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nmz-archiv
nmz 2002/11 | Seite 51
51. Jahrgang | November
Dossier: Musikbuch / Noten
Motivation und Inspiration durchs Tastenungeheuer
Aktuelle Klavier-Editionen für den Unterricht mit Kindern
· Von Anke Kies
Gottfried Jaufenthaler/Maria Zeisler: Kinderklavierschule Band
1-3, Universal Edition Wien, UE 31461-63.
Jede Klavierschule verfolgt natürlich die gleiche Absicht:
Kinder, meist im Vorschulalter, sollen auf möglichst anschauliche,
aber auch effektive Weise das Klavierspielen erlernen. Möglichkeiten
gibt es viele, aber eigentlich bräuchte jeder Schüler
ein ganz individuell auf ihn zugeschnittenes Lehrwerk. In der
Praxis dürfte daher die ausschließliche Verwendung
einer Klavierschule wohl eher selten sein; Ergänzungsliteratur
ist also von Anfang an gefragt.
Erfreulich ist, dass trotz der schon so zahlreich vorhandenen
Klavierschulen immer wieder neue, so auch die hier vorliegende
in drei Bänden, auf den Markt kommen und das Angebot erweitern.
Im Gegensatz zu den sonst meist bunten und vollgepackten Anfängerwerken
ist diese äußerst karg gehalten, beschränkt sich
auf das absolut Notwendige, ist überschaubar und lässt
noch viel Platz für eigene Eintragungen. Die Autoren sprechen
auch hier Vorschulkinder an, beginnen im ersten Band sofort mit
der Notenschrift (vorbereitendes improvisatorisches „Warmwerden”
mit dem Instrument darf aber nicht fehlen). Das Tonmaterial, ausgehend
vom eingestrichenen C, wird ganz allmählich auf den Fünftonraum
in beiden Händen erweitert, so dass nicht nur das Notenlernen,
sondern auch die Bewegungsabläufe intensiv trainiert werden
können. Etwas unsinnig ist die Art der Einführung des
Pedalspiels (treten und klatschen) und der Pausen (fast stupide
Zählerei). Im zweiten Band kommen die schwarzen Tasten innerhalb
des oben genannten Tonumfangs ins Spiel; dass dafür der schwächste
vierte Finger als Erster, nämlich auf fis, herhalten muss,
ist nicht so glücklich gewählt. Auch der Hinweis auf
Tonarten macht wenig Sinn, wenn ein Stück in G-Dur wegen
der b-Vorzeichen im Notentext letztlich in g-Moll klingt und sich
erst in der zweiten Hälfte zu G-Dur durchringt. Akkordspiel
wird in Verbindung mit Liedspiel begonnen. Hier könnte man
darüber streiten, ob es zum Beispiel logisch ist, den F-Dur-Akkord
als Quartsextakkord (innerhalb der Kadenz) einzuführen und
ob nicht überhaupt erst einmal eine einfache Grundbassbehandlung
für das Begleiten von Liedern ausreicht. Notenwerte, Taktarten,
punktierter Rhythmus, Erweiterung des Tonmaterials, Lagenspiel,
Artikulation, Unabhängigkeit der Hände werden brav gearbeitet,
das musikalische Material ist sehr simpel. Die Idee, die Autoren
fotografiert in selbst angefertigte Zeichnungen zu setzen und
mit Sprechblasen zu versehen, deren Inhalt sehr gekünstelt
wirkt, war wohl eher ein Fehlgriff. Empfehlenswert ist die Kinderklavierschule
für ganz junge Anfänger und für Lehrer, die diese
kreativ zu ergänzen wissen.
Siebzig Tastenabenteuer mit dem kleinen Ungeheuer, Breitkopf
& Härtel, EB 8721 und 8722.
Diese 70 Klavierstücke sind konzipiert für Anfänger
und können praktisch ab der ersten Unterrichtsstunde zu jeder
Klavierschule ergänzend hinzugenommen werden. Sie bieten
reichlich Material sowohl in spieltechnischer Hinsicht als auch
auf improvisatorischem Gebiet. Bemerkenswert ist die Tatsache,
dass trotz des anfangs geringen Tonmaterials (auch hier ausgehend
vom eingestrichenen C in schrittweiser Erweiterung) mit viel Einfallsreichtum
(klopfen, pfeifen, klatschen, glissando, Pedal) absolut stimmige
kleine Charakterstücke entstehen, die Kinder gut nachvollziehen
können und deshalb auch mit Begeisterung gespielt werden.
Da wird auch gleich das rhythmische Empfinden trainiert, die Fantasie
angeregt, es darf in ganz tiefen und höheren Lagen gespielt
werden, Mitdenken ist gefragt, Befindlichkeiten werden ausgedrückt,
und wie ein Klavier überhaupt schön klingen kann, darf
auch ausprobiert werden. Jeder Schüler hat Defizite irgendeiner
Art – das „kleine Ungeheuer“ bietet in jedem
Fall Hilfe an. Es schaut auch zu oder macht mit dank der witzigen,
farbigen Illustrationen. Nicht nur als Begleitheft zu Klavierschulen,
sondern auch für einen spannenden Klavierunterricht sind
die Hefte vom Team um Martina Schneider eine dankbare Bereicherung.
Christoph Busching: Prima Vista, Mit Anfängern sofort
vierhändig spielen, Gustav Bosse Verlag, Kassel 2001
Die Vorzüge des Vierhändigspielens sind unumstritten.
Gemeinsames Musizieren sollte von Anfang an ein Bestandteil der
Klavierausbildung sein. „Prima Vista“ sind Lehrer-Schüler-
Stücke, die natürlich vorwiegend im Unterricht Verwendung
finden: zum Einspielen, Wiederholen von Lehrstoff, auch Blattspielen.
Weiterhin lässt sich auch dieses Heft mit Klavierschulen
gut kombinieren, da im Primo-Part auch hier als Ausgangspunkt
das eingestrichene C mit schrittweiser Erweiterung bis hin zur
Quinte dient. Der Schüler spielt einstimmig mit abwechselnden
Händen kleine Melodien in verschiedenen Taktarten, der schnellste
Notenwert ist dabei die Viertel. Später kommen bekannte Volks-
und Kinderlieder hinzu. Der Lehrer-Part ist trotz guter Absicht
etwas dick aufgetragen und sollte anfangs mit Rücksicht auf
den Schüler vereinfacht werden. Sicherheit im Umgang mit
der eigenen Stimme (Text und Metrum) ist die Voraussetzung für
gemeinsames Musizieren. Vierhändige Stücke eignen sich
gerade auch im Anfangsunterricht gut zum Vortrag, da die „Solo-Literatur“
zu diesem Zeitpunkt noch nicht viel hergibt.