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nmz-archiv
nmz 2002/11 | Seite 15
51. Jahrgang | November
Initiative
Konzerte für Kinder
Die Ausbildung kommunikativ öffnen
Zum Studium generale der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf
· Von Wolfgang Rüdiger
Die vornehmste Aufgabe einer Musikhochschule ist zweifellos die
Sicherung unseres hochqualifizierten Musikernachwuchses für
die vielfältigen Bereiche und Sparten des Musiklebens durch
beständigen hervorragenden Unterricht. Dem kommen die Hochschulen
seit Jahrzehnten höchst erfolgreich nach, unser hohes Orchester-,
Musikschul- und Schulmusikniveau belegt dies eindrücklich.
Darüber hinaus aber haben Hochschulen einen weiter reichenden
kulturellen Auftrag vielgestaltigster Art:
sich öffentlich zu verständigen über ihre Situation
und Stellung in der Gesellschaft;
ein Ort der Begegnung zu sein und eine geistige Bildungsstätte,
an der künstlerisch geforscht, gelehrt und gelernt und dies
einer breiten Öffentlichkeit vermittelt wird;
Bestehendes nicht bloß zu reproduzieren, sondern auf
den tiefgreifenden Wandel unserer Musikkultur zu reagieren und
die Initiative zur Entwicklung neuer Aufgaben- und Arbeitsbereiche
zu ergreifen;
Fachbereiche zu entgrenzen, Fächer zu verbinden und spartenübergreifend
in die Zukunft zu denken;
die Türen des Unterrichts zu öffnen, sich auszutauschen
und Anteil zu nehmen an der Arbeit der Anderen;
die deputatsübergreifenden Qualitäten und Kompetenzen
jeder einzelnen Lehrkraft zu nutzen, allen zugänglich zu
machen und voneinander zu lernen;
Musik als gesellschaftsbildende, identitätsstiftende Kraft
in den öffentlichen Diskurs, „aus dem Frieden des Feierabends
an die Brennpunkte des Tages“ zu holen;
möglichst viele Menschen für Musik zu begeistern
und zum Musikhören und -machen anzuregen.
Eben spielte er noch Fagott:
Klangredner und Musikvermittler Wolfgang Rüdiger. Foto:
Lievenbrück
Die Liste der kulturellen Aufgaben – des öffentlichen
Selbstverständnisses über die gesellschaftliche Aufgabe
der Hochschule und der in ihr Lehrenden und Lernenden – ließe
sich sicherlich erweitern. In einem Punkte, der alle anderen mitbetrifft,
ist sie indes besonders brisant: in dem der Musikvermittlung. Unser
Musikmachen darf nicht länger selbstgenügsam für
sich bleiben, der Künstler nicht länger kontaktarm und
menschenscheu auf sich bezogen, auf fernem Podium ohne Kommunikation
mit den Hörern. Das will das Publikum nicht mehr, die alten
Konzertrituale haben abgedankt, die Krise des Konzerts – Hörerschwund,
Überalterung, Elitarisierung – verlangt nach einer kommunikativen
Öffnung, Ansprache des Publikums und fantasievollen Musikvermittlung.
Dies entspricht nebenbei auch dem Wesen der Musik als soziale Praxis
voll Sinn- und Vermittlungsgehalts, der entfaltet wird bei jedem
Üben, Interpretieren, Vortragen und Vermitteln an ein breites,
vielköpfiges Publikum jeglichen Alters und Milieus.
Dass Musikvermittlung ein zentrales kulturelles Bedürfnis
unserer Zeit ist, darauf deuten viele Anzeichen und Aktivitäten
in der internationalen Orchester- und Ausbildungslandschaft. Einige
seien hier genannt:
da besuchen die Musikerinnen und Musiker des Royal Scottish
National Orchestra regelmäßig Schulen und begeistern
mit konzertpädagogisch aufbereiteten Programmen ein junges
Publikum für klassische Musik;
da lernen die Studierenden der Londoner Guildhall School of
Music „performance and communication skills“;
da richten die Berliner Philharmoniker ein „education
department“ ein, engagieren einen Kinderkonzert-Experten
und bekennen sich zur radikalen Öffnung und Kommunikation
mit dem Publikum (O-Ton Simon Rattle: „Der Musiker der Zukunft
wird auch ein ‚educator‘, ein Musikvermittler sein“);
da votiert der neue Generalsekretär des Deutschen Musikrats,
Thomas Rietschel (vormals Jeunesses Musicales), für einen
hohen Anteil von Musikvermittlungsaktivitäten im Dienstplan
eines jeden Orchestermusikers;
da entwickeln Hochschulen und Musikuniversitäten konzertpädagogische
Curricula und bieten Lehrveranstaltungen zur Programmdramaturgie
und Präsentation für alle Studierenden an (so Detmold,
Düsseldorf, Wien u. a.).
Dies alles berechtigt, von einem umfassenden „Paradigmenwechsel“
(Thomas Rietschel) im Verständnis von Musik und Musikersein
zu sprechen: Vom einseitig auf sein Instrument fixierten Solisten
und Orchestermusiker hin zum vielseitig engagierten Musiker, der
zugleich Musikvermittler in ausgewählten Bereichen ist und
seine Kunst als Mitteilung, Botschaft, Kommunikation versteht.
Dazu bedarf es aber einer neuen Einstellung und Ausbildung, die
die Trennung von Künstlern und Pädagogen aufhebt und die
traditionelle künstlerische Ausbildung in Richtung Vermittlungskompetenzen
öffnet: durch gesteigerte Reflexion und Inhalte wie kluge Übe-,
Interpretations-, Auftritts-, Konzertinszenierungs-, Verbalisierungs-
und Präsentationspraxis, die zugleich das eigene künstlerisch-instrumentale
Lernen und Handeln befruchten und das Studium wieder so geistfähig
und gesellschaftsrelevant machen, wie es dem Wesen der Musik und
den Bedürfnissen der Menschen entspricht. Jeder Musiker und
jede Musikerin muss heute fähig sein, mit dem Publikum in Kontakt
zu treten, ein Konzert zu moderieren, die Hintergründe der
Musik, die er spielt, zu erklären und seine Interpretation
didaktisch zu begründen. Wo immer er aktiv ist, im Orchester,
auf der Bühne, in Hochschule, Musikschule oder Schule –
dies alles gehört zum Beruf des Musikers, denn Vermittlung
ist ein Wesenskern von Musik als soziale Praxis und klingende Verständigung
über die Probleme unserer Zeit.
Unser Studium generale zum Thema „Neue Wege der Musik-Vermittlung“
entspringt dem Motiv und der Zielsetzung einer solchen kommunikativen
Öffnung, einer geistigen Selbstbesinnung und (Aus-)Bildung
unserer Studierenden zu offenen, wachen, vielseitig interessierten
Musikern und Musikvermittlern. Im praxisorientierten Nachdenken
über den Sinn des Musikmachens und neue Wege der Vermittlung
stellen Lehrkräfte der Robert Schumann Hochschule und auswärtige
Gäste aus den Bereichen Künstlerische Ausbildung, Musikwissenschaft,
Musikpädagogik, Management, Medienästhetik und Musikjournalismus
Schwerpunkte ihrer Arbeit in Klang, Wort und Bild vor.
Die Vorträge finden jeweils Mittwochs um 19.30 Uhr im Kammermusiksaal,
Fischerstraße 110, statt:
23. 10. Prof. Claus Reichardt, Violoncello
30. 10. Prof. Dr. Dr. Volker Kalisch, Musikwissenschaft
6. 11. Prof. Barbara Stiller, Initiative Konzerte für Kinder
der JMD
13. 11. Prof. Raimund Wippermann, Chorleitung
20. 11. Prof. Georg Friedrich Schenck, Kammermusik
27. 11. Wolfram Goertz, Musikjournalismus
4. 12. Prof. Jürgen Kussmaul, Viola
11. 12. Prof. Michaela Krämer, Gesang
18. 12. Prof. Kerstin Grötsch, Klarinette
8. 1. Prof. Manfred Waffender, Medienästhetik
15. 1. Prof. Dr. Wolfgang Rüdiger, Musikpädagogik/Musikvermittlung
22. 1. Vera van Hazebrouck, Konzertveranstaltung/Intendanz Tonhalle
29. 1. Dr. Winrich Hopp, Kunststiftung NRW
5. 2. Prof. Barbara Szczepanska/Irmhild Wörner, Klavier/Rhythmik