt hat der Bayer Ohnesorg die dortige neue Philharmonie
in mehr als einem Jahrzehnt zu einem Riesenerfolg gemacht. Danach
zog es ihn nach New York zur Carnegie Hall, doch das urkonservative
New Yorker Musik-Publikum schätzte den Neuerer Ohnesorg gar
nicht. So kam er nach Berlin. Er vollendete dort die Umwandlung
der Orchester-Verfassung in eine Stiftung, entwickelte mit dem neuen
Chefdirigenten Simon Rattle schöne Pläne, um aus dem behäbigen
Musentempel ein offenes Haus der Musik zu formen, in dem nicht nur
die üblichen Sinfoniekonzerte stattfinden sollten. Das ist
jetzt wohl, wie vieles in unserer so genannten Hauptstadt, Makulatur.
Ohnesorg ist ein schwieriges Temperament. Aber das wusste man vorher.
Wer seinen dickköpfigen Individualismus nicht ertragen kann,
darf den Mann nicht engagieren. Er wird sicher wieder eine ihm adäquate
Position finden, im Rheinland oder am besten in heimatlichen Gefilden:
Dort leben noch viele andere Franz Xavers und rauhbeinig sind sie
auch. Man ist dort nicht so zimperlich mit einem kräftigen
Wort. gr
Auf zum Kunstfest Weimar
Bayreuth liegt fern, Hamburg noch ferner und Köln wird gar
nicht erst in den Blick genommen: Goethe, Schiller und Weimar locken.
Dort soll Nike Wagner (unser Foto) als neue Kunstfest-Intendantin
glanzvolle „Siege” für die Kunst erstreiten, und
zwar vom Jahr 2004 an. Wie von der Literaturwissenschaftlerin und
Dramaturgin Nike Wagner gewohnt, wird sie für ihr neues Arbeitsfeld
erst einmal ein neues inhaltliches Konzept erstellen: Goethe und
Schiller ja, aber bitte keine „Pflege”, so wird es wohl
ausschauen. Den innovativen Ehrgeiz hat die Urenkelin Richard Wagners
zweifellos von diesem geerbt. Mit diesem Ehrgeiz stößt
sie allerdings gern auf Unverständnis und Ablehnung, so, als
sie sich in Bayreuth als Nachfolgerin für die Festspiele präsentierte
oder in Hamburg, wo eine neue Kultursenatorin gesucht und in ihr
nicht gefunden wurde. In Weimar gibt es andere Gefährdungen:
Für das interimistisch geleitete Kunstfest 2003 steht die Finanzierung
wohl noch nicht,und wer weiß, ob der Stadt nicht überhaupt
das Geld für alle weiteren Kunstfeste fehlen wird. Dann kann
Nike Wagner vielleicht doch als Generalintendantin nach Köln
wechseln, falls ihr bis dahin nicht der Ohnesorg Franz Xaver in
die Quere kommt, der sich nach der Berliner Pleite an den Rhein
zurücksehnt. hd
Pollini erhielt Echo-Klassik-Preis
Mitte Oktober wurden in einer Benefiz-Gala in der Alten Oper in
Frankfurt die Preisträger des Echo Klassik 2002 der Deutschen
Phono-Akademie geehrt. Der 1942 in Mailand geborene Pianist, Komponist
und Dirigent Mauricio Pollini wurde in Abwesenheit für sein
Lebenswerk ausgezeichnet. Als Sängerin des Jahres wurde die
rumänische Sopranistin Angela Gheorghiu ausgezeichnet, bester
Sänger wurde bereits zum zweiten Mal der argentinische Tenor
Marcelo Alvarez. Insgesamt wurden Echo-Preise in 20 Kategorien vergeben.
Als beste Instrumentalisten erhielten unter anderem der Pianist
Evgeny Kissin, die Flötistin Sharon Bezaly, der Trompeter Sergej
Nakariakov und die Geigerin Hilary Hahn Auszeichnungen. Der Erlös
der Gala geht an die Stiftung Frauenkirche in Dresden.
Frank Schneider wird 60
Der langjährige Intendant des Berliner Konzerthauses und des
Berliner Sinfonie-Orchesters, Frank Schneider, feierte im Oktober
seinen 60. Geburtstag. Der Musikwissenschaftler hat einen internationalen
Ruf als Experte für zeitgenössische Musik. Schneider,
geboren im sächsischen Großerkmannsdorf, hatte ursprünglich
Dirigent werden wollen. In Dresden begann er mit dem Dirigier-Studium,
sattelte aber bald auf Musikwissenschaft an der Berliner Humboldt-Universität
um. 1968 bis 1971 wirkte er im Berliner Zentralinstitut für
Musikforschung beim DDR-Komponistenverband, anschließend bis
1975 als wissenschaftlicher Assistent an der Humboldt-Universität.
Es folgten fünf Jahre als Musikdramaturg an der Komischen Oper
Berlin. Von 1980 bis 1991 war Schneider an der Akademie der Wissenschaften
der DDR in Berlin am Institut für Ästhetik und Kunstwissenschaften
als Experte für Neue Musik tätig. Im Konzerthaus mit seinen
jährlich rund 350 Veranstaltungen hat Schneider viele thematische
Zyklen installiert. Jährlich kommen etwa 400.000 Besucher in
das ehemalige Schinkelsche Schauspielhaus am Berliner Gendarmenmarkt.