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nmz-archiv
nmz 2002/11 | Seite 49
51. Jahrgang | November
Dossier: Musikbuch / Noten
Aufbruch im Rückblick
Ein Buch zum 50. Geburtstag des Mädchenchors Hannover
Gudrun Schröfel, Peter Schnaus (Hg.): Die Stimme der
Mädchen. 158 Seiten (über MädchenChor Hannover,
Seelhorststr. 52, 30175 Hannover).
Ein Mädchenchor? Immerhin ist es der derzeit wohl Beste in
Deutschland. Und wer ihn und auch seine derzeitige Leiterin Gudrun
Schröfel kennt, der weiß, dass in dem halben Jahrhundert
nichts von seinem Elan verloren gegangen ist. Eigenartiger Weise
(oder in der männerdominierten Geschichte auch wiederum nicht)
hat der Mädchenchor im Gegensatz zum Knabenchor eine nur sehr
lückenhafte Geschichte. Es war also durchaus ein zukunftsträchtiger
Schritt, als im Mai 1952 Heinz Henning den Chor gründete, der
dann schon ab Herbst dieses Jahres von Ludwig Rutt geleitet wurde
(es wurde eine Lebensaufgabe, Rutt stand dem Chor ganze 47 Jahre
bis 1999 vor). Literatur musste gefunden werden und da es mit der
Tradition ein wenig haperte (freilich konnte man vieles umschreiben),
machte man schon bald das beste aus dieser Situation: Man beauftragte
Zeitgenossen, neue Literatur zu schaffen.
Auf diese Weise sind die Ansprüche und auch das Vertrauen in
das eigene Können kontinuierlich gewachsen und schon bald wurden
breitere Kreise auf den enormen Chor aufmerksam. Schon 1956 machte
man die erste Konzertreise, damals noch im engeren Raum, 1961 betrat
man zum ersten Mal ausländischen Boden (die Reise führte
nach Dänemark). Immer weiter wurden die Kreise, immer anspruchsvoller
die Programme, immer professioneller trat der Laienchor auf. Heute
steht der Mädchenchor Hannover dafür, dass ernsthaftes
musikalisches Bewusstsein immer noch keine Chimäre ist. Es
ist eine schöne, erfahrungsintensive und reiche 50-jährige
Geschichte. Komponisten wie zum Beispiel Alfred Koerppen, Tilo Medek,
Wilhelm Killmayer, Einojuhani Rautavaara, Petr Eben, Veljo Tormis
oder Arvo Pärt und viele andere arbeiteten mit dem Mädchenchor
Hannover zusammen, forderten neue Techniken und lernten selbst durch
das Miteinander.
Zum Geburtstag hat man sich auch ein Buch geschenkt, einen Dokumentationsband
(die Geschichte der Mädchenchöre ist zu Beginn in einem
kenntnisreichen Aufsatz von Susanne Rode-Breymann wiedergegeben).
Aber das Buch ist mehr. Durch seine schöne Aufmachung (lebendig
und zugleich ohne großen Layout-Schnickschnack) und durch
liebevoll zusammengestellte, gehaltvolle Texte zeigt es auf, wie
musikalische Arbeit auf glückliche Art funktionieren kann.
Dass Musik und Singen intensive Arbeit und Vergnügen zugleich
sind, vermittelt sich ganz unmittelbar. Hier ist kein tröger
Band, der eine Geschichte zusammen trägt, zu der man selbst
kaum mehr Bezug hat (oder gegenüber der ein schlechtes Beschönigungs-Gewissen
herrscht), hier ist ein Band, der im Rückblick den fortwährenden
Aufbruch mitdenkt. Hierin gibt er Beispiel. Je mehr ihm in der Intention
folgen, umso besser.